Velbert-Mitte. Der Velberter Samer Al Najjar hat nun seinen ersten Roman veröffentlicht – zunächst auf Arabisch. An der Übersetzung arbeitet der Student gerade.

Genau ein Jahr hat es gedauert, dann war der erste Roman fertig. Samer Al Najjar, Velberter mit syrischen Wurzeln, hat schon Kurzgeschichten veröffentlicht, war zu Lesungen unterwegs. Jetzt hat er sein erstes Buch fertig – zunächst auf Arabisch.

„Ich bin momentan dabei, die deutsche Übersetzung anzufertigen“, sagt der 26-Jährige, der lachend zugibt: „Das ist mehr Arbeit, als ich gedacht habe.“ Immerhin umfasst sein Werk 300 Seiten „und ich sitze jetzt doch schon seit drei, vier Monaten daran.“ Eine große Herausforderung, „ein großes Abenteuer“, sei das für ihn.

Erlebnisse eines jungen Syrers

„Labyrinth der verwaisten Wünsche“ heißt das Buch und handelt von einem jungen Syrer, der in jungen Jahren seine Eltern verliert und bei seinem Onkel aufwächst – der ihn misshandelt. Der junge Mann erlebt die Revolution in Syrien, nimmt an Demonstrationen teil und erlebt den Giftgas-Angriff bei Damaskus.

Daraufhin flieht er in die Türkei, entwickelt ein Borderline-Syndrom und eine posttraumatische Belastungsstörung, hat Flashbacks und landet schließlich in Österreich. In Wien nimmt das Leben des jungen Mannes schließlich eine positive Wendung.

Roman ist keine Biographie

Im Jahr 2015 kam Samer Al Najjar nach Deutschland. Schon damals hat er erste Texte geschrieben und öffentlich präsentiert. Das Foto zeigt ihn im November 2015 im WAZ-Interview.
Im Jahr 2015 kam Samer Al Najjar nach Deutschland. Schon damals hat er erste Texte geschrieben und öffentlich präsentiert. Das Foto zeigt ihn im November 2015 im WAZ-Interview. © WAZ FotoPool | Uwe Möller

Samer Al Najjar betont, dass es sich bei dem Buch nicht um eine Biographie handelt. „Ein paar Kleinigkeiten aus meiner Kindheit habe ich aufgenommen“, sagt er, „aber ich habe beim Schreiben versucht, mich ganz klar von der Romanfigur zu distanzieren.“

Das mache er auch am Anfang des Buches deutlich: „Die Figuren sind nicht real. Aber es sind Personen, denen wir jeden Tag auf der Straße begegnen könnten.“

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Geschrieben hat der Germanistik-Student zunächst auf dem Weg zur Universität. „Alles mit der Hand“, erzählt er. „Als ich 60, 70 Seiten zusammen hatte habe ich begonnen, den Text am Computer abzutippen.“ Geblieben vom Original seien dabei nur ein paar Highlights. „Ich habe eigentlich alles neu geschrieben“, sagt er lachend.

Studium hilft beim Schreiben

Bei der Neufassung habe er aber gemerkt, „dass ich mit den Figuren vorwärts komme, sie entwickeln sich.“ Und das sei ja auch die Herausforderung an einen Autoren: „Die Leser möchten nicht, dass die Figuren stehen bleiben. Sie sollen sich durch das Erlebte ändern.“

Geholfen habe ihm dabei sein Studium: „Die verschiedenen Themen meiner Hausarbeiten haben mir geholfen, meine Figuren besser zu verstehen und sie realistischer zu entwickeln.“ Zusätzlich zum Buch hat Samer Al Najjar auch an seiner Bachelor-Arbeit geschrieben, im nächsten Semester will er fertig sein.

„Danach möchte ich eigentlich auch noch meinen Master machen“, sagt der 26-Jährige, der mit einem Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung Germanistik und Politikwissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf studiert.

Arabische Fassung ist bereits veröffentlicht

Der Protagonist aus Samer Al Najjars Roman flieht – so wie diese Menschen hier im Jahr 2015 – über die Türkei aus Syrien. Sein Ziel sei es, Licht auf diese oft in den Hintergrund gedrängte, dunkle Seite von Kriegsüberlebenden und geflüchteten Menschen zu werfen. „Die Posttraumatische Belastungsstörung ist ein weit verbreitetes Phänomen, das ich selbst beobachten konnte. Es wird jedoch sehr selten angesprochen, auch unter Geflüchteten selbst“, sagt der Autor dazu.
Der Protagonist aus Samer Al Najjars Roman flieht – so wie diese Menschen hier im Jahr 2015 – über die Türkei aus Syrien. Sein Ziel sei es, Licht auf diese oft in den Hintergrund gedrängte, dunkle Seite von Kriegsüberlebenden und geflüchteten Menschen zu werfen. „Die Posttraumatische Belastungsstörung ist ein weit verbreitetes Phänomen, das ich selbst beobachten konnte. Es wird jedoch sehr selten angesprochen, auch unter Geflüchteten selbst“, sagt der Autor dazu. © dpa | Sedat Suna

Die arabische Fassung des Romans hat der libanesische Verlag Arab Scientific Publishers Inc. im Oktober 2020 veröffentlicht, in Deutschland sucht Samer Al Najjar noch einen Herausgeber. „Ich mache jetzt Leseproben fertig“, berichtet er. „Ich habe zuerst die Passagen übersetzt, die mir besonders am Herzen liegen.“

Unterstützt wird der junge Autor durch zwei lokale Stiftungen: Die Adalbert und Thilda Colsman Stiftung sowie die Heimstatt-Stiftung Niederberg finanzieren dem 26-Jährigen das professionelle Lektorat des fertig übersetzten Romans. „Das freut mich sehr, denn das Lektorat ist deutlich teurer, als ich mir das vorgestellt habe.“

Hoffen auf das Ende der Corona-Beschränkungen

Sobald die Corona-Beschränkungen gelockert oder gar ganz aufgehoben werden, will Samer Al Najjar auch wieder Lesungen anbieten. „Ich freue mich schon sehr darauf“, sagt der junge Autor.

Bis dahin beobachte er die Corona-Lage sehr genau, denn die Situation mache ihn sehr betroffen: „Ich habe Mitleid mit den Menschen, die einen Todesfall in ihrer Familie zu beklagen haben.“ Er wisse was es bedeute, Menschen aus dem engen Umfeld zu verlieren.

„So ein Verlust ist nicht nur ein Verlust für Freunde und Familie“, sagt er, „sondern auch ein Verlust für die Menschheit“. Denn: „Jeder Mensch ist Teil von allem und gibt seinen Teil für die Gesamtheit.“ Wenn ein Mensch stirbt, „dann verabschiedet sich immer auch ein Teil der Menschheit.“

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Weitere Veröffentlichungen

Bereits 2018 hat Samer Al Najjar eine Kurzgeschichtensammlung unter dem Titel „Die salzige Heimat“ veröffentlicht, letztes Jahr hat er eine weitere Sammlung veröffentlicht: „Es geschah in Homs“.

Außerdem hat er sich 2019 für ein Projekt der Düsseldorfer Gruppe „Schreiben ohne Grenzen“ mit einem literarischen Text zum Artikel 8 des Grundgesetzes beteiligt.

Im Rahmen der „Musik-Brücke“, die im November 2019 im Bürgerhaus Langenberg stattfand, hat er die Kurzgeschichte „Heimat“ vorgetragen. Diese Veranstaltung brachte ihm den Kontakt zu den Stiftungen ein.