Neviges. Beim Weiberkarneval der katholischen Gemeinde ging bis in die Nacht die Post ab. Dabei gab es auch fliegende Messdiener zu bestaunen.
Wenn Modezar Karl Lagerfeld mit dem Gartenzwerg rockt, sich auf der Bühne Messdiener das Hemd vom Leib reißen und am Ende alle tanzen, bis die Sohlen qualmen – dann ist Weiberkarneval in der Glocke. Fast drei Stunden lang zeigten diverse Gruppen der katholischen Kirchengemeinde Maria, Königin des Friedens, ein tolles Programm. Lustig, bissig, mit viel Musik, akrobatischen Tanzeinlagen, und vor allem: alles selbst gemacht. „Ich komme seit Jahren, war auch schon mal bei der Mädchensitzung in Köln. Aber was die hier in dem kleinen Neviges auf die Beine stellen, einfach klasse“, sagt Edelgard Czerwinski-Glauber, und sucht sich schnell ihren Platz. Denn „Halleluja“, da legen auch schon die Funkenmariechen los, werfen zu „Pretty Woman“ die Beine in die Luft. „Wie heißt die Mutter von Niki Lauda?“ schallt es aus dem Lautsprecher, „Mama Lauda!“ ruft das Narrenvolk begeistert zurück. Darauf noch einen Sekt, bitte.
Dirty-Dancing in der Glocke
Vorne auf der Bühne nehmen Betti und Ulla die „Generation Smartphone“ auf die Schippe: Oma erklärt der Enkelin, wie Lesen funktioniert: „Man nimmt ein Buch, öffnen, lesen, schließen, ganz einfach.“ Die Enkelin ist baff, dolle Sache. Achtung, die Messdiener, darunter auch viele Mädchen, stürmen auf die Bühne, steigern wie einst die Gruppe „Geier Sturzflug“ das Bruttosozialprodukt. Begeistertes Kreischen, als einer sich beim Tanzen das Hemd vom Leib reißt: Dirty-Dancing in der Glocke, und wie: Da drehen sich Paare im Kreis, wirbeln um die eigene Achse, da fliegt ein Messdiener durch die Luft, wird sicher von drei Mädchen aufgefangen. „So viel Dynamik. Wenn wir das mal in der Messe hätten“, so der launige Kommentar der Moderatorin.
Mutter sagt die Feier ab
Letzte Veranstaltung beim Pfarrkarneval
Der Weiberkarneval, traditionell organisiert von den katholischen Frauen Deutschlands (kfD) ist die letzte närrische Veranstaltung der Karnevals-Reihe der katholischen Gemeinde. Zum Auftakt gab es den „Kolpingkarneval“, es folgten „Karneval zur Kaffeezeit“ und der „Kinderkarneval“.
Die Gruppen bereiten sich seit Monaten auf ihre Auftritte vor. Sowohl Texte als auch Choreographie erarbeiten die Teilnehmer in Eigenregie während ihrer Freizeit.
Hübsch auch der Sketch „Die Essenseinladung“. Mutter will zu ihrem Geburtstag Braten machen mit Rosenkohl, und jetzt das: der eine Veganer, der andere isst nur Obst, und die eigene Tochter, wenn überhaupt, nur nach einem Blick auf die Uhr. Mutter hat den Kaffee auf. „Wie, Intervallfasten? Sind jetzt alle verrückt geworden? Die Feier wird abgesagt!“ Oder die „Kreuzfahrtgewinnerin“ alias Antje Grothegut, die so allerlei Erfahrung auf ihrer Reise machte.
Musik-Clowns vermissen die Franziskaner
Bühne frei für die kfd-Frauen: knallrote Satin-Anzüge, rote Perücken, große Sonnenbrillen, viel Tanz und ein bisschen Comedy – ja, da simmer dabei, das ist prima, viva Colonia. Was soll’s, wenn der Mann den Koffer packt und meint, ein neues Leben anfangen zu müssen? „Sorg dich nicht um mich. Du weißt, ich liiiiieebe das Leben“, schmettern sie den Vicky-Leandros-Song ins Mikro. Die „Musikclowns“, sechs ebenso muntere wie wild geschminkte Damen aus dem Pfarrcäcilien-Chor, beklagen zur Musik der Oper Carmen den Niedergang des Einzelhandels in Neviges. „Rossmann, Gassmann, alle sind sie fort. Bald sind wir allein in diesem Ort.“ Und nun sind auch noch die Franziskaner weg, oh Schreck. Da rutscht glatt die Perücke weg.
Spanische Hofreitschule mit Steckenpferd
Die junge Tanzgruppe „Let’s fetz“ bewies, dass es zumindest innerhalb der Gemeinde kein Nachwuchsproblem gibt; tosenden Applaus bekamen auch die Kolpingfrauen für ihre „Reise nach Wien“: Die Spanische Hofreitschule macht mit Steckenpferden in der Glocke Halt, was bietet sich da mehr an als diese Zugabe: „Da hat das rote Pferd sich einfach umgekehrt“ – der Saal rast. Programmende, Schluss mit zugucken, jetzt wird abgezappelt. Musiker Albatros gibt alles, und Kolpingfrau Barbara Knapp merkt an: „Könnten wir in Neviges alles so gut wie Karneval, wir hätten keine Probleme.“