Langenberg. In Langenberg zeigt Kabarettist Hagen Rether viele Missstände auf. Die Zuschauer lachen viel – doch ihr Lachen bleibt oft im Hals stecken.

„Jede fünfte Frau ist Opfer von sexueller Gewalt“, erläuterte Hagen Rether seinem Publikum in Langenberg und stellte weiter fest: „Heute Abend sind also 50 Frauen hier, die Opfer von sexueller Gewalt wurden. Und statistisch sind die Täter hier in der Überzahl. Und es ist kein Marokkaner hier.“ Der Kabarettist führte im Großen Saal des Bürgerhauses mit seinem Programm „Liebe“ eindringlich vor Augen, „was die Mehrheitsgesellschaft an Monströsem locker wegdrückt, während sie bei einzelnen und randständigen Personen total durchdreht“. So verdänge sie etwa, welche Abscheulichkeiten „in den eigenen Wohnzimmern oder der Sakristei“ stattfänden, während sie sich lieber über „so’n Edathy oder Marokkaner“ aufregte. „Das kann echt nicht wahr sein“, fand der Essener und bereitete den Zuschauern einen sehr nachdenklichen Abend, bei dem sie viel lachten – doch das Lachen blieb ihnen durchaus schon mal im Hals stecken.

Sexuelle Gewalt vor dem Kölner Dom? Das Neue war, dass es diesmal vor der Kirche war.“ Rether brachte mit bildhafter Sprache viele Missstände auf den Punkt. Ob es die CDU oder CSU war, denen die christlichen Werte abhandengekommen seien – „Wir sind von der Werteunion. Dürfen die noch sagen sie seien Christen? Katasteramt, Wachstum, das waren ja auch die wesentlichen Forderungen von Jesus“. Oder die erste Begegnung zwischen Trump und Merkel: „Klassenschläger trifft Vertrauenslehrer“. Der Ökokabarettist überzeugte nicht nur mit Umgangssprache („Datt, watt die kiffen, datt würd‘ ich gern‘ auch mal kiffen.“), sondern offenbarte zudem, wie widersprüchlich viele Begriffe sind: Denn Wirtschaftsweise sind keine Weisen und Biowurst hat nichts mit dem Leben zu tun.

Format passt perfekt zu den Kulturloewen

Hagen Rether plant Rückkehr nach Velbert

Hagen Rether ließ im Bürgerhaus keine Partei aus, keine Religion. Umwelt- oder Tierschutzthemen, Flüchtlingspolitik und Integration, Rechtsextremismus, Skandale in der Kirche, Sextourismus und Pädophilie, eine schwache Männergesellschaft und immer noch benachteiligte Frauen, Minderheiten und fehlende Gleichberechtigung, Rether sprach Wahrheiten aus und konnte sie beweisen: „Die erste schwarze, lesbische Päpstin: Dann wären alle gleich, das glaubt ich erst dann!“

Zum zweiten Mal war der Kabarettist im Bürgerhaus und wird auf jeden Fall wiederkommen. Dann vielleicht im jährlichen Wechsel zwischen dem Bürgerhaus und dem Forum Niederberg.

Dr. Linda Frenzel, Leiterin des Kultur- und Veranstaltungsbetriebs Velbert (KVBV), war hocherfreut: „Dieses Format passt perfekt zu uns Velberter Kulturloewen. Es ist gesellschaftskritisch und kulturell wertvoll.“ Hagen Rether hielt 470 Menschen über dreieinhalb Stunden den Spiegel vor. Jeder nahm wohl Anregungen mit, sich selbst ein wenig zu verbessern. So wie Brigitte Veith: „Da macht man sich echt Gedanken über seinen Fleischverzehr.“ Gaby Peter schwärmte: „Es bleibt einem manchmal das Lachen im Hals stecken, weil die Wahrheit nicht immer lustig ist.“ Doch Rether nehme jeden in die Pflicht, darüber nachzudenken. Für sie ist klar: „Auch kleine Dinge können die Welt verändern.“ Erstaunt war dagegen Jörg Eschrig: „Es war überraschend spannend.“ Denn trotz der vielen Probleme, die Rether für die Welt und Deutschland aufzählte, trotz der überwältigenden Aussichtslosigkeit der schwachen Gesellschaft, zwang er die Zuschauer immer wieder dazu, bei sich selbst zu schauen. So befand Eschrig: „Es macht sehr nachdenklich und baut auf. Ich bin bei all den Missständen, die er benennt, sehr optimistisch.“

Der Kabarettist schließt wenig optimistisch

So optimistisch war Hagen Rether bei seinen Auftritt allerdings nicht: „Jetzt können die Kongolesen im Kongo lesen. Es geht so nicht mehr weiter.“ Das spüre jetzt auch der weiße Mann, was sich im Ergebnis gerade überall auf der Welt zeige: „Deshalb haut er jetzt noch mal so richtig drauf.“