Seit 2005 werden in Velbert Fehlgeburten oder totgeborene Kinder gemeinschaftlich beigesetzt. Jetzt fanden 18 „Sternenkinder“ ihre letzte Ruhe.

Der kleine weiße Sarg ist im Freien aufgebahrt worden.
Der kleine weiße Sarg ist im Freien aufgebahrt worden. © Daniele Funke

Es ist ein trister, ein grauer Vormittag, der Himmel wolkenverhangen, der starke Wind weht unzählige Blätter über den katholischen Friedhof an der Talstraße. Die vielen Menschen, die sich an diesem Morgen dort auf einer kleinen Rasenfläche versammeln, tragen Kapuzen, warme Kleidung, Mundschutz, jeweils zu zweit stehen sie beieinander. Paare.

Kind nie kennengelernt

Sie halten sich an den Händen oder eng umschlungen. Manche weinen. Andere starren vor sich hin, wieder andere halten Blumen in den Händen. Sie alle trauern um den Verlust ihrer Kinder, dass sie nie wirklich kennenlernen durften. Kinder, die im Mutterleib verstorben sind. Eine Grabstelle ist ausgehoben, unter einem weißen Faltzelt steht aufgebahrt ein kleiner weißer Sarg, verziert mit Seidentüchern und weißen Rosen.

Jedes Kind hat eine Würde

„Sie alle haben Ihr Kind verloren“, beginnt die evangelische Krankenhauspfarrerin Dorothea Matzey-Striewski ihre Traueransprache, ihr Blick gleitet langsam über alle Anwesenden, „dieses kleine Menschenkind ist in ihr Leben gekommen und hat doch nicht mit ihnen gelebt. Und doch hat es, wie jedes andere Kind, eine Würde, einen Wert, eine Einzigartigkeit.“

Eine Antwort auf das Warum gibt es nicht

Die Seelsorgerin des Helios Klinikums Niederberg tritt ein kleines Stück zurück, überlässt ihrem katholischen Kollegen Peter Jansen das Wort. „Sie hatten sich das alles ganz anders vorgestellt. Und jetzt stehen Sie hier und müssen sich fragen: Warum gerade dieses Kind?“ Die Paare rücken enger aneinander, ein Mann streicht seiner Frau sanft über die langen Haare. Der Seelsorger macht eine kleine Pause, lässt dann tröstende Worte folgen: „Auf das Warum kann Ihnen niemand eine Antwort geben. Der Schmerz wird irgendwann weichen, aber die Liebe kann nicht zerstört werden.“

Erstes Sternenkinderbegräbnis in diesem Jahr

Es ist das erste Sternenkinderbegräbnis in diesem Jahr. Weil im April die Beisetzung coronabedingt nicht

Viele Eltern schmücken die Grabstellen mit bemalten Steinen
Viele Eltern schmücken die Grabstellen mit bemalten Steinen © Daniele Funke

stattfinden konnte, sind es diesmal doppelt so viele trauerende Paare als normalerweise. Bei einigen ist der Verlust ihres Kindes schon viele Monate her, bei anderen ist der Schmerz noch ganz frisch.

Unerreichbar wie die Sterne

„Ihre kleinen Menschenkinder sind unerreichbar wie die Sterne, aber sie funkeln am Himmel, weil sie in ihren Herzen glänzen und Gott kennt sie alle beim Namen“, sagt die Pfarrerin und verweist auf den kleinen Prinzen, „und wenn Sie bei Nacht die Sterne anschauen, werden sie leuchten und vielleicht wird sie alle dies ein wenig trösten.“

Ein Platz für alle Religionen

Sanfte Trauermusik erklingt und vermischt sich mit dem Rauschen des Windes, die Pastoren verteilen windgeschützte Kerzenlichter an die betroffenen Eltern, dann lassen zwei Grabträger den kleinen weißen Sarg in die Erde hinabgleiten. Nacheinander treten die Paare einzeln an das Grab heran, werfen ihre Blumen hinein, Rosenblätter, eine Schaufel voller Erde.

In einigen Wochen wird darauf eine kleine Grabplatte mit einem Stern und dem Datum der Bestattung gelegt, im Halbkreis befinden sich bereits die der vergangenen Jahre. „Vielleicht finden Sie Trost darin, dass Ihr Kind jetzt einen guten Platz hier hat“, richtet sich die Pfarrerin noch ein letztes Mal an die trauernden Menschen, denen sie gegenübersteht, „es ist ein Platz, den sie jederzeit aufsuchen können.“ Dann schaut sie ein muslimisches Paar direkt an. „Damit meine ich Menschen aller Religionen, sie alle sollen sich hier jederzeit willkommen fühlen.“