Langenberg/Neviges. Inhaber von Hundeschulen ärgern sich über die Stadt Velbert, weil sie derzeit nicht öffnen dürfen. In Nachbarstädten sieht das aber anders aus.

Nichts geht mehr bei Jennifer Jäckel und Tristan Glanz. Die beiden betreiben Hundeschulen, Jäckel in Langenberg und Glanz in Neviges. Doch jetzt, im November, dürfen sie nicht mehr öffnen. Grund dafür ist die aktuelle Fassung der Corona-Schutzverordnung.

Das zumindest sagt die Stadt Velbert: In einer E-Mail vom 5. November wurden demnach die Ordnungsämter im Kreisgebiet darüber informiert, dass das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) NRW Hundeschulen als Bildungsangebot einstuft.

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Keine qualifizierte Ausbildung

Jennifer Jäckel (l), hier am Tag der offenen Tür 2017 in ihrer Hundeschule Fellwechsel.
Jennifer Jäckel (l), hier am Tag der offenen Tür 2017 in ihrer Hundeschule Fellwechsel. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

„Das verstehe ich nicht“, sagt Jennifer Jäckel, denn laut EU-Norm gelten Hundeschulen als Dienstleister. „Unter anderem deshalb“, erläutert sie, „weil wir kein pauschales Kursangebot haben, sondern individuell auf jedes Tier zugeschnittene Trainings anbieten.“

In der Mail, die die Stadt als Grundlage ihrer Entscheidung zitiert, heißt es dagegen: „Wirtschaftszweige, in denen Bildung vermittelt wird, fallen unter die Regelung des Paragrafen 7, Absatz 1, Satz 2 der Corona-Schutzverordnung. Bei Hundeschulen wird Bildung vermittelt, weil die Hundeführerin oder der Hundeführer den Umgang mit dem Hund erlernt.“

„Unzulässiges Bildungsangebot“

Dies bedeute: Wenn es sich nicht um eine qualifizierte Gebrauchshundeausbildung (wie etwa für Blindenhunde) handele, „ sind Hundeschulen – ebenso Reitschulen – unzulässige ,andere Bildungsangebote’. Unter diese unzulässigen Bildungsangebote fällt auch das entsprechende Einzeltraining mit dem Hund.“

Stadtsprecher Hans-Joachim Blißenbach erläutert weiter, dass die Stadt gebeten worden sei, „im Sinne einer einheitlichen Anwendung der Verordnung dieser Auslegung des MAGS zu folgen.“

Ministerium begründet Einstufung

Das Ministerium begründet die neue Einstufung der Hundeschulen als Bildungsangebot und die damit einhergehende Schließung so: Es gehe darum, „nicht zwingend notwendige Kontakte auf ein unverzichtbares Minimum zu reduzieren, nicht wie in den vergangenen Monaten oder auch im ersten Lockdown im Frühjahr Infektionsherde gestaffelt nach Gefährlichkeit auszuschalten.“

Dementsprechend sei es im Lockdown nicht relevant, wie infektiös zum Beispiel Hundetraining, Personaltraining oder Golf-Stunden seien – „entscheidend ist, dass sie nicht zu den Kernbereichen unseres wirtschaftlichen oder gesellschaftspolitischen Lebens – insbesondere dem Schulbereich – gehören und damit sämtliche mit diesen Angeboten einhergehenden persönlichen Kontakte derzeit vermieden werden müssen.“

Anfrage des Hundetrainer-Verbandes

Dennoch: Auf eine Anfrage des Verbandes Professioneller Hundetrainer (pro Hund) antwortet das MAGS, dass die „Ausführungen zur Auslegung der CoronaSchVO für die Gerichte nicht bindend sind. Für die Behörden stellen unsere Auslegungshinweise eine ermessenslenkende ,Richtschnur’ bei möglichen ordnungsbehördlichen Einschreiten dar; diese sind mithin auch für die Behörden nicht rechtsverbindlich.“

Also doch alles Auslegungssache? Denn Nachbarstädte von Velbert handhaben diese Anordnung anders: „In Ratingen oder Essen dürfen die Kollegen weitermachen“, sagt Jennifer Jäckel . Kurze Nachfrage bei den beiden Verwaltungen – und ja, es stimmt.

„Wir sehen den Betrieb einer Hundeschule als zulässig an“, erläutert eine Sprecherin der Stadt Ratingen. „Natürlich nur dann, wenn der Unterricht im Freien stattfindet, Abstand gehalten wird und die üblichen Hygieneregeln gelten.“

Essen erlaubt Einzelunterricht

Die Hundeschule Glanz bietet auch Mantrailer-Kurse an – wie hier für Bernd und Monika Riedel mit ihren Hunden.
Die Hundeschule Glanz bietet auch Mantrailer-Kurse an – wie hier für Bernd und Monika Riedel mit ihren Hunden. © WAZ FotoPool | Detlev Kreimeier

Etwas strikter legt die Stadt Essen die Empfehlung des Ministeriums aus: „Hundeschulen dürfen in Essen insgesamt nicht öffnen bzw. betrieben werden“, sagt Pressesprecherin Jasmin Trilling und verweist wie die Stadt Velbert auf den Paragrafen 7 der Corona-Schutzverordnung.

„Aber der Unterricht selbst ist, ähnlich des Personal-Trainings, als Dienstleistung im Sinne des Paragrafen 12 der Corona-Schutzverordnung im 1:1 Verhältnis mit Trainer und Kunde zulässig. Dies gilt allerdings nur im Freien und außerhalb des Betriebsgeländes.“

Kunden wandern ab

Für Jennifer Jäckel und Tristan Glanz ist diese ungleiche Auslegung ein Unding – und geschäftsschädigend: „Ein Hund ist keine Maschine“, sagt Glanz, „wenn ein Problem auftaucht, muss man sich sofort kümmern.“ Kunden hätten keine Zeit, so etwas auszusitzen. „Die gucken sich dann woanders um.“

Ähnlich sieht das Jennifer Jäckel: „Welpen müssen sich mit anderen Hunden sozialisieren. Wenn das nicht geschieht, wird es später unglaublich schwierig, das nachzuholen.“ Immerhin: Ihre Welpen-Spielgruppe darf sie wieder anbieten – „aber ohne Unterricht“, sagt Jäckel. „Nur reines Sozialspiel ist erlaubt, ich darf keine Tipps geben, keine Übungen machen.“

Privat gelten lockerere Regeln

Tristan Glanz ärgert noch etwas ganz anderes: „Für den privaten Bereich sind die Corona-Regeln wesentlich laxer als für die Wirtschaft.“ Was er damit meint: „Ich darf mit Mitgliedern eines anderen Haushalts in den Wald zum Spazierengehen. Aber ich darf auf unserem Außengelände nicht mal Einzelunterricht anbieten.“ Dabei sei es bei rund 1000 Quadratmetern Betriebsgelände „überhaupt kein Problem, Abstand zu halten.“

Er wünsche sich, dass die Stadt Velbert ihre Anordnung noch einmal überdenke „und dann zu einem anderen Ergebnis kommt.“ Doch danach sieht es nicht aus, wie die Stadt auf Anfrage der WAZ mitteilt.

Stadt bezieht sich auf Bezirksregierung

Eine der Coronaschutzverordnung entgegenstehende Handhabung anderer Kommunen sei dort nicht bekannt. Es treffe jedoch zu, „dass Hundeschulen im Frühjahr vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales anders bewertet wurden. Die damalige Auslegung betraf aber eine frühere Fassung der Corona-Schutzverordnung“, erläutert Stadtsprecher Hans-Joachim Blißenbach.

Zur Bekämpfung der Pandemie sei es wichtig, dass eine einheitliche, landesweite Handhabung in den einzelnen Kommunen praktiziert werde: „Daher sollten sich die örtlichen Ordnungsbehörden meines Erachtens möglichst an die Auslegungshinweise der Ministerien halten.“ Sein Fazit: „Wir legen die Empfehlung des MAGS nicht anders, sondern wie empfohlen aus.“

Wirtschaftliche Krise

„Wir haben den Lockdown von Anfang des Jahres noch in den Knochen “, beschreibt Tristan Glanz die Lage seiner Hundeschule. Hinzu komme: „Wir haben auch eine Hundepension. Nur, wenn keiner reist, gibt es auch fast keine Tiere zu versorgen.

Fast keine, weil in der Tagespension durchaus noch Hunde untergebracht sind. „Das heißt dann aber, dass wir drei Hunde da haben, aber unser ganzes Personal im Einsatz ist, um die zu versorgen. Denn die Hunde können sie ja nicht alleine lassen.“

Hinzu komme nun der zweite Lockdown. „Das ist ein enormer wirtschaftlicher Schaden in sehr kurzer Zeit. Es wird schwierig, das aufzufangen.“