„Jetzt nimm ihm doch einer mal die Schere weg!“ Schnapp. Manche Gartenfreunde zucken zusammen. Synchron zum Geräusch der Schere.

Gärtner Ingo Klammer, Meister in seinem Fach, lässt sich nicht beirren und bearbeitet rigoros das kleine Apfelbäumchen weiter. Der Baum ist übrigens der Einzige, der nicht zuckt, dafür aber um so mehr Äste fallen lässt. Ingo Klammers „Wahnsinn“ hat aber System und die 40 Gartenfreunde, so schockiert sie auch sind, können viel von ihm über den richtigen Baumschnitt lernen. Mit dem nötigen Abstand ist Edgar Töngens sogar absolut überzeugt von dem, was Klammer mit seinem Baum angestellt hat. Töngens stellte seinen Garten für das Seminar der Gartenfreunde zur Verfügung.

„Erst dachte ich oh Gott, oh Gott“, gesteht er. „Doch der Gärtnermeister hat recht.“ Er wäre zwar nie auf die Idee gekommen, seine Bäume und Sträucher so stark anzuschneiden, doch was er heute gelernt hat, ist sinnvoll. Ein ähnliches Schicksal hat auch sein Johannisbeerstrauch hinter sich.

Einen wichtigen Tipp hat Gärtnermeister Ingo Klammer direkt zu Beginn: „Jetzt ist die richtige Zeit, um den Baum zu beschneiden“, sagte er. „Wenn der Saft hochsteigt.“ Denn dann heilen die zugefügten Schnitte schnell und es ist leicht, Blatt- und Blütenknospen zu unterscheiden. „Blütenknospen kommen zuerst.“

Die Gartenfreunde sind skeptisch. „Warum sollen die Bäume nicht im Herbst beschnitten werden?“, wollen sie wissen. Klammer hat die Antwort: Der Baum, kraftlos, müsste den ganzen Herbst und Winter mit den Schnitten zurechtkommen. Spätestens, wenn die ersten Schädlinge munter werden, sei der Spaß vorbei. „Denen hat der Baum dann nichts mehr entgegenzusetzen“, erklärte Meister Klammer, der es fertigbrachte, ruppig-charmant in seiner Art zu sein. „Er war wirklich schroff“, findet auch Gartenbesitzer Töngens. „Aber auch immer nett und lustig dabei.“ Und falls jemand seinen Baum weiß anstreichen wolle, habe Klammer auch ein paar Tipps. Doch zuvor: „Weiße Farbe am Baum?“ Die sei durchaus wichtig. Wenn die Sonne im Frühjahr auf den Stamm scheine, trockne der aus und es könnten Risse entstehen. Die weiße Farbe helfe, reflektiere die Sonnenstrahlen und schütze damit das Holz. Normalerweise wird Kalkfarbe genutzt. Nur nicht in der Welt von Gärtner Klammer. „Wenn sie nicht viel Arbeit haben wollen, dann mischen sie Farbe an, die sie auch zum Streichen der Wände benutzen“, sagt Klammer und erntet skeptische Blicke: „Weiße Farbe, die an die Wand gehört? Die ist doch nicht atmungsaktiv!“ Stimmt, das störe nur den Baum nicht. Der wächst und sprengt die Farbe weg. Auch am Rande, des Seminars gab’s viele Tipps.