Kreis Mettmann. Corona hat sein Amt in seinem letzten Dienstjahr völlig auf den Kopf gestellt: Kreis-Gesundheitsamtsleiter Rudolf Lange geht in den Ruhestand.

Im Büro ist bereits so manches beiseite geräumt und verpackt; der Raum hat schon viel von der persönlichen Note Dr. Rudolf Langes eingebüßt. Auch die immer gleichförmig und regelmäßig rotierende Drehpendeluhr, die so recht zu der Ruhe, Geduld und Gelassenheit passt, die der Arzt für öffentliches Gesundheitswesen, Sozial- und Umweltmedizin immer ausstrahlt, ist fort. „Aufregen kostet Energie“, sagt der Gesundheitsamtsleiter (seit 2004, zuvor ab 1988 als Stv.), der jetzt zum Monatsende nach mehr als 37 Jahren im Dienst des Kreises Mettmann in den Ruhestand geht und in der letzten Kreistagssitzung mit stehenden Ovationen verabschiedet wurde. „Und die brauche ich eher für Problemlösungen.“ Die waren in seinem letzten Dienstjahr, dem ersten Jahr der Corona-Pandemie, ganz besonders stark gefragt.

Intensiv und herausfordernd

Das Gesundheitsamt ist in der einstigen Kratzen-Fabrik Wolters gleich gegenüber des Kreishauses untergebracht, die vor etlichen Jahren zum Verwaltungsgebäude IV umgebaut worden ist.
Das Gesundheitsamt ist in der einstigen Kratzen-Fabrik Wolters gleich gegenüber des Kreishauses untergebracht, die vor etlichen Jahren zum Verwaltungsgebäude IV umgebaut worden ist. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

So ein intensives, herausforderndes letztes Dienstjahr“ habe er selbstverständlich nicht auf dem Plan gehabt bzw. sich nicht vorstellen können, so der gebürtige Bonner und Humanmediziner. „Wir werden in drei oder fünf Jahren mehr mit politischen und gesellschaftlichen Folgeerscheinungen zu tun haben als mit dem eigentlichen Virus“, prophezeit er nachdenklich. Das sei „durchaus vergleichbar mit Influenza oder Tuberkulose, auf die wir uns ja weitgehend eingestellt haben.“

Amt völlig auf den Kopf gestellt

Landrat Thomas Hendele verabschiedete Dr. Rudolf Lange (re.) im im Kreistag und würdigte seine jahrzehntelange Arbeit. Das Mettmanner Amt ist anderen im Lande in so mancher Hinsicht ein Vorbild geworden.
Landrat Thomas Hendele verabschiedete Dr. Rudolf Lange (re.) im im Kreistag und würdigte seine jahrzehntelange Arbeit. Das Mettmanner Amt ist anderen im Lande in so mancher Hinsicht ein Vorbild geworden. © kreis mettmann | kreis mettmann

Die Corona-Pandemie hat das Kreis-Gesundheitsamt, das in Mettmann an der Düsseldorfer Straße in der zum Verwaltungsgebäude IV umgebauten, ehemaligen Kratzen-Fabrik Wolters untergebracht ist, völlig auf den Kopf gestellt. Originäre Aufgaben mussten auf Null runtergefahren werden. Maßgeblich unterstützt durch den Krisenstab, weitere Mitarbeiter aus anderen Ämtern der Kreisverwaltung, zusätzlich eingestellte Kräfte, die Bundeswehr etc. kümmert sich das Amt nicht nur um die Kontaktpersonen-Nachverfolgung, sondern bewertet zudem kontinuierlich die aktuelle Lage, sichtet alle eingehenden Infos, Gesetze, Erlasse, Verordnungen und Leitlinien und schätzt dabei das Risiko für die Bevölkerung ein. Hinzu kommt das Fallmanagement zum Schutz von Risikogruppen. Die Dynamik der Verbreitung neuer Virus-Mutationen gilt aktuell als sehr besorgniserregend und fordernd.

Frühe Hilfen und frühe Erkennung

Das Team des Amtes hat allerdings auch schon vor Corona Herausforderungen vielfältigster Art angenommen und gewuppt, nicht zuletzt im Bereich der Hygieneüberwachung und des Infektionsschutzes. Aufzuzählen wären etwa Masernausbrüche, Schweinegrippe-Infektionen, Tuberkulose-Testaktion und Meningitis-(Verdachts-)fälle. Er habe die Themen frühe Hilfen und frühe Erkennung, deren Entwicklung zuvor schon angestoßen worden sei, „in die Breite getragen“, erzählt Lange auf Nachfrage und nennt als „große Themen“ den sozialpsychiatrischen Dienst und die psychosoziale Versorgung.

Das Leben vieler Menschen besser gemacht

Rudolf Lange – hier bei einer Pressekonferenz – war in den vergangenen Monaten ein noch gefragterer Gesprächspartner und noch stärker im Fokus als zuvor.
Rudolf Lange – hier bei einer Pressekonferenz – war in den vergangenen Monaten ein noch gefragterer Gesprächspartner und noch stärker im Fokus als zuvor. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Das Amt hat in Langes langen Jahren Wegweisendes initiiert. Ein Schwerpunkt war immer die Kinder- und Jugendgesundheit. Mit „Lott jonn“ ist beispielsweise ein heute flächendeckend angebotenes Gesamtkonzept zur Förderung der Kindergesundheit in den Bereichen Bewegung, Ernährung und seelische Gesundheit entstanden. „Sie haben sich mit Leib und Seele Ihrem Beruf verschrieben. Sie haben den öffentlichen Gesundheitsdienst gelebt“, würdigte Thomas Hendele im Kreistag bei der förmlichen Verabschiedung das Lebenswerk. „Und ich bin sicher“, setzte der Landrat fort, „ich spreche auch im Namen der Bevölkerung des Kreises, wenn ich sage, dass Ihre Arbeit das Leben vieler Menschen besser gemacht hat. In der Gesundheitsfürsorge für den Kreis Mettmann haben Sie für immer Spuren hinterlassen.“

Ungeduld wird exponentiell groß

Die Nachfolge in der Amtsleitung ist entschieden

Die Nachfolge von Rudolf Lange in der Gesundheitsamtsleitung tritt Anfang Mai Dr. Ruzica Susenburger an. Die 38-Jährige ist Fachzahnärztin für öffentliches Gesundheitswesen und bereits seit drei Jahren als Leiterin des zahnärztlichen Dienstes beim Kreis Mettmann beschäftigt.

Seit November letzten Jahres leitet sie die Corona-Abteilung des Kreisgesundheitsamtes.

„Ich habe hier ein Super-Amt und super engagierte Mitarbeiter, querbeet. Hier wird Gesundheit gestaltet und gemacht und nicht nur verwaltet“, lobt Rudolf Lange, der eher mal nicht so zu Übertreibungen neigt. Die Erwartungen, die bestünden oder geweckt würden, hätten sich gegenüber denen von vor einem Jahr sehr gewandelt, urteilt er persönlich. „Die Entwicklung hat Nerven gekostet und führt zu innerem Druck. Die Ungeduld wird exponentiell groß.“ Wir stünden zwar vergleichsweise immer noch „sehr gut“ da, „aber ich habe viel Verständnis für die Ungeduld“.

Alle improvisieren nach Kräften

„Das Gute“, das der Mensch und Fachmann der aktuellen Lage abgewinnen kann, ist, „dass die Situation zeigt, was alles improvisiert werden kann. Das möchte ich auch auf unsere Lage beziehen“. Alle Institutionen improvisierten nach besten Kräften und bestem Gewissen.