Langenberg. . Betreuter Schlag statt Vergrämung: Taubenfreunde sind mit Maßnahmen der Verwaltung nicht zufrieden. Arbeitsgruppe zum Thema 2011 eingerichtet.
Tauben haben im Volksmund wenig nette Spitznamen, werden häufiger abfällig als „Ratten der Lüfte“ bezeichnet. Dabei ist Taube nicht gleich Taube: Wildtauben bekommt der Durchschnitts-Städter selten zu sehen, Stadttauben hingegen schon. Und die werden in der Regel zum Problem: Sie nisten an allen (un)möglichen Stellen, stürzen sich auf alles Essbare und verdrecken mit ihrem Kot Gebäude, Straßen und Plätze.
„Tauben sind in Langenberg ein Problem“
Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen
Was nun genau das Problem mit den Stadttauben löst, da unterscheiden sich die Meinungen der Experten fundamental.
Die einen kommen zu dem Schluss, betreute Taubenschläge, Taubentürme oder Taubenhäuser könnten helfen, die Population zu kontrollieren und Verdreckung mit Kot deutlich zu verringern (Bundes-AG Stadttauben).
Andere wiederum sehen in einer Verringerung des Nahrungsangebotes die vielversprechendste Methode (Prof. Dr. Daniel Haag-Wackernagel, Universität Basel; Biologische Station östliches Ruhrgebiet).
In Langenberg gibt es immer wieder mal Beschwerden – vor einigen Jahren sogar so viele, dass eigens eine Arbeitsgruppe (AG) Stadttauben eingerichtet wurde, die sich mit der Lösung des Problems befassen sollte. Die AG gibt es schon lange nicht mehr, das Problem aber angeblich immer noch. Das sagen zumindest die Taubenfreunde Langenberg, die nach wie vor mit den Ergebnissen der Arbeitsgruppe nicht zufrieden sind. „Wir bemühten uns mit Briefen an die Parteien sowie einer Unterschriftensammlung eine nachhaltige Lösung des Problems vorzustellen und unsere ehrenamtliche Mitarbeit anzubieten“, heißt es in einer Mail der Taubenfreunde an die WAZ.
Intensiv ins Thema eingearbeitet
Auch sei der Verein damals – die Arbeitsgruppe wurde 2011 eingerichtet – „irritiert gewesen, dass wir zur ersten Sitzung gar nicht eingeladen wurden“, erinnert sich Toralf Tietz, der Schriftführer des Vereins. Dabei hätten sich die Mitglieder sehr intensiv in das Thema eingearbeitet. „Wir haben Studien durchgearbeitet, uns Wissen angeeignet, haben Quellen von verschiedenen Seiten genutzt“, sagt Tietz. „Wir haben von Anfang an sehr auf Zusammenarbeit gesetzt, das ist aber nicht erwidert worden.“ Bei späteren Treffen der AG waren Vertreter der Taubenfreunde allerdings dabei, das legt zumindest der Abschlussbericht der AG nahe.
Konzept orientiert sich an Vorschlag einer bundesweiten Arbeitsgruppe
Das Konzept des Vereins zur Lösung des Problems mit den Stadttauben – allesamt Nachfahren von Haustauben – orientierte sich dabei stark an dem der Bundesarbeitsgruppe Stadttauben: Vorgeschlagen wird die Einrichtung eines betreuten Taubenschlags, an dem die Tiere Futter bekommen, brüten können und an dem dann auch eine Kontrolle der Population stattfinden könnte – etwa durch den Austausch von Eiern gegen Attrappen oder die Entnahme kranker bzw. verletzter Tiere.
Verwaltung sah die Voraussetzungen nicht erfüllt
Die Arbeitsgruppe Stadttauben lehnte das Konzept letztlich ab. Im Abschlussbericht heißt es: „Abschließend kann festgehalten werden, dass Taubenfreunde und Arbeitsgruppe in der Definition der Probleme übereinstimmen. Die Taubenfreunde gehen allerdings davon aus, dass die finanziellen, organisatorischen, personellen Probleme durch sie gelöst werden können und dies auch nachhaltig und langfristig.“ Diese Einschätzung teilte die AG jedoch nicht: „Selbst wenn ein geeigneter Standort gefunden würde und eine Anschubfinanzierung erbracht werden könnte, wird die Sicherstellung der notwendigen Kontinuität zum Betrieb eines Taubenhauses nicht gesehen.“ Somit sei selbst die erste Grundvoraussetzung des geeigneten und realisierbaren Standortes nicht gegeben. „Alle weiteren Ermittlungen wie erforderliche Infrastruktur und die davon abhängigen Kosten können nicht fixiert werden. Das gleiche gilt für einen geordneten Betrieb.“ Resultat: Die AG empfahl koordinierte Vergrämungsmaßnahmen.
Private Fütterung außerhalb der Altstadt
Nach Ansicht der Taubenfreunde sind die aber von vornherein zum Scheitern verurteilt – weshalb sie herbe Kritik an der AG üben: „Die haben sich damals zwei Extremmeinungen rausgesucht, beide nicht verstanden und das dann als Vorwand genommen, um zu ihrem Ergebnis zu kommen“, schimpft Kassenwart Uwe Schulz – der nun selbst aktiv geworden ist und die Tauben außerhalb der Innenstadt füttert: „Das mache ich privat, das hat mit dem Verein nichts zu tun“, sagt Schulz, der vom Erfolg seines Einsatzes überzeugt ist: „Ich füttere artgerecht, locke damit die Tiere aus dem Stadtkern. Und es ist viel ruhiger geworden in der Altstadt.“ Eine Füttererlaubnis hätte er beantragt, aber nicht bewilligt bekommen. „Wenn ich damit aufhöre, wird das wieder wie früher“, ist er überzeugt.
Ob sich Verein und Stadt einigen werden, ist also nicht absehbar. Dennoch wollen Uwe Schulz und Toralf Tietz weitermachen: „Wir wollen die Menschen in Langenberg aufklären, ihnen unsere Lösung erläutern. Und vielleicht siegt ja irgendwann die Vernunft.“
Stadtverwaltung beruft sich auf die Ergebnisse der Arbeitsgruppe
Derzeit liegen nach Auskunft der Stadt Velbert keine Beschwerden über Stadttauben vor. Allerdings ist auch die Größe der Population nicht bekannt. „Im Jahr 2011 wurde ein Bestand von 450 Tauben angenommen“, sagt Stadtsprecher Hans-Joachim Blißenbach. „Aktuelle Zahlen liegen nicht vor.“
Expertenmeinung gehört
Die nun erneut erhobenen Vorwürfe der Taubenfreunde weist Blißenbach mit Blick auf die damals eingerichtete AG zurück: „Die Problematik wurde seinerzeit an die Stadtverwaltung herangetragen, so dass in Folge eine Arbeitsgruppe gegründet wurde, die nach Lösungsmöglichkeiten gesucht und sich daher intensiv mit der Thematik befasst hat. Es wurden verschiedene (Experten-) Meinungen hinzugezogen, Lösungsansätze betrachtet und Ergebnisse anderer Städte einbezogen.“
„Geeigneter und realisierbarer Standort nicht gegeben“
Warum der Vorschlag eines betreuten Taubenschlags schließlich abgelehnt wurde, fasst er so zusammen: „Ein geeigneter und realisierbarer Standort war nicht gegeben. Weitere Ermittlungen, wie die erforderliche Infrastruktur und die davon abhängigen Kosten, konnten und können nicht beziffert werden. Gleiches gilt für einen geordneten Betrieb.“
Dass nun die Kritik wieder laut wird, hat laut Blißenbach nur einen Grund: „Diese Reaktion erfolgt meiner Ansicht nach, weil die Taubenfreunde Langenberg mit dem Ergebnis nicht zufrieden sind. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass den Taubenfreunden Langenberg das Ergebnis der Arbeitsgruppe aus 2015 bekannt ist.“
In Wülfrath füttern Tierschützer die Tauben
Stadttauben gibt es nahezu überall, weltweit. Und jede Stadt versucht, die daraus resultierenden Probleme zu lösen – oder zumindest einzudämmen. Wülfrath etwa hat im Jahr 1990 einen Taubenturm gebaut. Mittlerweile kümmert sich der örtliche Tier- und Naturschutzverein um das Objekt. Die Zahl der Tauben haben die Tierfreunde so zwar nicht reduziert, aber: „Es gibt in der Fußgängerzone weniger Tauben, da wir die Tiere am Turm regelmäßig artgerecht füttern“, sagt Brigitta Wöffler vom Tierschutzverein.
Stadttauben sind an den Menschen gewöhnt
Denn Tauben seien zwar Körnerfresser – aber Stadttauben seien an Menschen gewöhnt und würden alles fressen, was in einer Stadt so abfalle. „Durch unsere Arbeit ist Ruhe eingekehrt und wir haben auch einen gesunden Stamm an Tieren“, sagt Brigitta Wöffler. „Verletzungen gibt es so gut wie keine.“ Auch die Wülfrather sähen die Arbeit des Vereins zumindest nicht negativ, sagt die Tierschützerin: „Es wird nicht geschimpft und nicht gepöbelt. Ich glaube, die Leute nehmen sehr wohl wahr, dass wir gar nicht so schlimm sind“, sagt sie lachend.
Fütterung mit Erlaubnis des Ordnungsamtes
Gefüttert werde mit Erlaubnis des Ordnungsamtes; überschüssige Körner fegen die ehrenamtlichen Helfer zusammen und nehmen sie wieder mit – „sonst haben Sie ganz schnell Ratten da“, sagt Brigitta Wöffler. Nur ein Problem gebe es nach wie vor: „Es gibt immer noch Menschen, die meinen, sie müssten die Tauben auch füttern.“ Das sei aber kontraproduktiv. „Daher sammeln wir das immer ein und schmeißen es weg.“
Den Erfolg der Arbeit führt Wöffler auch darauf zurück, „dass wir viel Sinnvolles in Wülfrath machen. Die Menschen nehmen uns nicht als Radikale wahr. Das hilft.“ Außerdem bestehe ständig Kontakt zur Stadt.