Essen. Im Interview nimmt Comedian Maxi Gstettenbauer kein Blatt vor den Mund wenn es um Correctness geht. Außerdem spricht er über seine Depressionen.
Seine Karriere startete Maxi Gstettenbauer nicht mit scharfer Zunge und spitzen Pointen, sondern mit Fingerfertigkeit auf den WASD-Tasten und Mausklicks. Doch es dauerte nicht lange, da wurde aus dem Videospiele-Journalisten ein erfolgreicher Stand-up-Comedian. Mit Kirsten Gnoth sprach der 33-jährige Straubinger übers Papa-Sein, ein Leben mit Depressionen und die Sache mit der Political Correctness.
Sie sind als Gaming-Journalist gestartet und ihr neues Programm heißt „Next Level“. Ist das nur etwas für Zocker?
Maxi Gstettenbauer: Mein allererstes Programm hieß „Nerdisch by Nature“ – angelehnt an den Song von Fettes Brot. Ich habe gelernt, dass man Comedy immer über das machen soll, was man kennt. Und ich habe nun mal sehr viel gezockt und war ein intensiver Gamer. Daher kommen auch die Namen der Programme. Aber das Programm an sich ist eher weniger nerdig.
Was dürfen wir dann erwarten?
Wir als Menschheit stehen gerade an dem Punkt, an dem sich viele Fragen stellen, wie das ‚Next Level‘ aussieht. Wir haben gerade mit so vielen Herausforderungen zu kämpfen. Ich fand es spannend, die Gamersprache mit der gesellschaftlichen Entwicklung zu verknüpfen.
Sie sind Papa geworden. Ist das ihr nächstes Level?
Ja, das kann man so sagen. Es kommen jeden Tag neue Herausforderungen dazu. Wir waren erst auf dem Level der flüssigen Nahrung und jetzt gibt es feste.
Gibt es bei Ihnen jetzt auch Dad-Jokes im Programm?
Nicht die klassischen. Ich versuche meine Familie weitestgehend aus dem Programm herauszulassen. Natürlich habe ich ein paar Stories drin, aber ich verknüpfe das mit gesamtgesellschaftlichen Beobachtungen.
Sind Sie als Vater ernster geworden?
Ich glaube, das wird man zwangsläufig. Aber auch durch die Pandemie bin ich ernster geworden – es war ein Mega-Einschnitt in meinem Leben. Einfach weil Grundvertrauen in die politischen Strukturen verloren gegangen ist. Vorher dachte jeder, dass wir in einem gut laufenden System leben und alles glatt geht. Jetzt sieht man, dass in der Politik auch nur Menschen arbeiten und die ebenfalls komplett überfordert sind. Außerdem sieht die Zukunft nicht sonderlich rosig aus, wenn man sich die ökologische Lage mal anschaut. Das besorgt mich sich.
Mit einem kleinen Kind zu Hause und immer noch pandemiebedingten Absagen – was machen Sie in der Freizeit abseits der Bühne?
Ich schreibe ein Buch, das im Herbst nun erscheinen soll. Das Buch hat zwar noch keinen Titel, aber inhaltlich geht es unter anderem um meine Depressionen.
Das ist ein sehr aktuelles Thema.
Eines der auffälligsten Symptome von Depressionen ist das Gefühl der Isolation. Und das haben pandemiebedingt in den letzten Jahren sehr viele Menschen erlebt. Das einfache und entspannte miteinander Weggehen war und ist nicht möglich. Jede Begegnung muss heute geplant werden. Gefährde ich mich? Gefährde ich andere? Die ganzen privaten Entscheidungen sind hochpolitisch. All das ist für depressiv veranlagte Menschen ein großer Schlag auf die Gesundheit.
Hilft es, darüber zu sprechen?
Ja, das mache ich nicht nur im Buch, sondern auch auf der Bühne. Das schafft ein Stück Normalität. Man fühlt sich dann nicht mehr selbst wie die ärmste Sau unter der Sonne, sondern sieht, dass es anderen auch so geht.
Oft herrscht das Vorurteil, dass depressive Menschen überhaupt nicht lustig sein können. Wie erleben Sie das?
Ernst und Humor schließen sich nicht aus – auch wenn das oft als Gegenteil angesehen wird. Das Gegenteil von Humor ist allerdings Humorlosigkeit. Ernsthaftigkeit heißt für mich, dass man ein Anliegen hat, das einem wichtig ist. Für mich ist Humor ein Weg, die Anliegen zu kommunizieren, die mir wichtig sind. Aber natürlich erlebe ich es auch, dass Menschen denken, dass man als Depressiver nur in der Ecke liegt und rumjammert. Aber ganz im Gegenteil: Hocheffektive und supererfolgreiche Menschen können depressiv sein. Depressionen haben kein Gesicht.
Sie sind ja nicht nur Kabarettist, sondern haben auch einen Podcast zusammen mit Alain Frei: „Gut abgehangen“. Woher kommt der Name?
‘Gut abgehangen’ ist eine Bezeichnung für Fleisch. Ich bin Fleischliebhaber – arbeite da allerdings nun dran. Ich habe seit drei Monaten kein Fleisch mehr gegessen. Zwar mache ich das mit tränenden Augen, aber ich sehe ein, warum da eine Veränderung her muss. Gut abgehangenes Fleisch hängt, wie der Name schon sagt, etwas länger und hat dann auch eine dementsprechend gute Qualität. Das trifft auch auf Alain und mich zu. Wir sind schon eine Zeit lang dabei und sind gereift.
Sie beide haben aber eine Gemeinsamkeit: Eine bissige Art, was den Humor betrifft. Gibt es dennoch Grenzen?
Das ist total schwierig. Es hat was damit zu tun, mit wem man gerade spricht und wie man selbst drauf ist. Beispiel: Ich habe eine Geschichte erzählt, wo ein Bär ein Pärchen beim Campen überrascht und frisst. Es steckt nichts Politisches dahinter und es gibt auch keine Wertung. Es ist einfach eine krasse Geschichte, die genauso passiert ist. Es kamen später Leute zu mir, die diese Geschichte zu extrem fanden. Gleichzeitig habe ich aber auch Witze darüber im Programm, dass ich gerne fremde Kinder überfahre oder zur Entspannung Robben schlachte. Dabei schmeißen sich die Leute vor Lachen weg. Es gibt Themen – und da muss man nicht extra erst bis zum Dritten Reich gehen –, wo es auch bei mir aufhört. Aber die Suche nach einer objektiven Grenze ist in einer Zeit mit 80 Millionen Realitäten sehr schwer. Jeder lebt in seinem eigenen Kopf und die Grenze ist sehr individuell. Ich glaube, als Comedian überschreitet man automatisch Grenzen und das lässt sich nicht verhindern.
Braucht man da als Comedian einfach ein dickeres Fell?
Ich finde ja. Mich wundert, wie oft bei uns die Meinungsfreiheit bedroht ist. Gefühlt jede Woche sehe ich irgendwo einen Humor-Menschen in einer Talk-Show sitzen, der sich über Political Correctness aufregt und sich in seiner Meinung bedroht fühlt. Wir haben es doch jetzt oft genug gesehen. Es gibt einen Aufschrei, dann wird eine Person zum Teufel gejagt und es passiert genau gar nichts. Es ist völlig wurscht. Wo ist bitte dieser Druck der Political Correctness? Wir haben die AfD im Bundestag, wo ist da bitte dieser Druck? Fast alle Kollegen die eine Shit-Dusche abbekommen haben, sind doch weiterhin erfolgreich auf Tour.
Ist der Shitstorm in manchen Fällen sogar gewollt?
Ich trete bei manchen TV-Sendungen auf, wo mir der Produzent vorher noch sagt „Ein Shitstorm wäre super für uns!“ Und was passiert? Man lässt bewusst verletzende Jokes über Frauen, People of Color oder meinetwegen auch Veganern einfach mal im Skript, in der Hoffnung man kriegt ‘nen Shitstorm. Hier und da gönnt man sich in Kabarett-Sendungen auch mal eine „Querdenker“-Position, weil man ja neutral sein muss. In Wahrheit will man die gesellschaftliche Spaltung riskieren für mehr Aufmerksamkeit. Das Aufregen über Political Correctness ist vom gesellschaftlichen Anliegen zu einem reinen Marketing-Tool verkommen. Weiße Menschen regen sich mit anderen weißen Menschen darüber auf, warum die betroffenen von Rassismus nicht einfach weiß sein können. Das ist Political Correctness im deutschen Fernsehen.
Macht Sie das sauer?
Ich schlag regelmäßig die Hände über dem Kopf zusammen und will meiner Branche sagen: Stellt euch verdammt nochmal nicht so an! Und das sage ich im vollen Bewusstsein, dass der nächste Shitstorm schon auf mich wartet.
Kommen wir zum Abschluss zu einem Thema, dass allgegenwärtig ist: der Pandemie. Wann wird es wohl wieder normaler?
Es gibt Leute, die sagen im April. Andere glauben in fünf Jahren und wieder andere denken, dass es nie wieder normal wird. Man darf sich nicht an einen Zeitpunkt klammern. Es wird wieder einen Punkt geben, an dem wird es wieder so ähnlich wie vorher sein. Die ganzen Absagen und Verbote passieren ja auch, damit die Menschen zu diesem Punkt zurückkehren können. Es wird wieder volle Hallen geben, eine Bahnfahrt ohne Maske, bei der das Bordbistro zu hat und vieles mehr – und daran sollte man glauben.
Maxi Gstettenbauer live
Termine: 21.1. Bochum (Bhf Langendreer), 22.1. Mönchengladbach (TiG), 1.4. Köln (E-Werk), 8.4. Witten (Saalbau), 26.4. Unna (Lindenbrauerei), 29.4. Oberhausen (Zentrum Altenberg), 7.5. Münster (Kap.8), 14.5. Borken (Stadthalle).
Karten ab ca. 25 € und weitere Infos über www.maxigstettenbauer.de.