Langenberg. Die Velberterin Marion Dobersek gibt Seminare zum Umgang mit Demenz. Dabei hilft ihr nicht nur ihre berufliche Qualifikation.

Was vor gut 20 Jahren noch als Tabuthema galt, wird immer öffentlicher. Auch, weil Demenz sich nicht mehr „wegsperren“ lässt. Meldungen von Menschen, die gesucht werden, weil sie nicht mehr alleine nach Hause finden, häufen sich. Betroffen sind nicht nur die Menschen mit Alzheimer oder anderen Demenzerkrankungen sondern auch alle Menschen in deren Umfeld: Familie, Freunde, Nachbarn.

Lernen, den Alltag leichter zu machen

Die Diplom-Psychologin Marion Dobersek ist nicht nur Geronto-Therapeutin, sondern auch selbst pflegende Angehörige. Sie weiß gut, wie schwierig der Alltag werden kann.
Die Diplom-Psychologin Marion Dobersek ist nicht nur Geronto-Therapeutin, sondern auch selbst pflegende Angehörige. Sie weiß gut, wie schwierig der Alltag werden kann. © Editha Roetger

Diplom-Psychologin und Gerontotherapeutin Marion Dobersek führte in ein Seminar für Angehörige und Interessierte zu Themen rund um die Demenz ein, das das Katholische Bildungswerk Kreis Mettmann im Begegnungszentrum Klippe 2 anbot. Teilnehmer waren direkt Betroffene durch Partner oder einem Elternteil, aber auch Menschen, die in der Demenzbetreuung tätig sind.

In der offenen und vertrauensvollen Runde konnten sich die Teilnehmer austauschen, Erfahrungen weitergeben, aber vor allem lernen, den Alltag für sich selbst und ihren zu pflegenden Angehörigen leichter zu machen. „Viele wollen nichts davon hören, so lange sie nicht betroffen sind“, eine schmerzliche Erfahrung, die manch Teilnehmer machen musste.

Folge kann Vereinsamung sein

Eine mögliche Folge für die Pflegenden kann die Vereinsamung sein. Sie sind oft völlig auf sich allein gestellt. Glauben sie. Denn im Austausch stellte sich heraus, dass sie vieles miteinander verbindet und sie sich auch gegenseitig stützen können.

Mit dem Wissen aus der Seminarreihe sollen sich die Teilnehmer für mehr Verständnis und Hilfe im eigenen Umfeld einsetzen und für sich selbst sorgen können. Doch was steckt hinter der Demenz? Wie kann man damit umgehen? Wie kann man die Krankheit akzeptieren lernen und mit Erkrankten besser kommunizieren? Und wann ist der Punkt erreicht, ab dem es ohne fremde Hilfe einfach nicht mehr geht.

Demenz ist ein schleichender Prozess

Referentin Marion Dobersek zeichnete auf, wie schlimm es werden kann, wenn Menschen intime und schambesetzte Themen plötzlich öffentlich werden lassen.
Referentin Marion Dobersek zeichnete auf, wie schlimm es werden kann, wenn Menschen intime und schambesetzte Themen plötzlich öffentlich werden lassen. © Editha Roetger

Demenz ist schleichend und wird deshalb gerne verdrängt, so lange es möglich ist – sowohl bei den Betroffenen als auch den Angehörigen oder Partner. Bei den Erkrankten kommt meistens Altes hoch: Vieles, was vielleicht in der Persönlichkeit lange unterdrückt wurde und jetzt schleichend an die Oberfläche kommt. Mit Sätzen wie „Papa war ja schon immer so“ wird gerne weiter verdrängt.

Referentin Marion Dobersek zeichnete auf, wie schlimm es werden kann, wenn Menschen intime und schambesetzte Themen plötzlich öffentlich werden lassen. Wie gehen Angehörige damit um, wenn der lebenslang treue und rührige Ehemann immer häufiger mit jeder Frau schamlos flirtet, der Vater sich der Körperhygiene und -pflege verweigert oder die Mutter plötzlich nicht mehr weiß, dass sie die Toilette benutzen soll. Das Verhalten der Erkrankten rutscht ins Primitive ab, umgeben von einer sauberen, fast bakterienfreien Gesellschaft.

Teilnehmer berichten persönliche Erlebnisse

Die Teilnehmer erzählten von eigenen, sehr persönlichen Erfahrungen, bei denen die Stimmung wechselte, von Freude und Heiterkeit in kleinen zwischenmenschlichen Begegnungen bis hin zu tiefer Betroffen- und Berührtheit, wenn es um die eigene Situation ging.

Dobersek selbst ist neben ihrem Beruf auch pflegende Angehörige, sie weiß, wie schwierig der Alltag werden kann und hatte für die Teilnehmer viele Hilfen mitgebracht. Auch eine Übung, bei der die gesunden Teilnehmer eine Ahnung davon bekamen, was es bedeuten kann, in die Demenz abzutauchen.

Teilnehmer kommen an ihre Grenzen

Marion Dobersek hatte auch Spiele und jede Menge Erinnerungshilfen für die Teilnehmer parat.
Marion Dobersek hatte auch Spiele und jede Menge Erinnerungshilfen für die Teilnehmer parat. © Editha Roetger

Während sie eine Linie zwischen zwei Linien eines Sterns ziehen sollten, sollten sie auf ihre Gefühle dabei achten. Bei den meisten bauten sich Wut, Frust oder Ärger auf, denn sie mussten die Linie freihändig zeichnen und sich dabei ausschließlich über einen Spiegel betrachten. Schnell waren viele an der Grenze ihrer Fähigkeit.

Und das sei es, was die Erkrankten täglich erleben. Dann bekamen die Teilnehmer jede Menge Rüstzeug für die Umgang mit Demenzerkrankten an die Hand. Am Ende waren sich alle einig: „Die Erfahrung der anderen bereichert. Wir haben auch gelacht.“ Marion Dobersek hatte das alles nicht – und hat die Hoffnung, dass es nun für die Teilnehmer zumindest einfacher wird.

Beschäftigung mit den Betroffenen

Referentin Marion Dobersek hatte einen ganzen Raum mit Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Alzheimer und anderen Demenzerkrankungen gefüllt. „Musik ist der Königsweg für die Arbeit mit Menschen mit Demenz“. Es gebe besondere Musik für Demente, darunter Wander-, Schunkel- und Fahrtenlieder, auch Klassik.

„Alles ist etwas verlangsamt, auch mal nur instrumental“, informiert Dobersek. Beim Singen fehle es rund Dreivierteln an Mut, die richtigen Töne zu treffen. Dafür gebe es die Veeh-Harfe, die man auch mieten könne. „Das klingt sofort gut“, bewies die Referentin und spielte auf dem Instrument, auf dem die zu zupfenden Seiten mit einem Spielschema unterlegt sind. „Musik ist der Türöffner“, bei fast allem. Es gelte, eine neue Beziehung aufzubauen.

Dozentin bietet ganzheitliches Training

Musik hilft den Betroffenen oft dabei, sich zu erinnern. Aber die Angehörigen können auch eine Kiste mit Gegenständen aus der Vergangenheit anlegen.
Musik hilft den Betroffenen oft dabei, sich zu erinnern. Aber die Angehörigen können auch eine Kiste mit Gegenständen aus der Vergangenheit anlegen. © Editha Roetger

Für ein ganzheitliches Gedächtnistraining wurden Begriffe zur Pflanzenwelt gesammelt: „Es gilt alles, was assoziiert wird, ist richtig“, erklärte Dobersek. „Es gibt verschiedene Theorien: mal bleibt, was zeitlich länger da war, mal, was emotional tiefer ging.“ Arbeiten mit der Hand seien wichtig. Es gab praktische Tipps wie „Die Sendung mit der Maus“ mit technischen Inhalten für Männer, Besuche an Baustellen seien gut.

Märchen eigneten sich gut, da sie einfach seien. Aber sie sollten ein gutes Ende nehmen. Bei den jetzigen Generationen der Alzheimer- und Demenzpatienten würden sich alte Dinge aus Emaille, Wärmflaschen, Bilder mit alten Berufsgruppen oder Legespiele eignen. Vieles könne man auch selber machen.

Erinnerungskiste anlegen

Bei Würfelspielen könne man in einem Glas würfeln, damit die Würfel nicht mehr überall hinfallen. Dobersek regte an, eine Erinnerungskiste mit Familienbildern und wichtigen Erinnerungsstücken – auch Nostalgischem und wichtigen Daten aus dem Familien- und Freundeskreis – zu füllen. „Alles geht nur auf der Ebene des Dementen“, etwas, was die meisten Teilnehmer bereits als Erfahrung mitbrachten.