Neviges. Kurz vor Allerheiligen hat Friedhofsgärtner Carl-Frank Fügler wieder jede Menge Arbeit. Trotzdem befürchtet er: „Unsere Friedhofskultur stirbt.“

Wenn Carl-Frank Fügler in diesen Tagen schnellen Schrittes über den katholischen Friedhof Tönisheide eilt, dann geht es nur noch um kleine Verschönerungen: Hier noch ein wenig Hecke schneiden, dort Laub wegharken und noch mal kontrollieren, ob auch alles in Ordnung ist. „Mit dem Pflanzen sind wir fertig, das erledigen wir alles in der ersten und spätestens zweiten Oktoberwoche“, sagt der Friedhofsgärtner, der als Vertragspartner der katholischen Kirchengemeinde Maria, Königin des Friedens, die Gräber an der Kuhlendahler Straße in Schuss hält sowie „einige wenige Pflegegruften auf Friedhöfen des Umlandes“, sagt Fügler, „aber mein Hauptaufgabenfeld, das ist hier der katholische Friedhof auf Tönisheide.“

Rund 100 Gräber in einer Woche bepflanzt

Schön rund muss der Busch aussehen: Mitarbeiter Ismet Asanoski verpasst ihm den letzten Schliff.
Schön rund muss der Busch aussehen: Mitarbeiter Ismet Asanoski verpasst ihm den letzten Schliff. © FUNKE Foto Services | Kira Alex

Etwa 100 Gräber hat er mit seinen zwei Mitarbeitern hier in einer Woche fertig gemacht. „Sommerpflanzen abräumen, Hecken und Sträucher schneiden, Herbstbepflanzung“, beschreibt der 53-Jährige kurz und knapp die arbeitsreichen Tage. „Montagnachmittag, nach der Gräbersegnung, da hab ich dann Allerheiligen, da lege ich die Füße hoch und manchmal gehen wir später essen, etwa zum Schlagbaum“. Aber vorher heißt es morgens: Noch mal zum Friedhof fahren, die letzten Chrysanthemen-Gestecke auf die Gräber legen. „Chrysanthemen werden zwar immer weniger gefragt, die liegen nicht mehr so im Trend wie früher. Aber wenn, dann müssen sie ganz frisch sein, damit sie bei der Gräbersegnung auch noch schön aussehen.“ Apropos Trend, was ist denn bei den Pflanzen im Moment angesagt?

Zur Heide gesellt sich Stacheldraht

Bunt und freundlich statt eintönig und trist: Carex-Gräser, Stacheldraht und Sedum gesellen sich zur winterharten Heide. Und auch ein Röschen wird gern in die Allerheiligen-Schale gepflanzt.
Bunt und freundlich statt eintönig und trist: Carex-Gräser, Stacheldraht und Sedum gesellen sich zur winterharten Heide. Und auch ein Röschen wird gern in die Allerheiligen-Schale gepflanzt. © FUNKE Foto Services | Kira Alex

„Die winterharte Calluna bleibt nach wie vor“, sagt Carl-Frank Fügler und zeigt auf eine üppige runde Bepflanzung aus Heide, für Laien bekannt als „Erika“. Seit ein paar Jahren seien bei der Heide die „Garden Girls“ auf dem Vormarsch, dabei gibt’s mehrere Farben in einem Topf. Angesagt sei Calluna in Kombination mit Carex-Gräsern. „Das wirkt bunter und freundlicher, nicht so trist. Man will das Sterile, Herbst-Traurige nicht mehr haben.“ Neben dem traditionellen „Silberblatt“ finde sich auch zunehmend „Stacheldraht“, wie der Volksmund die Pflanze Calocephalus brownii nennt, in Schalen und vor Grabsteinen, auch hier gern in Verbindung mit verschiedenen Gräsern. Übrigens: Zum Pflanzen hat Carl-Frank Fügler gern schlechtes Wetter: „Am liebsten im Regen, das sind doch optimale Bedingungen, man muss nicht gießen, und wir haben alle Gummi-Anzüge, da kommt nichts durch.“

„Die Friedhofskultur stirbt“

Der Betrieb besteht seit 1926

Bereits seit 1926 gibt es den Gartenbau-Betrieb Fügler „auf Tönisheide“, wie Carl-Frank Fügler als alteingesessener Tönisheider betont. Der 53-Jährige führt den Familienbetrieb in dritter Generation.

Im Jahr 1932 ist das Geschäft umgezogen in die Kuhlendahler Straße 8. Hier entwirft Ehefrau Andrea Fügler kunstvolle Gestecke und stellt individuelle Schnittblumen-Sträuße zusammen. Mehr im Netz auf www.fuegler.de.

Bei dem Streifzug über „seinen“ Friedhof merkt Carl-Frank Fügler an, dass sich nicht nur die Pflanzen-Mode ändert. „Das klassische Doppelgrab gibt’s doch kaum noch. Etwa im Jahr 2000, da lagen die amerikanischen Felder im Trend, also die Rasengruften: Steinplatte auf Rasen.“ Seit ungefähr 2015 gebe es zunehmend Gemeinschaftsgruften, wie zum Beispiel den „Bauerngarten“, wie das neue Urnenfeld auf dem evangelischen Friedhof an der Siebeneicker Straße heißt. Auch sei es beliebt, ein Drittel der Grabfläche mit einem Stein zu bedecken. Sicher pflegeleicht, aber Platz zum Pflanzen und zum Gestalten gebe es da eben weniger. Dazu komme ganz allgemein der Trend zum Waldfriedhof. „Die reine Friedhofskultur stirbt“, bilanziert Carl-Frank Fügler. Da sei es kein Wunder, wenn es bei den Friedhofsgärtnern Nachwuchsprobleme gebe.

Kleine Gestecke liegen im Trend

Dass sich die Friedhofskultur in den letzten Jahren mächtig geändert hat, merkt auch Ehefrau Andrea, die in dem Floristik-Geschäft der Familie Fügler an der Kuhlendahler Straße 8 Gestecke für jeden Anlass und zu jeder Jahreszeit anfertigt, zurzeit eben für Allerheiligen und Totensonntag: „Die großen, so wie früher für die Doppelgräber, die sind kaum noch gefragt. Dagegen eher kleine Gestecke, auch kleine Herzen. Die passen auch auf die Wiesengräber.“ Andrea Fügler, im November 2020 von einem Fachblatt zur „Floristin des Monats“ gekürt, brennt für ihren Beruf genau wie ihr Ehemann, der mit Leib und Seele Gärtner ist: „Ich hab mal als Jugendlicher ein Praktikum als Elektriker gemacht, damals wollte ich wohl mal aufsässig sein“, sagt Carl-Frank Fügler lächelnd, der den Familienbetrieb bereits in dritter Generation führt. „Aber das war nichts für mich, ich muss raus an die Luft, und das bei jedem Wetter.“