Kreis Mettmann. Die gewohnte Zahl an Praktikumsplätzen wird in den kommenden Monaten nicht erreicht werden, so die Schlüsselregion. Auch Schüler sind betroffen.
Die Arbeitslosigkeit liegt im Neanderland mit einer Quote von 6.8 Prozent deutlich höher als noch vor einem Jahr, und zuletzt haben kreisweit fast 32.000 Mitarbeiter in rund 2700 Betrieben Kurzarbeitergeld bezogen. Die messbaren Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Arbeitsmarkt sind gravierend und unübersehbar. Doch sie hat auch Folgen für die Phase der Orientierung und eine erste Weichenstellung, wie der spätere Weg ins Berufsleben aussehen könnte. Bislang übliche und gewohnte Dinge wie Praktika und Berufsfelderkundung werden durch Corona richtig schwierig zu realisieren.
Manche Betriebe sind zurückhaltend
„Ein Praktikum lebt ja davon, dass man gut und eng betreut wird“, sagt Dr. Thorsten Enge, „und das ist jetzt schwierig.“ Der Geschäftsführer der Schlüsselregion hat prinzipiell Verständnis für die Zurückhaltung mancher Betriebe. Er hat sich bei einigen der 220 Mitgliedsunternehmen erkundigt, wie sie es handhaben. „Sehr unterschiedlich“, fasst Enge zusammen. Einige hätten das eingestellt und böten gar keine Praktika an; andere wiederum verführen wie immer, allerdings natürlich unter Corona-Reglement. Die bisher gewohnte Zahl an Praktika-Plätzen werde man „bei weitem nicht erreichen“, das sei „völlig ausgeschlossen“. Relativ viele Plätze gebe es in den Bereichen Bau und Architektur, fügt er noch hinzu.
Auch Schüler haben Probleme
Eng wird’s auch bei der betrieblichen Berufsfelderkundung, bei der Schüler der 8. Stufe an drei Tagen drei unterschiedliche Berufsfelder kennenlernen können und die ein Baustein des Landesprogramms „Kein Abschluss ohne Anschluss“ ist. Zu Jahresanfang habe man die „wirklich legendäre Situation“ erlebt, 750 Plätze zur Verfügung zu haben, blickt Gabriele Riedl zurück. Das werde es nächstes Mal „keinesfalls in dem Ausmaß geben“, sagt die Abteilungsleiterin des Regionalen Bildungsbüros (Kreis Mettmann, Amt für Schule und Bildung). „Die Arbeitgeber halten sich zurück.“ Für die nächste Aktion vom 19. bis 24. März kommenden Jahres hätten sich bislang erst ca. 15 Unternehmen gemeldet, es seien noch keine 80 Plätze. „Das ist ganz bescheiden.“
Portal ab Dezember geöffnet
Wichtig ist ihr der Hinweis, dass auf www.berufsfelderkundung-me.de das Buchungsportal für Jugendliche und Unternehmen geöffnet sei – „Man kann Plätze ganz normal einstellen.“ – und dass sich Schüler das ab 1. Dezember genauer anschauen könnten. Gabriele Riedl zufolge „verunsichert und verwirrt“ die Situation die jungen Leute sehr. Vom NRW-Fachministerium sei bereits die Empfehlung gekommen, auf trägergestützte Maßnahmen umzusteigen, also etwa bei der Kreishandwerkerschaft oder in der Gemeinschaftslehrwerkstatt. „Da wird dann simuliert.“
Kreativ unterwegs
Die Berufsberater der Agentur für Arbeit Mettmann – kreisweit sind das etwa 30 Mitarbeiter – kümmern sich um Mädchen und Jungen ab der 8. Klasse aller Schulformen. „Zu sagen, Corona sei nicht spürbar, wäre übertrieben“, sagt Susanne Herzgen, „aber wenn ich mir die Daten anschaue, dann waren wir rein rechnerisch genauso unterwegs wie 2019.“ Vor allem aber, fügt die Beraterin vor dem Erwerbsleben – so die offizielle Bezeichnung – hinzu, sei man kreativ unterwegs gewesen, sei auf Schulhöfe und Spielplätze ausgewichen, habe zusammen Spaziergänge gemacht. Frühzeitig wurde für die Jugendlichen eine Sonder-Hotline geschaltet für den direkten Kontakt mit ihrem Berufsberater. Zum Lockdown sei man teils mit Potenzialanalysen und Berufsberatung schon durch gewesen, und habe den Faden später konsequent wieder aufgenommen. Praktika, findet Herzgen, seien auf jeden Fall eine gute Sache.
Noch freie Ausbildungsstellen
Der Endspurt für das Ausbildungsjahr ist übrigens noch nicht gelaufen: Laut Katharina Caspari (Bereichsleiterin Arbeitgeber-Service) ist der Einstieg bis in den Dezember möglich, gibt es aktuell kreisweit noch mehr als 260 freie Stellen. „Querbeet vom Maschinenanlagenführer über das Handwerk bis zum Pferdewirt und viele Offerten im medizinischen Bereich.“ Sie bedauert, dass viele Ausbildungsplätze nach wie vor rein nach Papierform und Noten vergeben würden. Die Agentur verfüge über ein breites Repertoire an Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten und entsprechende Ressourcen.
„Arbeitgeber wollen ausbilden“
Allerdings sei gerade jetzt das persönliche Gespräch mitunter leider schwierig bzw. kaum möglich und sei man durch Corona zwei, drei Monate später dran, berichtet Wolfgang Mai, „das ist eine Herausforderung für Betriebe und Bewerber.“ Man habe immer Kontakt mit den Arbeitgebern gehalten, die Stornoquote derer, die nicht mehr ausbilden wollten, sei „wirklich gering“, sagt der Geschäftsführer Operativ. Bis zum Jahresende werde sich die Agentur nach Kräften um die unversorgten Jugendlichen kümmern. „Die Arbeitgeber wollen ausbilden“, bekräftigt Katharina Caspari, „und sie melden auch schon Stellen für das nächste Jahr.“
Zum Abschluss noch ein Online-Tipp für Suchende von Thorsten Enge: Auf www.ausbildung-schluesselregion.de seien bei den jeweiligen Betrieben immer auch die Ansprechpartner für Praktika vermerkt.