Velbert. Velbert kauft Laptops und Tablets, um bedürftigen Schülern das Lernen auf Distanz zu ermöglichen. 2022/23 gibt es einen Rekord an I-Dötzchen.

Finger hoch! Wer hat zuhause kein Tablet oder Laptop? – Diese Frage wird nach den Sommerferien in den städt. Schulen in Velbert – von der Primar- bis zur Oberstufe – die Runde machen. Dann geht’s nämlich an die praktische Umsetzung des „Förderprogramms für bedürftige Kinder“.

„Das Lernen auf Distanz klappt eigentlich sehr gut“, findet Reinhard Mickenheim, „aber die Voraussetzungen sind doch sehr unterschiedlich.“ Dem soll abgeholfen werden. Mit 100 Millionen Euro vom Bund, weiteren 75 vom Land und zehn Prozent von der Stadt. Das Ganze laufe rein aufgrund der Einschätzung der jeweiligen Schule, so der Fachbereichsleiter Bildung/Kultur/Sport, die auch die Festlegung treffe.

Markt und Preise explodieren

Reinhard Mickenheim führt den Fachbereich seit Sommer 2017. Der Schulbereich beansprucht den Großteil seiner Arbeitszeit.
Reinhard Mickenheim führt den Fachbereich seit Sommer 2017. Der Schulbereich beansprucht den Großteil seiner Arbeitszeit. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Ein Smartphone zähle nicht als Endgerät, eine Bedarfsprüfung sei nicht vorgesehen, erklärt Mickenheim. Der Stadt Velbert stehe aus dem Programm bis zum Jahresende eine halbe Million Euro zur Verfügung. Er sei allerdings sehr skeptisch und gespannt, zu welchem Preis es die digitalen Endgeräte wohl geben werde. Schließlich hätten die IT-Leute der Stadt die Erfahrung gemacht, dass sie kürzlich bei der zweiten Bestellung für städt. Mitarbeiter bereits „annähernd doppelt so teuer“ waren bei der „Einkaufstour“ kurz zuvor.

Endgeräte als Leihgabe

„Der Markt ist ja schon im Bereich Homeoffice explodiert. Es ist alles echt knapp geworden“, berichtet der Verwaltungsfachmann. Man könne nun „über den Daumen wohl etwa 1000 Geräte“ kaufen. Das würden dann schuleigene bzw. sie blieben im Besitz der Stadt als Schulträger und würden an die Kinder und Jugendlichen ausgeliehen. Der Schritt erfolge ungeachtet der beschlossenen Wiedereinführung des Regelbetriebs an allen Schulen, um die Voraussetzungen für eine negative Entwicklung der Corona-Pandemie bzw. gar für eine zweite Welle zu schaffen.

Weiterhin auf Corona einrichten

Mit diesem Fachbereich haben ganz viele Velberter zu tun

Zu dem Fachbereich 6 von Reinhard Mickenheim gehören zurzeit 180 Mitarbeiter, darunter übrigens rund 80 Lehrer und Dozenten – teils nur mit wenigen Stunden – von der Musik- & Kunstschule der Stadt Velbert.

Der Fachbereich Bildung/Kultur/Sport ist wohl der innerhalb der Verwaltung, mit dem die meisten Bürger – bewusst oder unbewusst – zu tun haben. Laut Mickenheim gibt es aktuell 8000 Schüler, spricht der Stadtsportbund davon, dass 20.000 Velberter Mitglied in einem Sportverein sind. Plus Musikschule, plus Kunden der Stadtbücherei.

In den letzten Jahren seien alle Kunstrasen- einschließlich des Hockeyplatzes saniert worden. „Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten drei, vier Jahren Ruhe haben.“

Das Corona-Virus und dessen Auswirkungen hat Reinhard Mickenheim – der 62-Jährige leitet den Fachbereich 6 seit Juni 2017 und geht Ende August in den Ruhestand – ohnehin „auf den letzten Metern“ seines Berufslebens beschäftigt und gefordert, und das abteilungsübergreifend. Erst die Schließung der Schulen, Stadtbücherei sowie Musik- und Kunstschule, dann ab Juni deren stufenweise Öffnung „unter ganz anderen Bedingungen als vorher. Wir müssen uns weiterhin auf ein Leben mit Corona einrichten“, lautet seine Einschätzung. Und seine Hoffnung ist, „dass wir da mittelfristig wieder rauskommen“.

Krasse Wende zur Mitte des Jahrzehnts

Das dreigliedrige Schulsystem, mahnt Mickenheim, könne nicht funktionieren, wenn man ein Glied entferne. Die Martin-Luther-King-Hauptschule wird jetzt fortgeführt.
Das dreigliedrige Schulsystem, mahnt Mickenheim, könne nicht funktionieren, wenn man ein Glied entferne. Die Martin-Luther-King-Hauptschule wird jetzt fortgeführt. © Uwe Möller | ffs

Als er als Abteilungsleiter Schulverwaltung angefangen habe, erinnert sich der Velberter, sei man ausschließlich von fallenden Schülerzahlen ausgegangen. Das habe sich jedoch 2015/16 gedreht, resümiert Mickenheim und nennt als Gründe steigende Geburtenzahlen, Flüchtlinge und Zuzüge aus Osteuropa. „Das Thema hat sich noch längst nicht erledigt. Schulentwicklungsplaner gehen davon aus, dass pro Jahrgang 15 Prozent mehr Kinder angemeldet werden als vor Ort geboren wurden.“

2022/23 wird es verdammt eng

Parallel dazu wurden bis zu dem genannten „Wende“-Schuljahr vor Ort noch Standorte geschlossen. Etwa Am Berg oder die Astrid-Lindgren-Schule an der Werdener Straße. Danach musste allerdings fix umgedacht werden, ging’s an die Planung für die Erweiterung bestehender Standorte: Grundschule Birth von vier auf fünf, Gerhart-Hauptmann-Schule von drei auf vier Züge. „Aber das reicht nicht, um in den 20er Jahren alle unterrichten zu können“, setzt Reinhard Mickenheim fort und betont noch einmal die Notwendigkeit der vom Rat vor den Ferien beschlossenen, neuen dreizügigen Grundschule auf dem so genannten Pestalozziplatz. „2022/23 wird’s wirklich eng, dann erreichen wir wahrscheinlich den Höhepunkt und haben gut und gerne über 800 Anmeldungen.“ Zum Vergleich: Nach den Sommerferien fangen 739 I-Dötzchen neu an.

Auch mehr Plätze in den Sekundarstufen

Tja, und vier Jahre weiter gehen die Kinder ja auf eine der weiterführenden Schulen. Hierzu zitiert Mickenheim die beiden Beschlüsse, die Martin-Luther-King-Hauptschule doch fortzuführen und die Gesamtschule Neviges von vier auf sechs Züge auszubauen. „Wenn man ein Glied aus dem dreigliedrigen Schulsystem abschneidet“, mahnt er mit Blick auf die jüngere Schulentwicklung, „funktioniert das ganze Gebilde nicht mehr.“