Velbert. Die VHS bedient sich einer Internet-Plattform, um trotz Corona-Zwangspause die Schulabschluss-Kurse fortzuführen. Aber das ist noch nicht alles.

Draußen sind die meisten Parkplätze unbesetzt, drinnen die Seminarräume leer und verwaist, bleiben die Arbeiten des VHS-Fotoclubs unbesehen, und im Hausflur ist kein roter, sondern ein grauer (Schutz-)Teppich für Handwerker ausgerollt, die dort gerade einen ehemaligen Durchgang zumauern. In einigen Büros am Volkshochschul-Standort Nedderstraße wird allerdings fleißig gearbeitet. Denn die Verantwortlichen der VHS Velbert/Heiligenhaus versuchen, trotz der Zwangspause infolge der Corona-Pandemie zumindest die Kurse für die schulischen Abschlüsse über die Runden zu retten. Der Anfang ist gemacht.

Defizite möglichst vermeiden

Martina Kessler ist der VHS bereits seit 2008 als Honorarkraft verbunden und unterrichtet Englisch. Schon bald auch in einem virtuellen Klassenzimmer.
Martina Kessler ist der VHS bereits seit 2008 als Honorarkraft verbunden und unterrichtet Englisch. Schon bald auch in einem virtuellen Klassenzimmer. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

Derweil alle Präsenzkurse abgesagt – genauer gesagt: auf unbestimmte Zeit verschoben – sind, bedient man sich für die Abschlusskurse, die geradezu ein Klassiker im VHS-Programm sind, einer Internet-Plattform des VHS-Bundesverbandes, die für die hiesigen Zwecke „maßgeschneidert“ worden ist. Das gilt für Stundenpläne, Ordner-Ablagen, Lehrpläne und mehr. „Wir sind im Aufbau, es läuft aber schon eine Woche“, sagt Rüdiger Henseling, „wir wollen möglichst viel Defizite vermeiden.“ Der Fahrplan für die eigentlich im Sommer vorgesehenen Prüfungen sei allerdings nicht einzuhalten, so der VHS-Direktor: „Wir werden wohl verlängern.“

Die Einsicht kommt zuweilen spät

Es sind aktuell gerade mal 22 Menschen im Alter zwischen 19 und 40, die normalerweise tagsüber zumeist arbeiten, größtenteils in Helferjobs, und abends die VHS-Kurse besuchen, um den Hauptschulabschluss Klasse 9 bzw. 10 oder die Fachoberschulreife nachzumachen. Den VHS-Leuten sind sie aber wichtig, sehr sogar: „Sie sind häufig durchs Raster gefallen, und die Volkshochschule ist oft die letzte Möglichkeit, auf die Schiene zu kommen“, erklärt Henseling und betont die sozial-politische Relevanz dieser Angebote: „Die Einsicht kommt, aber manchmal spät, wenn man merkt, man bleibt immer das unterste Rad.“ Fünf Lehrer gibt’s für sieben Fächer.

Ein Smartphone reicht schon aus

Die Bauarbeiter haben zurzeit am VHS-Standort Nedderstraße freie Bahn.
Die Bauarbeiter haben zurzeit am VHS-Standort Nedderstraße freie Bahn. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

Manche ihrer Schüler seien anschließend zum Kolleg gegangen, hätten in Einzelfällen studiert, berichtet Martina Kessler. Die Heiligenhauserin arbeitet schon seit 2008 als Honorarkraft bei der VHS und unterrichtet Englisch. Übrigens mit speziellen Business-Inhalten auch für Teilnehmer aus Schlüsselregion-Betrieben. Fürs E-Learning daheim – jede Klasse habe eine eigene Whatsapp-Gruppe – müsse es nicht unbedingt ein PC oder Tablet sein, ein Smartphone reiche durchaus.

Digital keineswegs immer vorweg

Es stimme jedoch nicht, dass jüngere Menschen unbedingt im Digitalen weiter vorne seien. Es kämen immer wieder Probleme auf und Fragen: zum Log in, wie man in die Cloud komme, wie Hochladen und Zuschicken funktionierten. Eine Teilnehmerin habe ihre Hausaufgabe handschriftlich auf Papier gemacht, dann abfotografiert und ihr per Whatsapp zugeschickt, erzählt Kessler.

Klare Frist für die Aufgaben

Nähkurs stellt Schutzmasken her

Die Dozentin und die Teilnehmer eines VHS-Nähkurses stellen jetzt – natürlich von einander getrennt und in Heimarbeit – Corona-Schutzmasken her. In der vergangenen Woche seien davon 35 Stück gefertigt worden, so die VHS, der zufolge die Masken „eine gewisse Schutzqualität“ besitzen.

Die Anfrage sei von den Stadtwerken Velbert gekommen, die selbst die Verteilung – u. a. auch an die Feuerwehr – der Masken übernähmen.

Als nächstes Modul geht, derzeit noch etwas holperig, das virtuelle Klassenzimmer an den Start, mit Kameras und natürlich online. Dann sind z. B. in bestimmten, verabredeten Zeiträumen „Treffen“ mit den Lehrern möglich oder auch Redebeiträge. Das übliche E-Learning kann bei freier Zeiteinteilung erledigt werden. Martina Kessler: „Für jede Aufgabe wird aber eine klare Deadline gesetzt.“

Räumlich Grenzen sind aufgehoben

Die Seminarräume sind verwaist, die VHS-Leitung hat die Präsenz-Kurse auf unbestimmte Zeit verschoben.
Die Seminarräume sind verwaist, die VHS-Leitung hat die Präsenz-Kurse auf unbestimmte Zeit verschoben. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

Das sei kein Einsteig, sondern ein großer Schritt voran in die Digitalisierung, meint der dafür zuständige Marcus Nüse. „Es gibt keine räumlichen Grenzen mehr“, fügt der Verwaltungsleiter hinzu und erzählt von entsprechenden Kontakten mit der Partner-VHS im finnischen Loviisa. Und eine Teilnehmerin vor Ort habe bereits gefragt, ob man nicht auch den Nähkurs via Internet durchführen könne. Was alles denkbar und möglich sei, werde derzeit im Dozenten-Kreis abgecheckt.

Zusammen ein gutes Netzwerk

„Wir nutzen diese Zeit und überlegen auch, welche Rolle die VHS in solchen Krisenzeiten spielen kann“, sagt Rüdiger Henseling, „wir haben ja als Volkshochschulen ein gutes Netzwerk und können viel viel mehr leisten in der Zukunft und noch ganz andere Plattformen anbieten.“ Das reiche bis zu Beistand und Intervention bei häuslicher Gewalt im Bereich Familienbildung. „Wir wünschen uns jetzt aber natürlich erst einmal auch, dass unsere Kunden uns nicht vergessen. Wir sind da, und wir verändern uns.“

Raumprobleme halten sich hartnäckig

Chinesisch-Unterricht im Büro des Verwaltungsleiters Marcus Nüse, Schulabschlusskurse in dem von Direktor Rüdiger Henseling: Not macht halt erfinderisch, und in Not war vor einigen Wochen offenbar auch die VHS am Standort Nedderstraße. Als Ersatz für die Räume an der Lindenstraße und für die vierte Etage im Nachbargebäude (vormals Polizei-Wache), die aus Brandschutzgründen habe geräumt werden müssen, so berichtet Rüdiger Henseling, habe man dort die erste Etage zugewiesen bekommen. „Vier Räume, den ganzen Tag voll belegt; wir haben den Betrieb aufgenommen, alles war toll.“

Dann sei vor knapp fünf Wochen jedoch die Weisung von der Stadt gekommen, alles müsse wieder raus, die Räume seien für Lehrbetrieb gar nicht genehmigt. Zwei Wochen später habe Corona dann jedoch alles völlig auf den Kopf gestellt: „Das Raum-Problem ist allerdings ungelöst.“