Laut einer aktuellen Studie der Böckler-Stiftung hat nur knapp jedes zweite Unternehmen einen Tarifvertrag. Gewerkschaften sehen das mit Sorge.

Nur noch 57 Prozent aller Beschäftigten in Westdeutschland haben einen Tarifvertrag (NRW 62 Prozent), im Osten sind es sogar nur noch 44 Prozent. Das zeigt eine aktuelle Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

Gewerkschaften blicken mit Sorge auf die Entwicklung

Wer in der Tarifbindung ist, verdient im Schnitt besser und kann seine Rechte als Arbeitnehmer meist besser durchsetzen.
Wer in der Tarifbindung ist, verdient im Schnitt besser und kann seine Rechte als Arbeitnehmer meist besser durchsetzen. © Tanja Pickartz

Seit 1998 hat demnach der Anteil der nach Tarif Beschäftigten kontinuierlich abgenommen, eine Entwicklung, die auch die Gewerkschaften im Kreis Mettmann mit Sorge betrachten: „Das liegt daran, dass viele Arbeitgeber eine Tarifbindung immer kritischer sehen“, sagt Daniel Ullsperger, Gewerkschaftssekretär der IG Metall Velbert. Auch in Velbert lasse sich der bundesweite Trend beobachten, „das betrifft aber eher die kleinen und mittleren Betriebe“, erläutert Ullsperger. Die Großbetriebe sein in der Tendenz „öfter tarifgebunden, da gibt es eine gewisse Konstanz.“

Unternehmen wollen aus Tarifverträgen aussteigen

Dennoch: Auch im Niederbergischen versuchen laut Ullsperger Betriebe immer wieder, aus den Tarifverträgen auszusteigen. Als Beispiel nennt er KFV. „Da wird ja noch verhandelt. Meistens können wir als Gewerkschaft das verhindern, in dem wir Haustarife anbieten.“

Für Arbeitnehmer, die weder im Flächen- noch im Haustarif sind, habe die Situation nur Nachteile, sagt Daniel Ullsperger: „Sie verdienen im Schnitt 30 Prozent weniger im Monat, haben oft keine Interessenvertretung im Unternehmen – etwa einen Betriebsrat – und haben auch auf die Lohngestaltung keinen Einfluss.“ Dazu gebe es oft nur die gesetzlich vorgeschriebene Zahl an Urlaubstagen – 20 –, kein Urlaubs- oder Weihnachtsgeld.

NGG befürchtet Nachteile bei der Suche nach Fachkräften

Tarifbindung

Grundsätzlich gelten die Regelungen des Tarifvertrags nur zwischen den Mitgliedern der Tarifparteien (Tarifgebundene). Der Arbeitgeber muss also dem tarifschließenden Arbeitgeberverband, der Arbeitnehmer der tarifschließenden Gewerkschaft angehören.

Tritt ein Unternehmen aus dem Arbeitgeberverband aus, bleibt es dennoch in vollem Umfang an den Tarifvertrag gebunden, bis dieser endet. Endet der Tarifvertrag, gilt er weiter, bis er durch eine andere Abmachung, z. B. eine einzelvertragliche Regelung mit den Mitarbeitern oder eine Betriebsvereinbarung, ersetzt wird. Dies formuliert sinngemäß das Tarifvertragsgesetz (Quelle: www.bpb.de)

So sieht das auch Zayde Torun von der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) und ergänzt: „Tariflose Firmen haben in puncto Motivation und Produktivität der Mitarbeiter meist schlechtere Karten. Auch die Suche nach Fachkräften fällt ihnen schwerer.“ Die Geschäftsführerin der NGG Düsseldorf-Wuppertal hat beobachtet, dass die „Tarifflucht auch im Kreis Mettmann um sich greift: Immer mehr Betriebe versuchen, sich um Tarifverträge zu drücken. Damit setzen sie bewährte Standards aufs Spiel und bieten ein Einfallstor für Dumping-Konkurrenz“, warnt die Gewerkschafterin.

NGG wirbt für Flächentarifverträge

Ihre Gewerkschaft mache sich daher für Flächentarifverträge stark. Gleichzeitig, so Torun, sei aber auch die Politik gefragt: „Wer sich um die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft sorgt, muss sich darum kümmern, dass die Tarifpartner gestärkt werden.“ Ihrer Ansicht nach müssten Unternehmen, die im Arbeitgeberverband seien, verpflichtet werden, sich an Tarifabschlüsse zu halten. Außerdem müsse es einfacher werden, Tarifverträge für ganze Branchen verpflichtend zu machen. „Davon profitiert am Ende auch der Staat – durch höhere Einnahmen etwa bei der Renten-, Kranken- und Sozialversicherung“, ist Zayde Torun überzeugt.