Velbert. Im Sommer 2015 schwappte eine Solidaritätswelle über die Geflüchteten, die ins Land kamen. Eine Ersthelferin berichtet von ihren Erfahrungen.
„Wir schaffen das.“ Mit diesem Satz, der schon jetzt ein historischer ist, leitete Angela Merkel im Jahre 2015 die großangelegte Solidaraktion für Geflüchtete ein. „‚Wir schaffen das’ heißt eigentlich: Wir schaffen das, wenn es ein Gemeinschaftsprojekt ist“, sagt Ulrike Hilgers. Die Langenbergerin war in jenem berühmten Spätsommer 2015 ehrenamtlich ganz vorne dabei, als es hieß, die Flüchtlingskrise zu bewältigen. Zwischen einer und zwei Millionen Geflüchtete reisten innerhalb kürzester Zeit in die Europäische Union ein und stellten den Kontinent damit vor eine Herausforderung ohne Präzedenzfall.
Turnhalle wurde plötzlich Notunterkunft
Dass diese bis zum heutigen Tag recht gut bewältigt worden ist, liegt zum Großteil an den zahlreichen ehrenamtlichen Helfern. „Wir haben ganz plötzlich Bescheid bekommen, dass die Turnhalle am Gymnasium Langenberg unseren Kindern nicht mehr zum Sportunterricht zur Verfügung steht, weil dort eine Notunterkunft für Geflüchtete entstehen soll“, sagt Hilgers. „Der Gedanke von mir war: Die Kinder gehen dort zur Schule, dann kannst du auch runtergehen und schauen, ob du helfen kannst.“ Und das konnte sie.
Kleidung und Spielzeug gespendet
Gemeinsam mit anderen Helfern brachte sie – zuerst vollkommen unorganisiert – Decken, Kleidung und Spielzeug vorbei. Dann kam Gero Sinha ins Spiel, heute der starke Mann bei der IHLA, der Integrationshilfe Langenberg. „Er hat angefangen, Handynummern, Namen und E-Mail-Adressen aufzuschreiben, damit wir als Helfer untereinander kommunizieren konnten.“ Schon bald darauf bot die neben dem Gymnasium liegende Waldorfschule an, einen ihrer Räume als Kleiderkammer einzurichten. „Dort haben sich die Geflüchteten dann immer Kleidung und Decken hergeholt und mit in die Notunterkunft genommen“, sagt Hilgers.
Patenschafts-System entwickelte sich
Im Laufe der Zeit entwickelte sich aus dieser Hilfe ein Patenschafts-System zwischen Ehrenamtlern und Geflüchteten. Hilgers übernahm die Hilfe für zwei junge Männer aus dem syrischen Aleppo. „Da wir selber nicht in die Turnhalle durften, haben wir uns draußen mit ihnen getroffen“, sagt sie. Die Geflüchteten hätten in dieser Zeit ganz existenzielle Ängste gehabt.
Viele Probleme und Ängste
„Oft ging es darum, dass sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge noch nicht gemeldet hatte. Oft haben sie sich gefragt, ob sie wieder gehen müssten und nicht in Deutschland bleiben könnten.“ Heute hat Hilgers nur noch mit einem der beiden Männer Kontakt und die Probleme der Geflüchteten sind mittlerweile auch ganz andere: Der Berufseinstieg etwa ist ein Thema, bei manchen auch noch Familienzusammenführungen. Der junge Mann, dessen Patin Hilgers einst war und mit dem sie auch heute noch Kontakt hat, ist gut integriert. „Er hat jetzt bei einer Heizungs- und Sanitärfirma in Heiligenhaus angefangen und hat eine eigene Wohnung und Auto.“
Reger Austausch
Mittlerweile ist auch die Flüchtlingshilfe in Velbert bestens koordiniert und vernetzt, IHLA und Stadt stehen in regem Austausch. Doch im September 2015 sei es nur möglich gewesen, die Situation zu bewältigen, „weil wir Ehrenamtler erkannt haben, dass wir sowohl ein internes als auch ein größeres, äußeres Netzwerk brauchen“, sagt Hilgers. Das funktioniert heute einwandfrei: Der Verein ist vernetzt, Hilfe gibt es von Stadt, Kreis und Land, außerdem helfen Stiftungen.
Respekt vor den Menschen
„Das damals war mein erster Kontakt mit Geflüchteten“, erzählt Hilgers. „Ich habe einen unheimlichen Respekt vor den Menschen, die diese Situation durchlebt haben.“ Den Lebensmut, den die Menschen trotz ihres Schicksals ausstrahlten, habe sie fasziniert. „Ich habe die Geschichten von der Flucht erzählt bekommen und immer wieder bewundert, dass jemand, der so eine Flucht hinter sich hat und diese Ängste ausstehen musste, trotzdem nicht verzweifelt war.“ Dieses Nicht-Aufgeben, sagt Hilgers, rufe sie sich noch heute manchmal ins Gedächtnis. „Wenn ich selbst in einer schwierigen Situation bin, denke ich daran.“