Velbert. Hinterherpfeifen und übergriffige Kommentare: Sexuelle Belästigung ist ein alltägliches Problem. So kreativ wehren sich Velberter Aktivistinnen.

Nele greift zur weißen Kreide und schreibt damit große Buchstaben auf den Boden des ZOB in Velbert. Ein Passant bleibt stehen, um ihren Text zu lesen: „Du dumme Schlxmpe, gib mir deine Nummer!“

Mit Kreide-Botschaften wie dieser will die 19-Jährige auf das so genannte „Catcalling“ aufmerksam machen. Darunter versteht man verbale sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum, wie zum Beispiel übergriffige Kommentare oder Hinterherpfeifen.

Velberterinnen kreiden sexuelle Belästigung an

In allen Stadtteilen schreiben Nele und ihre Mitstreiterin Valbona (20) regelmäßig die Erfahrungen auf, die Menschen in Velbert gemacht haben – immer am Ort des Geschehens. Ankreiden nennen sie ihre Form des Protests. Auf ihrem Instagram-Account @catcallsofvelbert teilen sie im Anschluss die Fotos der Zeichnungen.

Über das soziale Netzwerk erreichen sie auch die Nachrichten der Betroffenen. „Er rief und pfiff mir nach. Ich war mit meinem Vater unterwegs“, berichtete beispielsweise eine junge Frau. „Er starrte auf meine Brüste und sagte, es sei Erregung öffentlichen Ärgernisses“, schrieb eine andere.

Instagram-Aktivistinnen setzen sich international gegen „Catcalling“ ein

„Ich höre von Freundinnen immer wieder, dass ihnen „Catcalling“ passiert. Leider. Es wundert mich also nicht, wie viele Betroffene es gibt. Aber es ist doch immer wieder schockierend, was man für Geschichten hört“, sagt Nele. Sie gründete die Gruppe im April, nachdem sie durch Essener Aktivistinnen und Aktivsten auf das Thema aufmerksam wurde.

Auf der ganzen Welt gibt es Gruppen, die verbale Belästigungen öffentlich anprangern. Über eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe tauschen sich Nele und Valbona regelmäßig mit ihnen aus – auch über rechtliche Fragen. Denn anfangs waren die Velberterinnen unsicher, ob das Ankreiden illegal ist. Aber: „Die Kreide kann ja ganz einfach vom Regen weggespült werden. Es ist nichts Permanentes. Deshalb ist es legal“, so Nele.

Nele und Valbona schreiben die „Catcall“-Erfahrungen, die Velberterinnen und Velberter gemacht haben, im ganzen Stadtgebiet auf – immer am Ort des Geschehens.
Nele und Valbona schreiben die „Catcall“-Erfahrungen, die Velberterinnen und Velberter gemacht haben, im ganzen Stadtgebiet auf – immer am Ort des Geschehens. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Auch Männer seien in Velbert von „Catcalling“ betroffen

Sie setze sich gegen „Catcalling“ ein, weil sie es bereits selbst erleben musste. „Ich glaube jede Frau kennt das, dass man auf irgendeine Art und Weise belästigt wird. Sei es verbal oder körperlich“, bestätigt Mitstreiterin Valbona.

Den Aktivistinnen ist aber auch wichtig zu betonen, dass nicht nur Frauen belästigt werden würden. So berichtete beispielsweise ein junger Mann: „Ein älterer Mann hat mir im Bus beim Vorbeigehen einen Klaps auf den Po gegeben und dabei seine Augenbrauen hochgezogen.“

„Catcalling“ als Straftat

Eine Online-Petition fordert, dass „Catcalling“ in Deutschland unter Strafe gestellt wird. Nach jetziger Definition liegt nur bei körperlichem Kontakt eine Straftat vor.

In anderen Ländern ist verbale Belästigung hingegen bereits illegal, zum Beispiel in Belgien und Portugal. Wer in Frankreich jemanden auf der Straße verbal belästigt, muss mit einer Geldstrafe von bis zu 750 Euro rechnen.

Aktivistin Nele über „Catcalling“: „Es ist kein Kompliment.“

Dass Menschen von körperlichen Übergriffen berichten, sei nichts Außergewöhnliches. Nele bezweifle daher auch, dass sie „Catcalls“ aus der Welt schaffen wird: „Uns ist bewusst, dass die ,Catcaller’ ihr Verhalten vielleicht nicht ändern, nur weil wir Sprüche mit Kreide auf den Boden schreiben. Aber es geht darum, Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen. Weil es eben so häufig passiert.“

Die 19-Jährige wolle vor allem an die Täter appellieren und ihnen bewusst machen, dass es „kein Kompliment ist und man im Gegenteil eher ein ungutes Gefühl hat, wenn einem zum Beispiel Hinterhergepfiffen wird.“