Sprockhövel. Im Hauhinco-Gebäude in Sprockhövel sind über 130 Flüchtlinge untergebracht. Da lauert Zündstoff im Alltag. Ein Fall ging jetzt vors Gericht.

In Sprockhövel werden beim Thema Flüchtlingsunterbringung starke Hoffnungen daran geknüpft, dass die „große Lösung“ Hauhinco auch über das nächste Jahr hinaus genutzt werden kann. Über 130 Flüchtlinge sind hier untergebracht. Doch das erzwungene Zusammenleben so vieler Menschen hat im Alltag auch Schattenseiten, die sich zu handfesten Konflikten entwickeln können. Die Folgen von einer dieser Entladungen war jetzt im Amtsgericht zu erfahren.

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Leben in langen Fluren

Lange Flure, viele Einzel- oder Doppelzimmer, fürs Sozialleben gibt es Küchen. Oft ist es später Abend, wenn hier mehrere der ukrainischen Flüchtlinge zusammentreffen. Man kennt sich nach Monaten des gemeinsamen Kaserniertseins, es entstehen lockere Freundschaften, aber auch Unverträglichkeiten. Wer ist dran mit Saubermachen, warum ist es so laut – Sprengstoff dieser Art lauert jeden Tag. Ehrenamtliche Helfer, die stundenweise vor Ort sind, müssen nach Auskunft einiger der ukrainischen Geflüchteten von der Beisenbruchstraße immer mal wieder beschwichtigen.

Anklage lautete auf Körperverletzung

Ein 50-jähriger baumlanger Mann musste jetzt in Hattingen vor Gericht erscheinen. Die Anklage lautete auf Körperverletzung. Der Vorfall liegt ein halbes Jahr zurück, es war abends um 22 Uhr in der Gemeinschaftsküche. Einige kochten noch etwas, andere unterhielten sich, Kinder sprangen noch herum – Auslandsukrainer unter sich. In aller Harmlosigkeit näherte sich ein elfjähriges Mädchen, das dem Angeklagten sein neues Notizbuch zeigen wollte, der Familienvater zeigte sich interessiert. Ein weiteres, vierjähriges Kind kam hinzu, knuffte den 50-Jährigen und verlangte das Notizbuch zu sehen.

Es fällt ein derbes Schimpfwort

Der gab es aber nicht her, und die Vierjährige nahm das Ganze mit einem Mal ernst. „Sie warf ihm ein ukrainisches Schimpfwort an den Kopf, das ganz besonders derb ist und eigentlich nie von kleinen Kindern genutzt wird“, umschrieb es die Dolmetscherin im Gerichtssaal, die bei diesem Prozess sehr viel zu tun hatte, zumal keiner der ukrainischen Zeuginnen und Zeugen über deutsche Grundkenntnisse verfügte.

Zeugen bestätigen Angabe des Angeklagten

Die Erwachsenen im Rund horchten erschrocken auf. Das kleine Mädchen boxte unverdrossen weiter, freute sich am Erfolg seiner Provokation und wiederholte das Unwort noch einige Male. Der Angeklagte herrschte das Mädchen an das zu unterlassen. Mehrere Zeugen bestätigten, dass er die Göre nicht berührt hat. Sie soll sich nach der strengen Ansprache des Angeklagten rasch entfernt haben. „Noch am selben Abend kam es zu einem Treffen mit der Mutter“, erzählte der 50-Jährige.

Unterschiedliche Aussagen von Mutter und Angeklagtem

Die Schilderungen gehen dann bei beiden auseinander. Während die Mutter den Mann mit der Aussage ihrer Tochter konfrontierte, er habe sie getreten, stritt der 50-Jährige jede Berührung ab, räumte aber ein, angesichts der schlimmen Beschimpfungen durch das Kind sehr ungehalten gewesen zu sein. „Ich habe ihr dann unmissverständlich gesagt, dass sie ihre Tochter besser erziehen sollte“, gab der Angeklagte zu Protokoll.

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Harter Job für Richter und Staatsanwalt

Wahrscheinlich hat dieser Vorwurf gesessen, so sehr, dass sich die 30-jährige Frau dazu entschied, den Mann aus dem Nachbarflügel bei der Polizei anzuzeigen. Für Richter Johannes Kimmeskamp und den jungen Staatsanwalt war es harte Arbeit, bei den endlosen fremdsprachigen Eingaben immer wieder auf zentrale Fragen zur Klärung des Sachverhaltes – nämlich ob der Mann das Kind nun tatsächlich geschlagen oder getreten habe – anzubringen. Es fand sich letztlich niemand, der gesehen hatte, dass es zu einer Körperverletzung gekommen war. Dafür viel Hörensagen, Vermutungen, Unterstellungen, aus der bunt zusammengewürfelten ukrainischen Community.

Verfahren wurde eingestellt

Letztlich kamen Richter und Staatsanwaltschaft zum Schluss, das Verfahren einzustellen, kein Freispruch für den Angeklagten, aber eben die Gewissheit, dass die Begegnung in der Küche der Flüchtlingsunterkunft nicht genügend ausgeleuchtet werden kann.

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