Langenberg. Das Personal der Fachklinik Langenberg bemüht sich, trotz pandemiebedingter Beschränkungen den Klienten so gut wie möglich zu helfen.

Schwierig, problematisch: So könnte man kurz und knapp zusammenfassen, wie Dr. Jörg Hilger die aktuelle Lage einschätzt. Hilger ist Leitender Arzt der Psychiatrischen Fachklinik der Evangelischen Stiftung Tannenhof – und hat hier mit suchtkranken Menschen zu tun.

„Viele Leute warten momentan sehr lange, bis sie sich bei uns melden“, hat er festgestellt. „Sie haben Angst davor, sich im Krankenhaus mit Covid 19 zu infizieren.“ Diese Menschen seien dann oft allein zu Hause, „trinken noch mehr.“

Besuch stark begrenzt

Irgendwann aber geht es nicht mehr anders und diese Menschen werden an der Krankenhausstraße vorstellig. „Wir merken sehr deutlich, dass Vereinsamung momentan ein großes Problem ist“, sagt Jörg Hilger.

Die Fachklinik in Langenberg: Hier werden suchtkranke Menschen therapiert – derzeit unter erschwerten Coronabedingungen.
Die Fachklinik in Langenberg: Hier werden suchtkranke Menschen therapiert – derzeit unter erschwerten Coronabedingungen. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Nur: In der Klinik läuft der Betrieb auch nicht so wie sonst. „Wir müssen zum Beispiel sehr aufpassen, dass die Infektion nicht von außen in die Klinik getragen wird“, erläutert der leitende Arzt der Fachklinik. Besucher müssten auf Corona getestet werden, „aber wir können einfach nicht jeden testen, das ist ein großes Dilemma.“ Daher müsse die Klinik Besuch stark begrenzen.

WLAN-Nutzung ist schwierig

Hinzu kommt, dass Klienten so genannte Belastungsbeprobungen derzeit nicht möglich sind. Die dienen dazu, im häuslichen Umfeld zu überprüfen, ob die Therapien anschlagen und ob eine Rückkehr ins geordnete Leben schon wieder möglich ist. „Belastungsbeprobungen können wegen der Hygienevorschriften bestenfalls nur in einem beschränkten Maß durchgeführt werden“, erläutert Jörg Hilger.

Warum nutzen die Patienten dann nicht digitale Möglichkeiten, Videotelefonie etwa? „Das fängt damit an, dass es bei uns mit dem WLAN schwierig ist“, sagt Hilger. Das liege unter anderem an der Bausubstanz des alten Gemäuers. Außerdem fehle Personal, um alle Klienten ausreichend und vernünftig zu unterstützen.

Mitarbeiter leiden auch unter Folgen der Pandemie

Doch nicht nur die Klienten, auch die Mitarbeiter leiden unter den Folgen der Pandemie und den damit verbundenen Maßnahmen: „Wir haben deutlich mehr Krankheitsfälle als sonst“, sagt der leitende Arzt. Das seien aber nur in sehr seltenen Fällen tatsächlich Covid-Infektionen.

„Allerdings müssen Mitarbeiter bei leichten Erkältungssymptomen oder anderen Erkrankungen – die in dieser Jahreszeit ja sowieso häufig sind – zur Sicherheit zu Hause bleiben.“ Oder die Mitarbeiter hatten in ihrem privaten Umfeld Kontakt zu Infizierten und dürfen deshalb vorübergehend nicht arbeiten.

Kein größerer Ausbruch

Coronafälle dagegen hat es in der Langenberger Klinik bislang kaum gegeben, „einen größeren Ausbruch hatten wir glücklicherweise noch nicht“, sagt Hilger. Mitarbeiter und Klienten würden aber auch immer wieder getestet.

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Sowohl Klienten als auch Personal der Einrichtung haben es nicht leicht: Die einen bekommen kaum bis gar keinen Besuch und leiden an Einsamkeit, die anderen arbeiten unter erschwerten Bedingungen.
Sowohl Klienten als auch Personal der Einrichtung haben es nicht leicht: Die einen bekommen kaum bis gar keinen Besuch und leiden an Einsamkeit, die anderen arbeiten unter erschwerten Bedingungen. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Ein weiteres Problem: Anschlussbehandlungen an den Klinikaufenthalt sind derzeit „kaum zu gewährleisten“, erläutert Hilger. Die Suchtberatungen hätten ihren Service stark eingeschränkt, Gruppentreffen und Selbsthilfe-Angebote finden deutlich weniger statt.

„Dabei ist diese Nachsorge so wichtig für unsere Klienten“, betont Jörg Hilger. „Ohne diese Angebote fallen die Leute richtig in ein Loch.“

Große Herausforderung für das Personal

Auch wenn die medizinische Versorgung der Patienten in der Psychiatrischen Fachklinik in diesen Zeiten gewährleistet ist, stellt die Pandemie für alle eine sehr große Herausforderung dar. „Zusätzlich zu den schon beschriebenen Ausfällen steigt für unsere Mitarbeiter die Belastung vor allem dadurch, dass sie zusätzlich zur eigentlichen Arbeit auch mit der Umsetzung der zeitintensiven und oft komplizierten Infektionsschutzmaßnahmen befasst sind“, erläutert Jörg Hilger.

Sorgen macht dem Facharzt auch die Zeit nach der Krise : „Ich befürchte, dass es nach dem Abklingen der Pandemie eine richtige Aufnahmewelle in psychiatrischen Kliniken geben wird“, sagt Hilger. So lange eine Krise akut sei, „funktioniert man irgendwie.“ Ist die Krise aber irgendwann vorbei, falle der Stress von einem ab „und dann schlagen die Auswirkungen so richtig durch.“

Lage ist „ernst aber nicht katastrophal“

Doch trotz aller Schwierigkeiten möchte Jörg Hilger die Lage auch nicht zu sehr dramatisieren: „Der Stress ist manchmal wirklich sehr groß und die Situation in der Klinik ist ernst und schwierig“, sagt er. Aber die Lage sei nicht katastrophal oder gar apokalyptisch. Aktuelle Probleme sollten „offen angesprochen, aber auch nicht dramatisiert werden“, sagt der leitende Arzt.

Denn: „Patienten sollten auf keinen Fall davon abgehalten werden, in die Klinik zu kommen, wenn es ihnen schlecht geht, das wäre wirklich fatal“, sagt Jörg Hilger und versichert: „Ich kann mich dafür verbürgen, dass auch in diesen Zeiten eine gute medizinische Versorgung von suchtkranken Menschen in der Fachklinik gewährleistet wird.“

Die Fachklinik Langenberg

Das Behandlungsangebot der Psychiatrischen Fachklinik Langenberg der Evangelischen Stiftung Tannenhof richtet sich insbesondere an Patienten aus Wuppertal, dem Kreis Mettmann sowie an Remscheider .

Die Klinik gliedert sich in vier Stationen , auf denen qualifizierte Entzugsbehandlungen von Alkohol, Medikamenten und illegalen Drogen durchgeführt werden.

Zudem besteht ein gesondertes Behandlungsangebot für Patienten mit anderen psychischen Krankheiten , wie z.B. Depressionen, Angststörungen. Persönlichkeitsstörungen oder Psychosen (sogenannte Doppeldiagnosen).