Neviges. Einzeln rein in die Klasse, als erstes Hände waschen und stets Abstand halten. Grundschüler und Lehrer in Velbert bewältigen ihren neuen Alltag.
Sean ist als Erster da. Punkt 7.30 Uhr kommt der Zehnjährige angeschlendert, stellt sich gleich neben das erste rote Hütchen direkt vor der Eingangstür. Pool-Position, dann geht’s gleich schneller. „Ich komm aus dem Langenhorst, steh schon immer um viertel nach sechs auf.“ Sean ist in Plauderlaune – bis er in seiner Tasche kramt. „Au Mann, das Mathe-Heft liegt noch zuhause. Ich vergesse jetzt viel, hab ja auch noch einen kleinen Bruder.“ Sean geht in die vierte Klasse der Gemeinschaftsgrundschule Tönisheide. Und das so gern, dass er findet: „Ein Tag in der Woche ist bisschen wenig.“ Schulalltag in Zeiten der Corona-Krise: Da müssen Kinder und Pädagogen ganz neue Aufgaben wuppen. Und dabei immer schön Abstand halten.
Zuerst ans Waschbecken
Wie Charlotte, die sich auf dem Schulhof brav neben das zweite Hütchen stellt, zwei Meter hinter Sean. Mittlerweile reicht die Schlange bis auf den Gehsteig der Kirchstraße. Hausmeister Basilio Barcellona guckt erst kurz in die Runde, dann auf die Uhr: 7.45 Uhr. „So, los geht’s.“ Aber nicht etwa losstürmen, sondern einzeln, gesittet und eben mit Abstand. Sean guckt im Flur kurz auf das weiße Schild. Aha, Gruppe B ist heute oben. Früher Vogel fängt den Wurm, durch seine Startposition steht der Zehnjährige im Klassenzimmer auch als Erster am Waschbecken. Denn ohne gründliches Händewaschen läuft gar nichts.
Klassen werden geteilt
Elf Schüler unterrichtet Schulleiterin Bärbel Emersleben an diesem Morgen in Mathematik, die andere Hälfte der Klasse sitzt zeitgleich im Erdgeschoss über den Deutschbüchern. Für Sean, Lotti und die anderen steht erstmal Kopfrechnen an. 7 mal 9, 6 mal 8 – die Finger fliegen in die Höhe. „Klappt ja richtig gut, ich bin begeistert“, lobt Bärbel Emersleben. Alle sind mit Feuereifer dabei, und Sean versichert, dass er sein Hausaufgabenheft ganz bestimmt so schnell wie möglich in den Briefkasten der Schule wirft. Die Kinder können, müssen aber den Stoff nicht digital bearbeiten.
Eine Kiste mit Hausaufgaben
„Man kann nicht voraussetzen, dass alle Kinder zuhause technisch ausgestattet sind und von den Eltern auch Unterstützung bekommen“, sagt Bärbel Emersleben, die mit ihrem Kollegium schon weit vor dem ersten Unterrichtstag am 7. Mai täglich in der Schule war und von hier aus das Lernen in den Familien regelte: „Wir hatten draußen Tische aufgestellt, ein Tisch pro Klasse.“ In den Kisten lagen Aufgabenpakete, versehen mit den Namen der Kinder. „Da haben wir auch gleich gesehen, wer nichts abgeholt hat und konnten uns mit den Eltern in Verbindung setzen.“ Denn nicht alle Eltern kümmerten sich, würden auch mal vergessen, an welchem Tag ihr Kind überhaupt zur Schule müsse. „Heute waren wieder zwei da, die gar nicht dran waren. Wenn so einfache Sachen nicht klappen, bekommen diese Kinder auch zuhause keine Hilfe.“
Kein Mundschutz-Zwang
Unterricht in zwei Gebäuden
Zu der Gemeinschaftsgrundschule Tönisheide gehören das Hauptgebäude an der Kirchstraße 62 sowie das Nebengebäude an der Nevigeser Straße. Insgesamt gehen hier 166 Kinder zur Schule.
Die Klasse 4 ist einzügig, die anderen Stufen zweizügig. Die zweizügigen Jahrgänge werden zurzeit in unterschiedlichen Gebäuden unterrichtet. Zum Kollegium gehören inklusive Schulleiterin Bärbel Emersleben 13 Pädagogen.
Der nächste Unterrichtstag steht für die Klasse 4 am 20. Mai an, in der Zwischenzeit müssen sie einiges an Hausaufgaben erledigen. Übrigens: Einen Mundnasenschutz können, müssen die Kinder aber nicht unbedingt tragen. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass dann weniger auf die anderen wichtigen Regeln geachtet wird, weil sich jeder sicher fühlt.“ Dafür werde an ihrer Schule genau auf Abstand geachtet, doch auch hier müsse man, was die jüngeren Jahrgänge betreffe, realistisch sein: „Machen wir uns nichts vor: Das sind Kinder, und man will ja auch nicht ständig meckern und schimpfen.“
Skateboardfahren in der Pause
9.30 Uhr, es klingelt zur Pause. Auch hier muss entzerrt werden: „Die eine Hälfte geht frühstücken, die andere ist auf dem Schulhof“, so die Schulleiterin. Wie Lina, die auf ihrem Skateboard herumflitzt. Ist ja praktisch, man hat Bewegung und kommt keinem zu nahe. „Wir sehen nur die anderen gar nicht mehr, echt schade“, meint ihre Freundin Donjeta ein bisschen traurig. Hinten auf dem Rasen pöhlen ein paar Jungs, dreschen den Ball ins Tor. Bärbel Emersleben, die jetzt die Pausenaufsicht übernimmt, lächelt. „Die haben ihren Spaß.“ Und sie erinnert sich: „Am ersten Tag, da sind alle herumgesprungen wie eine Horde junger Fohlen. Die haben sich einfach unheimlich gefreut.“