Sprockhövel. Für den Sprockhöveler Rentner ist es dramatisch: Seine Geldbörse wird gestohlen, das Beweisband gelöscht, der Fall ist erledigt – bis jetzt!

Heinrich Briel darf als Justiz-Opfer bezeichnet werden: Beim Diebstahl seiner Geldbörse wurden Beweismittel nicht gesichert, deshalb galt sein Fall als erledigt. Doch dann beschwerte sich der Rentner.

Briel sieht Versagen des Rechtsstaates

Gut zehn Monate ist es her, dass Heinrich Briel seine Geldbörse in der Aral-Tankstelle in Haßlinghausen liegen gelassen hat. Und er weiß auch, wer sie an sich genommen hat. In seiner Anschauung hat jedoch das Rechtssystem in der Folge versagt, weil Polizei und Justiz nicht in der Lage waren, die Tatverdächtige zu überführen und ihm Portemonnaie, die 300 Euro und die Papiere darin wieder herbeizuschaffen. Doch jetzt kommt möglicherweise wieder Bewegung in die Sache.

Post vom Rechtsanwalt

Briels Anwalt, der in Sprockhövel auch durch seine zahlreichen Ehrenämter sehr bekannte Ronald Mayer, hat sich schriftlich wieder bei Briel gemeldet. Er teilt seinem Mandanten mit, das seinerzeit eingestellte Verfahren gegen die tatverdächtige Sprockhövelerin sei wieder aufgenommen worden. Das sei ein „ungewöhnlicher Vorgang“, da solche Einstellungen normalerweise abschließend seien.

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Fachaufsichtsbeschwerde und Mediendruck

Denkbar ist jedoch, dass wieder Bewegung in den Fall gekommen ist, nachdem Mayer eine Fachaufsichtsbeschwerde gegen den Beschluss der Staatsanwaltschaft Essen gestellt hat. „Aber ich denke auch, dass die Berichterstattung in den Medien dazu beigetragen hat, dass Druck auf die Staatsanwaltschaft ausgeübt wurde, den Fall von Herrn Briel neu aufzurollen“, sagt der Rechtsanwalt.

Rückblick auf den Vorfall

Heinrich Briel und seine Geldbörse – alles geschah am 31. August des vergangenen Jahres. Der Gevelsberger hatte in Haßlinghausen spätabends getankt. Beim Bezahlen hatte er versehentlich sein Portemonnaie an der Kasse liegenlassen, was ihm aber erst im Auto auffiel. Er eilte zurück ins Tankstellengebäude, ihm kam die nachfolgende Kundin noch entgegen, doch seine Geldbörse war nicht mehr da.

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Verdächtige streitet alles ab

Zu Hause hat er dann Anzeige gegen unbekannt erstattet. Von der Polizei erfuhr Briel in der Folge, das Geschehen an der Kasse sei von einer Videokamera aufgezeichnet worden – ganz deutlich, so die Polizei und auch Mitarbeiter der Tankstelle, sei zu sehen, wie die Kundin nach Briel dessen Geldbörse mitgenommen habe. Da auch ihr Kfz-Kennzeichen festgehalten wurde, war die Identifizierung besagter Frau schnell erledigt. Sie stritt gegenüber der Polizei ab, etwas mitgenommen zu haben.

Videoband als Beweismittel vernichtet

Was die Lösung des Falls aber erschwerte: Die Polizei hat es verpasst, im Zuge ihrer Ermittlungen das Videoband sichern zu lassen. Heinrich Briel berichtet, im vergangenen Oktober sei der Ermittlungsvorgang dann an die Staatsanwaltschaft Essen gegangen. Von dort kam dann Anfang Februar ein Bescheid: Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt mit der Begründung, die beschuldigte Frau sei bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten, es könne erwartet werden, „dass die Beschuldigte durch das bisherige Verfahren hinreichend gewarnt und beeindruckt“ sei. Das Verschulden sei gering, ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung würde entsprechend nicht bestehen.

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Mittelbares Beweismittel

Das scheint jetzt anders gesehen zu werden. Auf Anfrage teilt die Essener Staatsanwältin Anette Milk mit, es gebe immer zwei Möglichkeiten, warum ein Verfahren wieder aufgenommen werde. „Entweder, es ergeben sich neue Ermittlungsansätze – oder wir bewerten einen Fall nach einer gewissen Zeit anders.“ Wahrscheinlich trifft Letzteres zu. „Die Zeugenaussagen können nach der Löschung der Videoaufzeichnungen als mittelbares Beweismittel anerkannt werden“, sagt Ronald Mayer. Außerdem habe die Justiz in NRW in einem Runderlass festgelegt, dass auch bei geringerem Verschulden (300 Euro bei Briel) ein öffentliches Interesse an Strafverfolgung bestehe.

Fall könnte zum Amtsgericht Hattingen

Mayer geht davon aus, dass die Tatverdächtige nun erneut vorgeladen wird und die Zeugen gehört werden. „Am Ende kann ein öffentliches Verfahren vor dem Amtsgericht Hattingen stattfinden“, so Mayer. Und Heinrich Briel? Damals hat er sich als Justizopfer gesehen, und jetzt kann er sich trotz veränderter Lage noch nicht richtig freuen, etwas Skepsis bleibt. Aber er hofft, den Inhalt seines Portemonnaies wieder zu bekommen: „Ich habe noch keinen neuen Personalausweis und Führerschein in Auftrag gegeben.“

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