Velbert. Viele Schulen in Velbert nutzen die Ferien als Extra-Zeit zum Lernen. Eine extra Gelegenheit, Corona-bedingte Lern(stoff)defizite aufzuarbeiten.

Gegen Lern(stoff)defizite und Wissenslücken, die sich bei Schülerinnen und Schülern während all der vielen Corona-Monate mit ihren äußerst ungewöhnlichen Unterrichtsbedingungen aufgehäuft haben, ist sehr wohl ein Kraut gewachsen. Es hat bloß unterschiedliche Namen: Am Geschwister-Scholl-Gymnasium (GSG) sind es in den beiden ersten August-Wochen „Lernferien“, an der Martin-Luther-King-Hauptschule gibt’s im Juli das „Summercamp 2021“ und am Nikolaus-Ehlen-Gymnasium (NEG) heißt es – ebenfalls im August – „Summer School“. Finanziert werden alle diese Maßnahmen zu 80 Prozent mit Hilfe des Landesprogramms „Extra-Zeit zum Lernen“ und – falls erforderlich und auf anderem Wege nicht aufzubringen – zu 20 Prozent aus Mitteln der Stadt Velbert. Es gebe vor Ort nur wenige Schulen, die an dem Programm kein Interesse hätten, berichtet Gerno Böll.

Alle Anträge haben gute Chancen

Sachbearbeiterin Julia Brilo, Fachbereichschefin Barbara Kirschner (Mitte) und Dezernent Gerno Böll haben einen guten Überblick über die Aktivitäten der einzelnen Schulen in der Stadt.
Sachbearbeiterin Julia Brilo, Fachbereichschefin Barbara Kirschner (Mitte) und Dezernent Gerno Böll haben einen guten Überblick über die Aktivitäten der einzelnen Schulen in der Stadt. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Zurückhaltung übten lediglich diejenigen, so der Fachdezernent auf WAZ-Anfrage weiter, bei denen das Vorläuferprogramm auf zu geringe Resonanz gestoßen sei, das zu Lockdown-Zeiten in 2020/21 aufgelegt worden sei. Böll zufolge stehen jetzt landesweit 36 Millionen Euro zur Verfügung, die bis zum Sommer 2022 abgerufen werden müssten. Man könne also z. B. auch noch in den Herbst- oder den nächsten Osterferien sowie parallel zum laufenden Schulbetrieb entsprechende „Aufhol“-Angebote auf die Beine stellen: „Ich gehe eigentlich davon aus, dass alles, was beantragt wird, auch bewilligt wird.“

Fachverwaltung kümmert sich um Antragstellung

Im Rathaus nimmt Julia Brilo zunächst die eingereichten Einzel-Konzepte nebst Kosten genau unter die Lupe; anschließend kümmert sich die Sachbearbeiterin in der Schulverwaltung um die Anträge an die Bezirksregierung Düsseldorf: „Die 6000 Euro für das GSG sind sogar schon bewilligt“, meldet sie.

Im Fokus sind die Kernfächer

Das nächste Aufholpaket ist bereits in Sicht

Die Fachverwaltung wartet bereits auf die Richtlinien vom Land NRW zu einem weiteren Fördertopf: dem „Aktionsprogramm Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“. Dieses Aufholpaket umfasse den Kita- und den Schulbereich, erklärt Gerno Böll. Die Richtlinien würden wohl nach den Sommerferien, aber auf jeden Fall noch vor den Herbstferien kommen.

„Beide sind ja tolle Programme“, beurteilt Gabriele Commandeur das laufende und das weitere Programm. „Aber mehr feste Lehrerstellen“, meint die GSG-Chefin, „wären uns grundsätzlich natürlich lieber.“

Dort kümmert sich der Schulverein, der sich in Birth u. a. in Sachen Ganztag und Mensa-Betrieb, für Arbeitsgemeinschaften und Kooperationen engagiert, um das Organisatorische; die Stadt übernimmt die 20 Prozent Eigenanteil. Schulleitung und -Kollegium haben die Teilnahme an der „Extra-Zeit“ beschlossen; in den beiden Wochen sind jeweils von 9 bis 12.30 Uhr zehn Referendare und Studenten aufgeboten und am Start. Sie arbeiten dann mit den Jungen und Mädchen in den Kernfächern nach. Je nach Klasse und Stufe sind das Deutsch, Englisch, Mathe, Latein und Französisch.

Schüler gingen verloren

Gabriele Commandeur leitet das GSG. Ihre Maßnahme ist bereits bewilligt worden.
Gabriele Commandeur leitet das GSG. Ihre Maßnahme ist bereits bewilligt worden. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Die Teilnahme sei freiwillig, die Anmeldung dann jedoch verpflichtend, sagt Gabriele Commandeur. Und selbstverständlich sprächen ihre Kollegen ganz gezielt in Frage kommende Schüler an, falls sich diese oder ihre Eltern nicht anmeldeten, so die GSG-Schulleiterin (seit 2019). „Gerade in Zeiten des Distanzunterrichts sind auch bei uns trotz aller Bemühungen genau die Schüler zum Teil verloren gegangen, die in sozial prekären Verhältnissen leben“, erzählt Commandeur. Sie hätten sich beispielsweise weniger an Videokonferenzen beteiligt und ihre Aufgaben nicht so eingereicht wie andere. Für gute Schüler sei eine eigenverantwortliche Organisation gar kein Problem, hingegen holpere es in anderen Fällen schon beim Tagesrhythmus. „Dass man z. B. nicht im Jogger bleibt, sondern sich ordentlich anzieht, um damit zu dokumentieren, dass man im Schulalltag angekommen ist.“

Neuauflage in Herbstferien denkbar

Klassenarbeiten und Klausuren würden jetzt noch einmal so richtig deutlich machen, was man bislang schon geahnt habe, sagte die GSG-Chefin. Die Antragstellung sei „perfekt und super“, ggf. werde man in den Herbstferien in Birth erneut Lernferien einlegen.

Auf einmal wieder zusammen an einem Tisch

Das NEG plant laut Verwaltung ein ähnliches Vorhaben zur Aufarbeitung Corona-bedingter Lücken, bezieht aber auch Abiturienten als Mitstreiter mit ein. Während es an den Gymnasien hauptsächlich um die Aufarbeitung von Lerndefiziten und die Vorbereitung auf Prüfungen gehe, stehe bei der Hauptschule mehr das Soziale und Kreative im Mittelpunkt, kündigt Barbara Kirschner an. „Einige Kinder haben auch echt Probleme miteinander umzugehen“, berichtet die Fachbereichsleiterin (Bildung/Kultur/Sport). „Da mussten sie ein Jahr lang Abstand halten, und jetzt sitzen sie wieder zu zweit am Tisch.“

OGS-Träger werden selbst aktiv

Am NEG – hier eine Pausen-Szene vom Mai – werden bei der Summer School auch Abiturienten mit eingespannt.
Am NEG – hier eine Pausen-Szene vom Mai – werden bei der Summer School auch Abiturienten mit eingespannt. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Im Grundschul-Bereich, erläutert Gerno Böll, könnten auch alle OGS-Träger „Extra-Zeit“-Anträge stellen, wie das z. B. der SKFM bereits in drei Fällen mache oder auch die Awo an der Bergischen Straße. Darüber hinaus, ergänzt Barbara Kirschner, plane der pädagogische Dienstleister „Interaktiv“ derzeit viele entsprechende Angebote an Grundschulen und auch der Gesamtschule Neviges. Übrigens: Bei Kindern mit anerkanntem Förderbedarf sind auch Maßnahmen zuhause möglich.

Lob für das Engagement

Dass Schulen, Schulträger und Anbieter nach all den Corona-Monaten immer wieder – und zumeist binnen kurzer Zeit – noch etwas auf die Beine stellten, meint der Dezernent, sei in diesem Zusammenhang nicht nur mal eine Bemerkung wert, sondern ausdrücklich lobenswert.