Kreis Mettmann. Zwei Faktoren prägen in diesem Jahr den Arbeitsmarkt im Kreis Mettmann: die Pandemie und die Kurzarbeit. Aber im Markt ist viel Bewegung drin.
Der Rückblick auf den Arbeitsmarkt im jeweils laufenden Jahr ist eine gewohnte Übung, wenn’s auf den Ultimo zugeht. Die Bilanz fällt heuer einerseits besonders leicht: Die Corona-Pandemie und die auf ein Rekordhoch gestiegene Kurzarbeit sind auch im Neanderland die prägnanten Aspekte. Andererseits ist das Berichtswesen noch nicht rund, verhindern wie gewohnt Verzögerungen ein wirklich top-aktuelles Bild. So kommen die Dezember-Zahlen erst Anfang Januar, stammt die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse noch vom März – mit 195.104 Menschen gab’s schon wieder einen neuen Höchststand. Und bei der Kurzarbeit erweist sich immer erst eine Ecke später, in welchem Ausmaß die angezeigte tatsächlich umgesetzt wurde. „Wir werden erst Mitte 2021 wissen, wie das ganze Jahr gelaufen ist“, sagt denn auch Agenturchef Karl Tymister.
++Sie möchten keine Nachrichten aus Velbert mehr verpassen? Dann bestellen Sie unseren kostenlosen Newsletter. ++
Kräftenachfrage erholte sich zum Herbst
Dennoch wartet der Geschäftsführer mit einer Reihe handfester Befunde auf. Und die lauten in Stichworten wie folgt: Kurzarbeit erreicht historische Höchstwerte und sichert tausende Arbeitsplätze, Arbeitslosigkeit steigt – liegt aber unter dem Wert der Finanzkrise 2009, Arbeitskräftenachfrage ging im Frühjahr deutlich zurück und erholte sich im Herbst wieder auf Vorjahresniveau, Insolvenzen bisher unauffällig, Sozialer Arbeitsmarkt erweist sich als stabil.
Brücke in bessere Zeiten
Bis Mai hatten 5327 Betriebe für 78.755 Beschäftigte vorsichtshalber Kurzarbeit angezeigt. Tatsächlich kurzarbeiten mussten in dem Monat 38.780 Beschäftigte in 3341 Betrieben. In den Folgemonaten ging die Inanspruchnahme zunächst kontinuierlich zurück, um sich von Oktober auf November aufgrund der neuen Einschränkungen wieder deutlich zu erhöhen. „Die Kurzarbeit war für viele Unternehmen der Rettungsanker und bleibt es auch im nächsten Jahr“, so Tymister. Viele nutzten sie als Brücke, „um ans andere Ufer zu kommen“ und derweil ihre Beschäftigten zu halten.
17,3 Prozent mehr Arbeitslose als 2019
Geringfügig Entlohnte, deren Bedingungen und Chancen schon seit Jahren kontinuierlich schlechter werden, haben die Corona-Auswirkungen als erste zu spüren bekommen. Und zwar im März quasi von jetzt auf gleich. Die Arbeitslosigkeit stieg zwar deutlich an, blieb aber unter dem Niveau der Finanzkrise von 2009. Kreisweit waren im Schnitt 17.239 Menschen arbeitslos gemeldet – das sind 17,3 Prozent mehr als in 2019. „Der große Einbruch ist bisher ausgeblieben.“
Mehr Bedarfsgemeinschaften unterstützt
Wie Nathalie Schöndorf berichtet, hat die Hilfebedürftigkeit in der Grundsicherung Pandemie-bedingt leicht zugenommen. Das Jobcenter „ME-aktiv“, so dessen Geschäftsführerin, habe im Berichtsjahr 19.131 Bedarfsgemeinschaften unterstützt. Das sei gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 857.
Erst in die Knie und dann wieder hoch
Die Arbeitskräftenachfrage ging im Frühjahr deutlich „in die Knie“ und erholte sich im Herbst wieder auf Vorjahresniveau. „Es gab immer Bewegung, es gab immer Chancen für Arbeitssuchende“, bilanziert Tymister. Dahinter stecke stets Fachkräftebedarf, man spüre den Mangel sogar jetzt. Nach Agentur-Angaben meldeten die Unternehmen insgesamt 8053 neue freie Stellen (minus 25,3 Prozent). Der Bestand habe durchschnittlich bei über 2700 gelegen – das sind gegenüber dem Vorjahr rund 1100 weniger.
Zweitwichtigstes Standbein
Der Arbeitsagentur sind über die Arbeitsplatzabbau-Plänevon „Huf“ hinaus vor Ort derzeit keine weiteren bekannt. Die Entwicklung in der Branche sei leider nicht überraschend, der Strukturwandel habe schon vor der Pandemie eingesetzt und laufe weiter, erklärte der Agentur-Chef auf WAZ-Nachfrage zur Lage im Automotive-Bereich in Velbert und Niederberg. Wichtig sei, wie es mittel- und langfristig weitergehe. „Wir rechnen damit, dass dieser Beschäftigungsanker – wenngleich auf niedrigerem Niveau – erhalten bleibt“ und nach dem Handel das zweitwichtigste Standbein bilde.
Insolvenzen bislang unauffällig
Aus Sicht der Arbeitsagentur sind im Kreisgebiet die Insolvenzen bisher noch unauffällig. Gab es in 2019 112 Verfahren, so sind es in 2020 bislang 118. Aufgrund der veränderten Bestimmungen erwartet man letztlich aber deutlich mehr. Es werde einen Nachholeffekt geben.
Karl Tymister rechnet allerdings nicht mit einer hohen Welle an Insolvenzen: „Ich habe wirklich die Hoffnung, dass wir keine ganz große vor uns haben.“
Angebote zur Qualifizierung machen
Sowohl Tymister als auch Schöndorf wollen das „Mega-Thema Qualifizierung“ im kommenden Jahr weiter hoch halten, berufliche Qualifizierung sei auch für das Jobcenter „ganz zentral“. Man wolle damit auch den Umbau Deutschlands fördern und unterstützen. Die Zeiten voller Kassen für Maßnahmen verschiedenster Art sind angesichts der aufgezehrten Rücklagen der Bundesagentur allerdings vorerst passé.