Langenberg. . In Sachsen geboren, über Berlin nach Langenberg gekommen: Elfriede Jänicke hat in ihren 89 Jahren einiges erlebt. Heute lebt sie in Haus Meyberg.

Zahlreiche Bilder schmücken den kleinen Nachttisch in Elfriede Jänickes Zimmer. Die 89-Jährige lebt im Haus Meyberg – und hat ein bewegtes Leben hinter sich. Neugierig betrachte ich die Fotos, und die betagte Dame fängt an zu erzählen: „Da sind meine Kinder, und da sind meine Enkel mit ihren Kindern auf den Armen“, sagt sie und zeigt auf einzelne Bilder. „Ich habe zwei Töchter, drei Enkel und zwei Urenkel.“

70 Jahre lang war Elfriede mit Fritz verheiratet

Ein weiteres Foto fällt mir auf. „Das ist mein Mann“, erzählt Elfriede Jänicke. „Er war so ein guter Mann für mich und so ein feiner Mensch”, sagt sie, während sie liebevoll das Bild des wichtigsten Menschen in ihrem Leben anschaut – ihren lieben Mann Fritz, mit dem sie das Glück hatte, vier Generationen ihrer Familie zu erleben. „Wir hatten 70 Jahre Ehe und es ist noch nicht genug“, sagt sie und in diesem Moment sind ihre Augen mit Tränen gefüllt. „Leider ist mein Mann vor zwei Jahren gestorben.“

Hier im Haus Meyberg lebt Elfriede Jänicke seit dem Tod ihres Mannes Fritz. wie left Nach dem Tod ihres Mannes ist Elfriede Jänicke von Zuhause in das Haus Meyberg umgezogen. „Hier fühle ich mich wohl: hier ist alles, was ich brauche“, sagt sie und blickt wieder auf das Bild ihres Mannes. Ihr Blick ist tief und voller Emotionen, Erlebnissen und Liebe.

Geboren im Jahr 1930

Elfriede Jänicke wurde 1930 in Bad Lauchstädt bei Leipzig geboren. Dort ging sie zur Schule und erlebte dort auch die NS-Zeit. „Wir Schüler trafen uns jede Woche. Wir marschierten durch die Stadt und sangen Lieder auf den Führer. Im Musikunterricht lernten wir auch nur Lieder über Hitler. Und so war es bis 1945, als der Krieg zu Ende ging.“

Den Krieg haben die Menschen in Mitteldeutschland nicht so dramatisch erlebt wie andere Regionen Deutschlands – die Front war weit weg. „Und als die Amerikaner kamen, war das auch in Ordnung“, erinnert sich Elfriede Jänicke: „Die Amerikaner als Besatzer waren sehr human. Meine Mutter kochte für die Soldaten Essen, etwa Schinkeneintopf und Kartoffelsalat. Mein Vater hatte viel Alkohol, den die Soldaten gerne tranken. Sie freuten sich und gaben uns Kaugummi und Zigaretten.“

So wie diese Männer hier nahm auch der Mann von Elfriede Jänicke am Juni-Aufstand 1953 in der DDR teil. Auch deswegen musste die Familie aus dem Osten fliehen.
So wie diese Männer hier nahm auch der Mann von Elfriede Jänicke am Juni-Aufstand 1953 in der DDR teil. Auch deswegen musste die Familie aus dem Osten fliehen. © UPI/dpa

Flucht nach Berlin

Acht Jahre nach Kriegsende flüchtete Elfriede Jänickes Familie vor den Russen, die die Region von den Amerikanern übernahmen. Doch bevor sie nach Langenberg kam, traf sie noch in Bad Lauchstädt die Liebe ihres Lebens: „Ich habe meinen Mann in einem Tanzlokal kennengelernt. Ich war damals 17 Jahre jung und er vier Jahre älter.“ 1947 sei das gewesen, Fritz kehrte aus der Gefangenschaft zurück und wollte tanzen lernen. „Eines Tages lud er mich zum Tanzen ein. An diesem Abend brachte er mich auch nach Hause und war seitdem immer für mich da“, erinnert sich die 89-Jährige. „Er kam dann jeden Abend zu uns, meine Mutter machte für uns das Abendessen . . . es waren so schwere Zeiten nach dem Krieg, die Menschen hungerten.“

Im August 1948 findet die Hochzeit statt

Im August 1948 schließlich heiratete Fritz seine 18-jährige Elfriede. „Es war eine herrliche Hochzeit“, erzählt die Langenbergerin, „es war ein schöner sonniger Tag. Zu unserem Bauernhof kamen 50 Hochzeitsgäste. Und als die Kirchenglocken erklangen, war ganzes Dorf bei uns.“

Kurz darauf kam – noch in Bad Lauchstädt – die Tochter zur Welt. Sieben Jahre später wuchs die Familie um eine weitere Tochter, da aber schon in Langenberg. Denn Elfriede Jänicke und ihr Mann mussten weg aus Sachsen: „Am 17 Juni 1953 war der Volksaufstand in der DDR. Und mein Mann war dabei. Die Geheimpolizei wollte im Anschluss von jedem wissen, wo er am 17 Juni gewesen war.“ Um der Bestrafung des kommunistischen Regimes zu entgehen, musste die Familie fliehen.

Als die Jänickes nach Berlin fliehen, ist die Stadt noch in vier Sektoren aufgeteilt. Allerdings verkehrten die S-Bahnen noch zwischen den einzelnen Zonen.
Als die Jänickes nach Berlin fliehen, ist die Stadt noch in vier Sektoren aufgeteilt. Allerdings verkehrten die S-Bahnen noch zwischen den einzelnen Zonen. © getty

Mit der S-Bahn durch Berlin

„Nachts sind wir nach Berlin gefahren. Damals war die Stadt in vier Sektoren geteilt, trotzdem konnte man noch mit der S-Bahn von einer Zone zur anderen fahren.“ Dennoch wurden die Reisenden von der Volkspolizei kontrolliert. „Als wir an den Kontrollposten kamen, sagte mein Mann zu einem Polizisten: ,Dreh dich mal um, Kamerad, wir müssen nach dort.’ Und der Polizist hat sich umgedreht und uns vorbei gelassen“, weiß Elfriede Jänicke noch ganz genau.

Von Berlin aus gelangte die junge Familie dann nach Langenberg. „Mein Mann hat Arbeit in einer Maschinenfabrik gefunden, in der er bis zur Rente gearbeitet hat. Ich war die erste Zeit Zuhause, zog die Kinder groß. Und später habe ich in einer Textilfabrik gearbeitet.“

Auch die Tochter ist schon 70, der Enkel 50 Jahre alt

Jahr für Jahr verging die Zeit. Mit ihr wuchs die kleine Familie Jänicke. Elfriede und ihr Fritz erlebten das Glück, sich an Enkeln und Urenkeln erfreuen zu können. Nun ist die große Tochter auch schon 70 Jahre alt, das erste Enkelkind ist 50 geworden. Und alle kommen immer wieder ihre Mutter bzw. Oma im Haus Meyberg besuchen. Elfriede Jänicke freut sich dann und spielt mit den kleinen Urenkeln. Alles ist gut, alle sind gesund . . . Es gibt nur eine Sache, die ihr Herz noch immer rührt – ihr Fritz fehlt ihr so sehr. Jeder gemeinsam erlebte Tag, vom ersten bis zum letzten – voller Liebe, Zärtlichkeit und Fürsorge.

<<< ZEITZEUGEN GESUCHT

Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs zu Wort kommen lassen wird naturgemäß immer schwieriger. Auch deshalb haben wir Elfriede Jänicke zu Wort kommen lassen – weil sie sich gut erinnert und viel zu erzählen hat.

Wenn auch Sie sich erinnern und Geschichte(n) mit Lokalkolorit von damals berichten wollen, wenden Sie sich einfach an uns: per Telefon (02051) 49531 oder auch per Mail an redaktion.velbert@waz.de.