Velbert-Mitte. Die Förderzentren im Kreis Mettmann haben ihre Probejahre mit Bravour bestanden. Der Zulauf ist enorm. Schule in Velbert kommt in neue Hände.
„Das Grundstück stimmt, die Bedingungen stimmen, der Preis stimmt“, sagt Martin M. Richter. Er wisse zwar nicht, ob es heuer noch zu einem Notar-Termin kommen werde, „aber wir sind uns handelseinig“. Und damit meint der Kreisdirektor den Kreis Mettmann als Käufer und die Stadt Velbert als Verkäuferin, die nämlich ihre alte Förderschule „In den Birken“ an den Kreis veräußert. Diese bzw. die Immobilie an der Hans-Böckler-Straße ist seit geraumer Zeit mit dem benachbarten leuchtend blauen „UFO“ Bestandteil des Förderzentrums Nord, das der Kreis im Zuge der neuen, erwiesenermaßen erfolgreichen Förderschulstruktur im Neanderland geschaffen und formiert hat.
Stadt Velbert war bisher Vermieterin
Bislang hat Velbert „In den Birken“ lediglich vermietet. „Es ist mir lieber, in Eigentum zu investieren“, erklärt Richter jetzt. Das hiesige Fördersystem sei „unbedingt eine gute Sache, es hat sich bewährt“. Mit 2020, also nach fünf Jahren, sei die anfangs vereinbarte Erprobung abgelaufen, doch sei schon nach dem dritten Jahr klar gewesen, „das will keiner zurückdrehen. Es gibt keinen Zweifel, dass wir dauerhaft Schulträger bleiben“. Ergo könne und müsse man jetzt auch bei der Immobilie Fakten schaffen. Der Kreistag habe den Auftrag zum Kauf erteilt; vertraglich sei die Summe von 2,5 Millionen Euro vorgesehen. „Ja, wir sind uns einig“, bestätigte Velberts zuständiger Beigeordneter gegenüber der WAZ, Jörg Ostermann: „und wir wollen auch noch in diesem Jahr zum Notar.“
Eltern ein echtes Wahlrecht bieten
Die Gebäude-Substanz sei „bekanntermaßen in Teilen sehr schlecht“, in anderen wiederum „respektabel. Wir werden dort bauen, und zwar zusätzlich. Dafür sind im nächsten Etat erhebliche Planungsmittel eingesetzt“, so Richter weiter. Denn der Druck wächst allenthalben in den Kreis-Förderzentren. Die Grundidee des Ganzen, „Eltern von Kindern mit Einschränkungen ein echtes Wahlrecht“ zu bieten, hat sich als so überzeugend und gefragt erwiesen, dass der tatsächliche Ansturm sämtliche Erwartungen übertrifft. „Wir sind bei den Schülerzahlen schon jetzt da, wo wir den Prognosen der Schulentwicklungsplanung nach eigentlich erst in 2028 oder 2030 sein sollten“, berichtet Richter, zu dessen Dezernat Finanzen und Kämmerei, Schulen und Kultur/Tourismus gehören.
Rechtsanspruch auf OGS-Platz
Hinzu komme zusätzlicher Druck durch den künftigen Rechtsanspruch auf einen Platz in der Offenen Ganztagsbetreuung, bei dem die Förderzentren per Gesetz genau wie die Regel-Grundschulen behandelt und eben auch so in die Pflicht genommen würden. Und zwar durchgängig ab August 2029 für alle Kinder. „Mit einer Deckungsquote von 70 Prozent werden wir da nicht auskommen.“ Velbert rechnet auf Basis einer Nachfrage von 75 Prozent damit, dass stadtweit 1000 zusätzliche OGS-Plätze für die Grundschulen her müssen.
Schülerzahl wächst kontinuierlich
So war vor Ort das Förderzentrum mit Haus I (UFO) und Haus II (Schule „In den Birken) und den Schwerpunkten Lernen, Sprache sowie emotionale und soziale Entwicklung ursprünglich für gut 200 Kinder geplant. Anfangs, im Schuljahr 2016/17, waren es 233 Jungen und Mädchen. Mittlerweile ist ihre Zahl auf aktuell 305 geklettert, übrigens vorwiegend Kinder aus Velbert. So steht’s im Gebäude-Masterplan Förderzentren. Die OGS-Inanspruchnahme ist von 44,8 auf heute 55,4 Prozent gestiegen.
Höchstgrenzen fixiert
Und weiter im Text: „Die Förderschulen für Geistige Entwicklung sollen zukünftig maximal 165 Schülerinnen und Schüler und die Förderzentren bis zu 336 aufnehmen.“ Diese Höchstgrenzen seien aus pädagogischer Sicht erforderlich, damit eine individuelle Förderung aller Kinder in einem angemessenen Rahmen erfolgen könne. „Diese Maximalgrenze sollte nach den ursprünglichen Planungen erst dann umgesetzt werden, wenn die Schulgebäude räumlich auf diese Schülerzahlen ausgerichtet sind.“ Allerdings wird an diese Grenzen mitunter schon heute fast gekratzt, ohne dass die Gebäude erweitert worden sind.
Neubau am Hang
Im Haus I sind dem Masterplan zufolge baulich keine Anpassungen möglich. Die drei kleineren Speisebereiche könnten die wachsende Schülerzahl nicht mehr auffangen. Der erforderliche Raumbedarf an Mehrflächen solle mittels eines Neubaus am Hang gedeckt werden. Dafür müsse Haus II zum Teil „zurückgebaut“ werden.
KREISDIREKTOR RICHTER SCHEIDET ZUM JAHRESENDE AUS DEM DIENST AUS
„Ich arbeite eigentlich mit Elan und Euphorie“, sagt Martin M. Richter. Das macht der 63-Jährige im Kreishaus allerdings – viele finden „leider“ – nicht mehr lange. Er sei im Sommer bei einem Allgäu-Urlaub ins Sinnieren gekommen, habe das Ganze anschließend mit seiner Familie durchgesprochen und dann „relativ schnell entschieden aufzuhören“. Der Jurist ist seit 2004 Kreisdirektor und scheidet jetzt zum Jahresende noch ziemlich zu Anfang seiner nunmehr dritten Wahlperiode aus. „Nach mir wird die Rolle von Kreisdirektor und Kreis-Kämmerer wieder getrennt.“
„Ich habe keinen dienstlichen Grund“, fügt er der Schilderung seiner offensichtlich sehr persönlichen und privaten Entscheidung hinzu. Richters erste große Aufgabe im Neanderland – er ist in Köln geboren und lebt seit 30 Jahren in Mettmann – waren die Themen Hartz IV, die ARGE und die Organisation des heutigen Jobcenters „ME-aktiv“. Lange Zeit war er Vorsitzender der Trägerversammlung. Für seinen Ruhestand könne er sich „eine Menge vorstellen“; in ein politisches Amt gehe er „sicherlich nicht“. Nicht zuletzt habe er ja auch seine Hobbies, zählt er schmunzelnd auf: „Motorrad, Segeln, Schweißgerät, Gitarre.“ Und zwar genau in dieser Reihenfolge.