Sprockhövel. Ein Dutzend Kameras filmt in Sprockhövel eine Straftat - doch plötzlich fehlen alle Beweise. Jetzt endlich ist der Kampf um Gerechtigkeit vorbei.

Dass es noch zu diesem Prozess gekommen ist, ist ein Triumph für Heinrich Briel. Der Senior fühlte sich als Opfer der Justiz. Denn obwohl ein Dutzend Kameras den Diebstahl seines Portemonnaies aufnahmen, gab es plötzlich keinen Beweis mehr. Nun gab es überraschend doch noch späte Gerechtigkeit.

Den 31. August 2022 wird Heinrich Briel nicht vergessen

Den 31. August 2022 wird Heinrich Briel, der 81-jährige Rentner aus Gevelsberg, nicht vergessen. In der Aral-Tankstelle in Haßlinghausen hatte er spätabends getankt, im Kassenraum zudem noch eine Zeitschrift gekauft, dann beim Verlassen der Tankstelle jedoch sein Portemonnaie liegenlassen. Obwohl er sofort zurückeilte, war die Geldbörse verschwunden. Überwachungskameras hatten jedoch alles aufgezeichnet. Eine Tankstellenmitarbeiterin erkannte die nachfolgende Kundin und wie sie die Geldbörse einsteckte, sofort als Stammkundin. Doch leider gingen die Videomitschnitte verloren. Jetzt kam es wider allen Erwartungen noch zum Prozess.

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Heinrich Briel, der so tapfer um Gerechtigkeit gekämpft hat, hatte am Montag (10.6.) seinen großen Tag. Im Saal 1 des Amtsgerichts Hattingen stand er als Zeuge der Frau gegenüber, die als Angeklagte im Verdacht stand, als nachfolgende Kundin an besagtem Abend in der Aral-Tankstelle zugegriffen zu haben. Briel leidet unter einigen Beschwerden, er sieht nicht mehr gut, und weil sein Hörgerät am Prozesstag kaputt ist, kann er dem Gerichtsverfahren nur mit viel Mühe folgen.

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Die Tankstellen-Mitarbeiterin ist so etwas wie die Kronzeugin in dem Fall, und ausgerechnet sie erscheint zunächst nicht und muss telefonisch herbeigeholt werden. Denn alles hängt an ihr: Sie, so hatte sie bei der Polizei zu Protokoll gegeben, hat die Angeklagte zweifelsfrei auf dem Video erkannt, wie sie Briels Börse nahm. Untermauert werden kann diese Festlegung indes nicht: Aus irgendwelchen technischen Gründen wurden die Videobeweise wenige Tage nach dem Vorfall gelöscht.

Im Kern bleibt die Aussage der Tankstellen-Mitarbeiterin, dass sie die Diebin eindeutig identifizert hat, das zählt.“
Staatsanwältin

Die Strategie des ebenso eloquent wie ehrgeizig auftretenden Verteidigers, seine Mandatin aus diesem für sie schwierigen Fall zu befreien, war dann auch etwa diese: Widersprüche zwischen den Aussagen gegenüber der Polizei vor Jahren und den jeweiligen aktuellen Zeugenaussagen herauzuarbeiten, Beobachtungen in Zweifel zu ziehen. Wie viele Menschen waren denn nun während der Tat im Verkaufsraum? Briel und die Angeklagte meinten übereinstimmend viele, die Aralmitarbeiter eher wenige. Vielleicht doch mehrere Kundinnen, vielleicht war es ja doch die Schwarzhaarige, von der Briel beiläufig berichtete (das wäre dann nicht die Angeklagte gewesen).

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Die Tankstellen-Mitarbeiterin traktierte der Anwalt mit Fragen, welche Kleidung die angebliche Kundin getragen habe, und wie Heinrich Briel angezogen war. „Daran kann ich mich nicht erinnern“, sagte die Zeugin. „Ich habe beim mehrmaligen Anschauen des Videos allein auf das Gesicht der stehlenden Person geachtet, alles andere habe ich mir nicht gemerkt.“ Letzte Gewissheit habe sie dadurch gewonnen, dass eine Außenkamera das Auto und das Nummernschild der Stammkundin dokumentiert hat - vor der Löschung.

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In der Tat gab es sehr unterschiedliche Beschreibungen des „Randgeschehens“, doch die Staatsanwältin räumte den zahlreichen Ablenkungen in ihrem Plädoyer keine Aufmerksamkeit ein: „Im Kern bleibt die Aussage der Tankstellen-Mitarbeiterin, dass sie die Diebin eindeutig identifiziert hat, das zählt“.

Bislang keine Straftaten begangen

Weil die Angeklagte bislang keinerlei Straftaten begangen hat, sollte sie eine Geldstrafe in Höhe von 1000 Euro bekommen. Richter Kimmeskamp schloss sich dieser Sichtweise an, blieb aber mit 900 Euro Strafe darunter. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, muss die Angeklagte Heinrich Briel auch noch die 300 Euro aus der Geldbörse erstatten.

„Ich bin froh, dass das Gericht so entschieden hat“, sagte Briel nach Prozessende. Seinem Wunsch nach Gerechtigkeit habe das Urteil voll entsprochen.