Neviges. Die Eigentumswohnungen auf dem früheren Klinikgelände sind begehrt. Ein Trost für den Investor, denn die Baustelle steckt voller Überraschungen.

An dem riesigen Kran baumelt ein großes birnenförmiges Gebilde, das vorsichtig auf dem Boden aufgesetzt wird. „Das ist die Betonbombe. Jetzt werden die Fundamente für die aufzustellenden Gebäude gelegt“, sagt Investor Wolf Neudahm, Geschäftsführer des Wuppertaler Unternehmens Pro Objekt, und schaut zufrieden auf „seine“ Baustelle. Auf dem Gelände des ehemaligen Krankenhauses an der Tönisheider Straße beginnt mit den Hochbauarbeiten ein neuer Bauabschnitt: Sechs Häuser mit insgesamt 53 Eigentumswohnungen lässt Pro Objekt hier errichten. Der Vertrieb laufe exzellent, freut sich Neudahm, der sich mit Tochter Stefanie – die beiden leiten gemeinsam das Familienunternehmen – an diesem Morgen wieder einmal selbst ein Bild von den Baufortschritten macht. 37 Wohnungen sind bereits verkauft, im Moment ist nur noch eine 141 Quadratmeter große Penthouse-Wohnung zu haben. Preis: 669.000 Euro. „Die restlichen 15 Wohnungen kommen im September in den Vertrieb“, sagt Stefanie Neudahm.

Begeistert vom Standort

Gute Laune auf der Baustelle: Im hinteren Teil beginnen die Vorbereitungen für den Hochbau. Mit der Firma August Schmidt arbeitet der Investor seit mehr als 20 Jahren zusammen.
Gute Laune auf der Baustelle: Im hinteren Teil beginnen die Vorbereitungen für den Hochbau. Mit der Firma August Schmidt arbeitet der Investor seit mehr als 20 Jahren zusammen. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Schon beim Kauf des 8000 Quadratmeter großen Grundstücks im November 2019 – damals stand dort ja noch das alte St. Elisabeth Krankenhaus – habe sie gewusst: Das wird laufen. „Ja, ich hab das Grundstück gesehen und war sofort hin und weg. Die Nähe zum Ortskern, man kann sich zu Fuß Brötchen holen, und dann diese schöne Umgebung. Mitten drin und sofort im Grünen. Wo gibt’s das sonst?“ Was ihr Vater bemerkenswert findet: „40 Prozent der neuen Eigentümer kommen nicht aus Neviges.“ Sondern zum Teil auch von weiter weg, etwa aus Oldenburg in Norddeutschland. „Die Leute haben wohl irgend welche Verbindungen hierher, waren aber bisher beruflich an ihren Wohnort gebunden. Die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, hat auf dem Immobilienmarkt ganz viel verändert“, so der Investor, der seinerseits auf diese Entwicklung reagiert.

Viele Überraschungen auf der Baustelle

Nachhaltiges Bauen

Der Materialhaufen, unter dem die Reste des alten Pfarrhauses liegen, besteht aus 20.000 Kubikmetern zerkleinerter Steine aus dem ehemaligen Klinikgebäude. Im Sinne der Nachhaltigkeit werden sie an einigen Stellen des Neubaus weiter verwendet.Die Vermarktung der Wohnungen läuft über die Stadtsparkasse Wuppertal, Immobilienvermittlung. Auskunft erteilt Birgit Weide, 0202 488 3341, oder 0170 5444 398. E-Mail: birgit.weide@sparkasse-wuppertal.de.

So lässt er von den Stadtwerken Glasfaser für ein schnelles Internet legen, was auch die Käufer begrüßt hätten. Deren Großteil sei übrigens mit 20 bis 30 Jahren außergewöhnlich jung, in einigen Fällen kauften auch Kinder die Wohnung und die Eltern zögen ein. Gründe seien wohl die zurzeit günstigen Zinssätze, so der Investor, auch sei „Betongold“ als Anlage und Altersvorsorge beliebt. So viel Freude die Vermarktung den beiden einerseits macht, so viel Aufregungen bereitet ihnen diese Baustelle. Denn dass die Arbeiten im Zeitplan liegen, ist ein kleines Wunder: Gibt es auf dem 8000 Quadratmeter großen Grundstück dieser Baustelle doch immer neue Überraschungen.

Rund 200 Gräber geborgen

Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt: Grabungshelfer Gregor Boksch kratzt vorsichtig eines der zahlreichen Skelette frei. Bis September werden die Archäologen hier noch zu tun haben.
Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt: Grabungshelfer Gregor Boksch kratzt vorsichtig eines der zahlreichen Skelette frei. Bis September werden die Archäologen hier noch zu tun haben. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Da war zunächst aufgrund einer alten Karte nur die Vermutung, dass es hier Überreste einer alten lutherischen Kirche gegeben haben muss. Daraufhin beauftragte der Investor nach Vorgabe des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland die Grabungsfirma Eggenstein, die im Herbst 2020 zudem deutliche Hinweise auf einen dazugehörigen Friedhof fand. Vor vier Monaten legte auf Auftrag des Investors das Archäologen-Team los – und findet seitdem immer mehr Skelette. 160 Gräber wurden bisher ausgehoben und geborgen. „Mit so viel hatten wir nicht gerechnet“, sagt Archäologe Sven Knippschild, für den diese Baustelle ebenfalls eine neue Erfahrung ist. „Einen kompletten Friedhof hatte ich auch noch nicht.“ Bis September, so schätzt der Grabungsleiter, werde er mit seinem Team weiter vor Ort sein und am Ende insgesamt rund 200 Gräber sicherstellen. Bestattungen gab es hier von 1790 bis 1819.

Hohe zusätzliche Kosten

So sehen die sechs Häuser an der Tönisheider Straße aus, wenn alles fertig ist. In der Mitte ist eine Art Dorfplatz geplant.
So sehen die sechs Häuser an der Tönisheider Straße aus, wenn alles fertig ist. In der Mitte ist eine Art Dorfplatz geplant. © Pro Objekt | Pro Objekt

Während hinten auf dem Gelände Bauarbeiter die ersten Fundamente für die Tiefgarage legen, kratzen vorn in Richtung Tönisheider Straße Archäologen der Dortmunder Grabungsfirma Eggenstein Exca weiter vorsichtig Schädel frei, pinseln Lehm von Knochen. „Wir nehmen die erstmal mit, säubern sie, es wird natürlich alles dokumentiert“, erzählt Archäologe Sven Knippschild. Was danach mit den sterblichen Überresten passiere, ob ein Anthropologe sie zum Beispiel weiter untersuche, entscheide dann das LVR Amt für Bodendenkmalpflege. So könne ein Anthropologe etwa anhand der Knochen ableiten, wie das Arbeitsleben der Menschen zu jener Zeit aussah, wie sie sich ernährten, ob es Mangelerscheinungen gab.

Auf Wunsch werden die Skelette in Absprache mit dem LVR ansonsten zur Umbettung freigegeben, allerdings existiert die Gemeinde nicht mehr, zu der der Friedhof einst gehörte. Investor Wolf Neudahm würde es begrüßen, wenn zumindest ein Teil vielleicht in einem Museum landet bzw weiter erforscht wird. Die Ausgrabungen, so schätzt er, werden sein Unternehmen rund 60.000 Euro kosten – eine Ausgabe, mit der vorher nicht zu rechnen war.

Investor bleibt gut gelaunt

Wie dem auch sei, es gibt trotz aller Überraschungen keine zeitliche Verzögerung auf der Baustelle. Etwa am 20. Juli, so schätzt Polier Jörg von Aswege von der Firma August Schmidt, werden die ersten Fertigteile angeliefert. „Die Stimmung ist ja prima, das ist immer viel wert“, freut sich Stefanie Neudahm. Voraussichtlich im November 2023 sollen alle 53 Wohnungen dann bezugsfertig sein. Doch vorher müssen noch – wieder in Absprache mit dem LVR-Amt für Bodendenkmalpflege – die Reste eines alten Pfarrhauses geborgen und ausgewertet werden, die zurzeit noch unter einem großen Materialberg liegen. Aber auch das kann Investor Wolf Neudahm nach 200 Gräbern nicht mehr schocken: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht.“