Velbert-Mitte. Der Velberter Zulieferer Witte dementiert Gerüchte, nach denen bis zu 300 Stellen abgebaut werden könnten. Aber das Unternehmen muss sparen.
„Nein, ja, ja“, kurz und bündig beantwortet Rainer Gölz, Geschäftsführender Gesellschafter der Witte Automotive GmbH, die Anfrage der WAZ. Nein, es werden entgegen anderslautender Gerüchte keine 300 Stellen am Standort abgebaut; Ja, die Arbeitszeit der tariflichen Mitarbeiter mit mehr als 35 Stunden pro Woche wird zum 1. November auf die tarifvertraglichen 35 Stunden reduziert; und, ja, es gibt ein Programm zur freiwilligen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, um Strukturkosten sozialverträglich zu reduzieren.
„Die aktuelle Lage in der Branche ist schwieriger geworden“, erläutert Gölz die Hintergründe, und benennt zwei Problemfelder: Einmal seien die Kunden sehr fordernd, „die erwarten Preisnachlässe“, sagt Gölz. „Dem geben wir nicht immer nach, aber wir wollen die Kunden ja auch behalten.“ Manche Produkte seien daher „spitz kalkuliert.“
Handelskonflikt zwischen China und USA beeinflusst die Branche
Und dann sei da noch die große Politik: „Was sich zwischen China und den USAabspielt, das führt auch bei uns zu Problemen.“ Denn wenn seine Kunden in China weniger Autos verkaufen, „dann ist die ganze Branche betroffen und eben auch Witte“, erläutert Rainer Gölz. Das merke er dann nicht nur bei der Beschäftigung in den Werken, „sondern auch im Ergebnis“.
Dementsprechend seien Maßnahmen nötig geworden. Doch die hätten deutlich besser an die Belegschaft kommuniziert werden können, bemängelt Hakan Civelek, Erster Bevollmächtigter der Gewerkschaft IG Metall in Velbert.
IG Metall kritisiert Vorgehen von Witte
„In dem Moment, in dem Verträge angepasst und Freiwilligen-Programme aufgelegt werden, sorgt das für Unruhe in der Belegschaft“, sagt der Gewerkschafter. „Wenn ich aber Transparenz schaffe, dann ist die Verunsicherung weg. Die Arbeitnehmer wollen schließlich wissen: Bin ich in einem Jahr noch hier?“
Diese Kritik wollen Rainer Gölz, die Betriebsratsvorsitzende Nicole Kranz und Witte-Pressesprecherin Bettina Janke so nicht stehen lassen. „Als Automobilzulieferer sind wir kontinuierlich gefordert, an unseren Kosten zu arbeiten. Als sich Ende 2018 abzeichnete, dass sich die Konjunktur abkühlt, haben wir unser Verbesserungsprogramm gestartet“, erläutert Gölz. „Schwerpunkt der Maßnahmen sind im Übrigen mit Abstand die Material- und nicht die Personalkosten.“
Kollegen sollen mit einbezogen werden
„Das haben wir auch den Mitarbeitern mitgeteilt, ebenso dem Betriebsrat – etwa über das Intranet oder in Diskussionsrunden“, ergänzt Bettina Janke. „Das Programm ist vorgestellt worden“, pflichtet ihr Betriebsrätin Nicole Kranz bei. „Aber die Wahrnehmung ist am Ende ja auch subjektiv“, sagt Bettina Janke, „man kommuniziert eigentlich nie genug.“
Zudem versuche man, die Kollegen mit einzubeziehen: „Wir sind im Dialog und sammeln nun Ideen, wie die Arbeitszeit hier gestaltet werden kann“, sagt Nicole Kranz. „Wir fragen zum Beispiel, wo und wie sich unsere Kollegen wohlfühlen.“ Die Resonanz sei noch etwas schleppend, laufe aber an. „Das ist bei Veränderungen ja immer so: Man braucht Zeit und Geduld“, sagt Kranz.
Hakan Civelek hätte sich „bessere Lösung“ gewünscht
Velberts IG-Metall-Chef Hakan Civelek ist aber auch nicht davon begeistert, wie die Stundenreduzierung umgesetzt wird – die Arbeitnehmer hätten künftig nur noch 35 statt 40 Wochenstunden: „Ja, tarifvertraglich ist die Reduzierung der Arbeitszeit mit einer Ankündigungsfrist von drei Monaten zwar möglich, aber dennoch heftig. Da hätte es sicherlich andere Lösungen gegeben.“
Welche anderen Lösungswege es gebe, sei „im Übrigen seitens des Betriebsrates und der IG Metall der Geschäftsleitung von Witte-Niederberg gegenüber bereits kommuniziert“ worden. So sei etwa eine stufenweise Absenkung eine Möglichkeit gewesen. Oder einen Teil der Stunden auf ein Minuskonto zu lagern, um dann bei besserer Auftragslage das Konto wieder zu füllen. „Aber Witte nutzt hier die Brechstange, die Arbeitnehmer haben keine Zeit, sich auf die neue Situation einzustellen.“
Stundenreduzierung und flexiblere Arbeitszeiten
Das sieht Rainer Gölz anders: Die Umsetzung starte erst in drei Monaten, Zeit die genutzt werden soll, „um Mitarbeiter und Führungskräfte vorzubereiten.“ Gleichzeitig mit der Stundenreduzierung soll die Arbeitszeit aber auch flexibler werden. „Wir haben Mütter und Väter, die stellen sich etwas anderes vor, als jeden Tag ,nine to five’ hier zu sein.“ Manche würden lieber um 14 Uhr gehen, dafür dann aber abends nochmal am PC etwas für das Unternehmen arbeiten.
Gespräch mit der IG Metall könnte folgen
IG Metall lobt Witte Niederberg
Die Zusammenarbeit mit Witte Niederberg – dem Wülfrather Standort – sei wesentlich besser, sagt Hakan Civelek von der IG Metall Velbert. „Wir haben hier eine sehr offene und konstruktive Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung in Wülfrath.“
Grundsätzlich wisse er, „dass man um wettbewerbsfähig zu bleiben, sparen muss und manchmal nicht drum herumkommt, ein zweites Standbein im Ausland zu haben“, sagt Civelek. „Aber ein Grund zur Freude ist das trotzdem nicht.“ Man müsse bei all dem auch an die Mitarbeiter denken. „Es nützt ja keinem, wenn der Konzern sagt ,wir sind gesund’, aber die ganzen Arbeitsplätze sind im Ausland.“
„Da sind wir aber an Gesetze gebunden“, ergänzt Bettina Janke, „die aber noch aus einer anderen Zeit stammen.“ Das sieht auch Betriebsrätin Nicole Kranz so: „Die Bedürfnisse der Arbeitnehmer haben sich geändert. Jetzt müssen wir im Rahmen der Gesetze Lösungen finden.“
Dass er nicht mit der IG Metall reden wolle, diesen Vorwurf bestreitet Rainer Gölz auch. „Ich habe kein Problem damit und wir werden sicherlich auch bei Bedarf das Gespräch suchen.“ Nur habe er die Maßnahmen „zuerst intern ansprechen und klären wollen.“