Sprockhövel. .

Unbeeindruckt von Veränderungen ragt er seit dem Jahr 1817 in den Hiddinghauser Himmel: der Hochofen der alten Brennerei „Hiby“.

Seit 1992 raucht der Schlot nicht mehr, Brennereibesitzer und Brennmeister Michael Söhngen sah keine Zukunft mehr. Lange wurde Alkohol subventioniert, doch stückweise wurden die staatlichen Unterstützungen zurückgefahren – bis zum Nullniveau Ende der 1990er Jahre. Zudem wurden die Freiheiten der Brenner zunehmend beschnitten: Die genehmigten Produktionsmengen wurden heruntergeschraubt, während auch die Preise für Alkohol sanken.

Außerdem fiel ein weiterer Verkaufszweig weg: die Schlempe. Schlempe ist ein Abfallprodukt, das beim Brennen entsteht. Früher wurde es als eiweißreiches Futter als Rinderfutter verkauft, heute füttern die meisten Bauern Mais, was ebenfalls viel Eiweiß enthält, und verzichten auf die Schlempe.

„Ich wusste, dass keines meiner Kinder den Betrieb übernehmen wollte, warum hätte ich ihn dann künstlich aufrecht erhalten sollen? Von nostalgischen Gefühlen allein kann man nicht leben“, sagt Söhngen. Im Jahr 1992 verkaufte er seine Brennlizenz und arbeite bis zu seiner Rente in einer anderen Brennerei.

Leben in der Brennerei

Leicht fiel ihm die Schließung nicht; seit 1927 war die Brennerei in Familienbesitz, über 30 Jahre arbeitete er dort selbst als Brennmeister, sein Leben lang teilen sich sein Wohnhaus und die Brennerei einen gemeinsamen Hof.

Seitdem der letzte Tropfen Alkohol gebrannt wurde, hat die Brennerei Mieter kommen und gehen sehen: Ein Künstlerehepaar blieb wenige Monate, ein Möbelhändler wenige Jahre – bis ihm das Gemäuer zu eng wurde. Dann kamen Gartenarchitektin Imke Saalmann und Gärtnermeister Helmut Querfurt und eröffneten „Tausendschön“ – sie blieben. Seit fast neun Jahren stellen sie in der alten Brennerei Gartenkonzepte aus: „Wir haben etwas Besonderes gesucht und die Brennerei gefunden. Das antike Ambiente, was sie ausstrahlt, könnte man niemals in einem Ladenlokal erzeugen“, sagt Imke Saalmann.

Alten Charakter erhalten

Hohe Decken, verwinkelte kleine Räume und grobe Steinfußböden treffen mit Liegestühlen, Sonnenschirmen, Sand-, Kies- und Steinplattenböden aufeinander. „Wir möchten den Charakter der Brennerei unterstützen und möglichst wenig modernisieren“, sagt Saalmann.

Auch die steile Stiege zum zweiten Boden ist noch die selbe – geändert hat sich allerdings die Art der Heizung. Was heute ein großes Heizgebläse macht, verrichtete früher der große Heizkessel. Er steht heute ungenutzt im Lagerraum von „Tausendschön“, kalt ist es in seinem Raum, schon lange wärmt er nicht mehr – das macht der Deko-Palme, die sich an ihn lehnt, aber nicht viel aus. Vieles wurde umfunktioniert, so auch ein großer rechteckiger Steinblock, der sich mit übergeworfener Tischdecke der Gartenlandschaft anpasst.

Immer wieder schaut Michael Söhngen nebenan vorbei. „Tausendschön“ nutze die Räume optimal, sagt er, trotzdem ruft er auch heute noch, wenn er seinem alten Arbeitsplatz einen Besuch abstattet: „Ich geh mal eben in die Brennerei“, bevor die Tür hinter ihm ins Schloss fällt.