Velbert. Eine Brücke zwischen Kopf- und Handarbeitern bilden sollte die VHS in Velbert vor 100 Jahren. Einige Inhalte haben nichts an Relevanz verloren.

„Klein anfangen und zielbewußt ausbauen.“ Das war vor 100 Jahren die Zielvorgabe für die Einführung einer Volkshochschule in Velbert. Der inhaltliche Anspruch war deutlich ambitionierter formuliert: „Die Volkshochschulkurse sollen eine Brücke zwischen Kopf- und Handarbeitern bilden und allmählich eine Kulturgemeinschaft schaffen, welche die Grundlage zu einer Volksgemeinschaft legen und letzten Endes zu einem klassenlosen Volke führen soll.“

Demokratieverständnis von damals wird immer noch gelebt

Nachzulesen ist das im „Verwaltungsbericht der Stadt Velbert (Rheinland) umfassend die Jahre 1914 bis 1920 – erstattet von Bürgermeister Dr. Tweer“. Der Grundgedanke sei geblieben, sagt Rüdiger Henseling, „Bildung für Menschen zugänglich machen, die in vielen Bereichen Bedarf an Grundbildung haben“. Zudem gehe es „immer noch um Demokratieverständnis und Wertevermittlung“, fügt der heutige VHS-Direktor hinzu.

Grundprobleme des Lebens behandelt

Die VHS Velbert/Heiligenhaus habe in den letzten zehn Jahren einen „enormen Beitrag zum sozialen Frieden und zur Integration in beiden Städten geleistet“, meint ihr Leiter Rüdiger Henseling, hier auf dem Bild zusammen mit Verwaltungsleiter Marcus Nüse.
Die VHS Velbert/Heiligenhaus habe in den letzten zehn Jahren einen „enormen Beitrag zum sozialen Frieden und zur Integration in beiden Städten geleistet“, meint ihr Leiter Rüdiger Henseling, hier auf dem Bild zusammen mit Verwaltungsleiter Marcus Nüse. © FFS | Heinz-Werner Rieck

Veranstaltungsorte waren anfangs – der offizielle Beginn erfolgte am 18. Juni 1919 – das Real(pro)gymnasium (heutiges NEG) und „für das Bauzeichnen ausnahmsweise“ der Zeichensaal der ev. Schule Nordstraße (heutige Ludgerusschule). Gegen eine teils durch Wechselschichten bedingte geringe Teilnehmerzahl von 175 im Sommer 1920 sei diese Ziffer auf 274 gestiegen, lautet eine erste Bilanz. Für den Winter 1919/20 werden 437 Gesamtteilnehmer benannt. Die beschäftigten sich laut Lehrplan u. a. mit Grundproblemen des Lebens, Volkswirtschaft, Malerei und kaufmännischen Wissenschaften, mit Rechtsfällen des täglichen Lebens und der Entstehung und Bekämpfung ansteckender Krankheiten.

Grenzen klipp und klar abgesteckt

Sie müssen mindestens zehn und dürfen höchstens 30 in einem Lehrgang sein, und sie müssen für das Gebotene grundsätzlich bezahlen, „doch sollen die Sätze für die Hörer so niedrig sein, daß jedermann sich an den Lehrgängen beteiligen kann“. Den Grundstock bilden Kurse im Französischen und Englischen, für metalltechnisches Zeichnen, Bauzeichnen und Stenographie. Und es gibt klare Kante: „Parteitendenziös gehaltene politische und religiöse Vorträge sollen nicht auf das Programm gesetzt werden!“

Sich ständig entwickeln und dynamisch anpassen

Mittlerweile ist Weiterbildung „extrem wichtig geworden. Die Menschen müssen lange arbeiten, die Arbeitsplätze wandeln sich“, erzählt Henseling, „wer da mitkommen will, braucht ortsnah einen Anbieter,

Frühjahrssemester beginnt Anfang Februar

Die neuen Kurse des kommenden VHS-Frühjahrssemesters 2020 beginnen gleich Anfang Februar. Das Programm beinhaltet rund 440 Kurse, umfasst insgesamt 17.000 Unterrichtsstunden und wird am 6. Januar auf www.vhs-vh.de komplett online gestellt. Das gedruckte Programmheft kommt für WAZ-Abonnenten am 16. Januar huckepack mit ihrer Zeitung ins Haus.

Zu den inhaltlichen Schwerpunkten gehören beispielsweise eine breite Auswahl an medizinischen Fachvorträgen, Veranstaltungen in Kooperation mit der Schlüsselregion, neue Lehrerfortbildungen für Seiteneinsteiger und etliche Angebote im Bereich der Familienbildung.

der schnell reagiert.“ VHS sei nicht statisch, sondern entwickele sich und müsse sich dynamisch anpassen. Aktueller denn je seien Schulabschlüsse. „Viele junge Menschen landen nach einer Odyssee bei uns und werden hier mit viel Mühe und Herzblut der Lehrer unterrichtet und betreut.“ Ein Gelingen scheitere nur in den seltensten Fällen an mangelnder Intelligenz. Ursächlich seien vielmehr soziales Umfeld und kaputte Familien.

Das Beispiel sollte Schule machen

Die heutige Ludgerusschule bzw. damals der Zeichensaal an der Nordstraße war in den Anfängen ebenfalls ein Veranstaltungsort für Lehrgänge.
Die heutige Ludgerusschule bzw. damals der Zeichensaal an der Nordstraße war in den Anfängen ebenfalls ein Veranstaltungsort für Lehrgänge. © FFS | Heinz-Werner Rieck

Die VHS-Anfänge müssen vielsprechend gewesen sein. Es könne größeren Gemeinden nur empfohlen werden, „ihrer Einwohnerschaft auch diese Bildungsmöglichkeiten … zugänglich zu machen durch Abhaltung solcher Kurse in der Gemeinde“, sprach die Bürgermeisterkonferenz vom September 1919. „Ein Zusammengehen benachbarter Gemeinden wäre dabei zweckmäßig.“ Der VHS-Zweckverband Velbert-Heiligenhaus wurde 1977 aus der Taufe gehoben.

Sinnvolles neu aufnehmen, Bewährtes nicht aufgeben

Und zeigt die VHS-Arbeit Wirkung? Der Segen, der von ihr ausgehe, trete nicht oder kaum nach außen in Erscheinung, berichtet damals Dr. Tweer. „Er macht sich vielmehr in einer allmählichen Erweiterung des Gesichts- und Interessenkreises der Teilnehmer bemerkbar, deren Auswirkung im Familien- und politischen Leben von größter Bedeutung ist“. „Eine gute VHS vor Ort ist auch ein echter Standortvorteil“, benennt Henseling einen anderen Aspekt. Seine Vorstellung von einer VHS nach Maß klingt so: „Die Neues sinnvoll aufnimmt und Altes, wo es sich bewährt hat, nicht leichtfertig aufgibt.“