Velbert. Jugendpsychiaterin Dagmar Bäuml erklärt, wie Vergewaltigungen das Leben der Opfer nachhaltig verändern und wie ihnen geholfen werden kann.

Die Vergewaltigung durch mehrere Jungen wird fest in der Biografie des 13-jährigen Mädchens verankert sein.

„Ein solch schlimmes Erlebnis wird für immer Teil der eigenen Geschichte sein“, erklärt Dr. Dagmar Bäuml. Sie ist Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Chefärztin im Heilpädagogischen Zentrum der Bergischen Diakonie.

Ein solch traumatisches Erlebnis, wie es diese Vergewaltigung sei, könne man nicht – wie häufig von den Betroffenen gewünscht – einfach ausradieren, aber man könne versuchen, einen anderen Umgang damit zu finden, dafür könnte eine Traumatherapie hilfreich sein.

Tat ist immer gegenwärtig

„Das Opfer eines traumatischen Erlebnisses kann jeden Moment ,angetriggert’ werden. Das heißt, das schreckliche Erlebnis kommt zurück und ist wieder gegenwärtig“, sagt die Psychiaterin. In diesen Momenten fühlten sich die Opfer dann wieder wie mitten drin im schrecklichen Geschehen, als würde es jetzt in diesem Moment wieder geschehen.

Opfer sind wie erstarrt

Die Auslöser dafür können ganz unterschiedlich sein. Das könne in diesem Falle der Anblick eines Handys sein oder aber auch bestimmte Gerüche oder Stimmen oder auch Situationen. Noch Jahre später können diese Auslöser das Opfer ereilen. „Für Außenstehende ist das oft überhaupt nicht nachvollziehbar, die Opfer sind dann z.B. wie erstarrt oder reagieren unpassend zur eigentlichen Situation“, sagt Dagmar Bäuml.

Auch interessant

In ihrem Innern läuft dann wieder die Tat wie ein schrecklicher Film ab und das immer und immer wieder. „In diesen Momenten hilft z.B. eine gezielte und auch laute Ansprache, um den traumatisierten Menschen wieder in die Gegenwart zu holen und den Film vorerst zu stoppen“, rät die Expertin.

Die gesamte Persönlichkeit ist betroffen

Über diese Flash-Backs hinaus hat das traumatische Erlebnis weitere Auswirkungen auf die gesamte Persönlichkeit des Opfers. So leiden sie häufig unter Schlafstörungen, sind angespannt und emotional instabil, werden ohne erkennbaren Anlass wütend oder brechen in Tränen aus, vermeiden Situationen, die mit Angst behaftet sind.

Das Erlebnis als beendet abspeichern

In der Therapie arbeiten die Fachleute zunächst daran, die Selbstheilungskräfte und Ressourcen der Opfer zu aktivieren. Nach ausreichender Stabilisierung ist Ziel der Behandlung, dass das Erlebte als beendet im Gedächtnis abgespeichert wird. „Das Verbrechen war schlimm, aber ich habe es überlebt, es ist vorbei“, erklärt Dagmar Bäuml. Ganz besonders wichtig sei es, die Familie der Opfer mit ins Boot zu holen. Auch die sei durch die Verbrechen traumatisiert, zugleich aber die wertvollste Stütze von Kindern, die Opfer solcher Verbrechen geworden sind.

Traumatherapie

Das Heilpädagogische Zentrum der Bergischen Diakonie hat einen traumatherapeutischen und traumapädagogischen Schwerpunkt, u.a. gibt es reine Mädchengruppen, spezielle Gruppen, die sich auch um traumatisierte Mädchen kümmern.

>>> WEISSER RING UNTERSTÜTZT OPFER AUCH IN GERICHTSVERHANDLUNG

Es ist wichtig, dass die Opfer eine schnelle, zeitnahe psychologische Hilfe bekommen und nicht erst wochenlang auf einen Termin warten müssen“, betont Frank Bons, Außenstellenleiter des Weißen Rings in Kreis Mettmann.

Kriminalitätsopfer erhalten häufig schon von der Polizei die Kontaktdaten des Weißen Rings. „Wir kümmern uns dann relativ schnell nach der Tat um die Opfer und erklären, wie es im Verfahren nun weitergehen wird“, so Bons weiter.

© DET

Es würden die Kontakte zu Psychologen und Therapeuten hergestellt. Aber im Anschluss bereiten die Ehrenamtler des Weißen Rings Opfer und Angehörige auf den späteren Prozess vor. „Viele Opfer wissen nicht, wie so ein Strafverfahren abläuft, dass sie vor Gericht ihre Aussage wiederholen müssen. Darauf müssen sie vorbereitet werden“, sagt Bons.

Anwalt für die Nebenklage

Der Hilfsverein empfiehlt Opfern, sich einen Anwalt für die Nebenklage zu nehmen. „Nur der bekommt alle Informationen, hat Einsicht in die Akten und weiß, wie der oder die Täter ausgesagt haben“, sagt Bons weiter. In den meisten Fälle würden die Kosten für den Opferanwalt vom Staat übernommen.

Sei dies nicht der Fall, springe auch der Weiße Ring, der sich durch Spenden finanziert, ein. Mitarbeiter der Organisation begleiten das Opfer auch bei der Gerichtsverhandlung.