Velbert-Mitte. . Wie man sich selbst Tattoos stechen kann: Im Internet kursieren Videos vom „Stick-and-Poke-Trend“. Velberter Kinderärztin klärt über Risiken auf.
Birgit Jansen schüttelt den Kopf und runzelt skeptisch die Stirn. Sie schaut sich gerade ein Youtube-Video an, in dem erklärt wird, wie man sich ganz einfach zuhause ein Tattoo selbst stechen kann. „Das soll steril sein?“, fragt die Fachärztin für Kinderheilkunde und Jugendmedizin laut und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen.
Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte warnt vor dem Trend „Stick and Poke“: Mit Nähnadel und Farbe stechen sich Jugendliche Tattoos selbst unter die Haut. Das Zubehör dafür könne ganz einfach online bestellt werden. Aber: „Bis heute ist nicht geklärt, welche Schäden oder chronische Erkrankungen die Farben, die unter die Haut gebracht werden, im Körper anrichten“, heißt es in einer Erklärung des Berufsverbandes.
Ärztin entdeckt bei Patientin selbstgestochenes Tattoo
Die Velberter Kinder- und Jugendärztin Birgit Jansen habe selbst erst vor kurzem bei einer Patientin ein kleines Tattoo auf ihrer Hand entdeckt. „Sie hatte sich das tatsächlich selbst gestochen“, sagt die Medizinerin. In diesem Fall habe das Mädchen noch Glück gehabt und nur kleine Entzündungserscheinungen auf ihrer Haut gehabt. „Aber das kann auch ganz anders ausgehen“, meint Birgit Jansen.
In dem Video, das sie sich anschaut, wickelt ein Mann gerade einen Faden um eine Nähnadel herum und befestigt diese dann an einem Bleistift. „Haben Sie mal den Stift gesehen, den der Mann da verwendet?“, fragt die Ärztin verwundert. Das sei alles andere als hygienisch, findet sie. Und außerdem: „Nur weil er in dem Video Handschuhe anhat, heißt das noch lange nicht, dass alles steril ist.“
Gefahr von schwerwiegenden Entzündungen
Die Medizinerin verwendet in dem Zusammenhang einen Vergleich, der so gut wie Jedem bekannt sein müsste: „Beim Impfen haben die Menschen Angst, dass sich etwas entzündet und beim Tätowieren dann nicht?“ Die Gefahr für schwerwiegende Entzündungen sei bei Tätowierungen deutlich höher als bei der Spritze, die der Arzt beim Impfen verwendet.
Eine Studie, die im Ärzteblatt erschienen ist, habe außerdem gezeigt, dass es seit 1984 insgesamt 76 Fälle bakteriell-infektiöser Komplikationen nach Tätowierungen gegeben habe. „Das sind aber nur die schwerwiegenden Fälle“, erklärt Dr. Jansen. Dazu gehörten unter anderem Herzklappenentzündungen oder septische Schocks, die sogar zum Tod führen könnten. Wenn Tätowierer alle Entzündungen angeben müssten, die in ihrem Arbeitsalltag entstehen, wäre die Zahl deutlich höher, meint die Medizinerin.
„Solche Videos verbreiten sich einfach so schnell“
In dem Video streckt eine strahlende junge Dame ihren Arm in die Kamera, darauf ein frisch gestochenes kleines Tattoo. „Ist doch klar, dass das junge Menschen zuhause nachmachen“, ärgert Birgit Jansen sich. Sie ist der Meinung, man müsse eigentlich auf der selben Plattform Youtube eine Gegendarstellung veröffentlichen, die zeigt wie gefährlich der Trend tatsächlich ist. „Man erreicht Jugendliche übers Internet halt am besten“, ist sie sich sicher.
Birgit Jansen befürchtet, dass im Internet eine der größten Gefahren des Tattoo-Trends liege. „Solche Videos verbreiten sich einfach so schnell“, sagt sie. Sie selbst spreche auch Jugendliche, die in ihre Praxis kommen und bei denen sie ein Tattoo entdeckt durchaus darauf an, um auf die Risiken aufmerksam zu machen. „Das wirkt oft noch mal anders, als wenn Eltern auf ihre Kindern einreden“, vermutet sie.
>> 20 PROZENT DER ERWACHSENEN TÄTOWIERT
- Die Studie im Ärzteblatt macht deutlich, dass in den Industrienationen mittlerweile 10 bis 20 Prozent der Erwachsenen tätowiert seien.
- Da Infektionen als Komplikation von Tätowierungen derzeit nicht meldepflichtig seien, sei die Anzahl durch Tattoos verursachter Infektionen weitgehend unbekannt.
- Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte rät Eltern dazu, keine Verbote und Drohungen auszusprechen, sondern ein ruhiges Gespräch mit ihren Kindern über Gesundheitsgefahren des Tattoos und auch der Entfernung zu suchen.