Sprockhövel. In Sprockhövel gehen immer mehr Senioren noch mal zur Fahrschule. Und dann ist es oft an der Familie, vom Führerscheinverzicht zu überzeugen.
Auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar ist das Autofahren im Alter wieder ein Thema. Muss ein Arzt Personen, die er nicht für fahrtauglich hält, an die Behörden melden? Automobilverbände haben sich gegen eine Meldepflicht von fahrungeeigneten Personen durch Ärzte ausgesprochen. Es gebe bereits in Ausnahmefällen Möglichkeiten für Ärzte, Hinweise an die Behörden weiterzugeben, so der Automobilclub von Deutschland (AVD). Er betont, dass es sich um ein sensibles Thema handele, das in einer alternden Gesellschaft immer relevanter werde. Wie sehen das ältere Autofahrer in Sprockhövel, was kann das soziale Umfeld tun, um alternde Familienmitglieder vom Autofahren wegzubekommen, wenn die Eigenwahrnehmung nicht mehr realistisch ist?
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Ältere Menschen sprechen bei Fahrschulen vor
Senioren und Unfälle
In der Zeit von 2020 bis September 2022 waren 38.600 Senioren Hauptverursacher von Unfällen in NRW. Insgesamt gab es in 2020 und 2021 aber über eine Million Verkehrsunfälle im Westen. Probleme bereiten unter anderem zu hohe Geschwindigkeit und Fahrten unter Drogeneinfluss.
Senioren seien „durch ihre erhöhte Anfälligkeit für Verletzungen eher Gefährdete als Gefährder“, sagt der ADAC. Mehr als jeder zweite tödlich verunglückte Radfahrer und Fußgänger ist 65 Jahre oder älter. Generell ist „die steigende Anzahl von Lebensälteren im Straßenverkehr eine der Herausforderungen für die Verkehrssicherheitsarbeit“, so die NRW-Verkehrsstatistik 2021.
Bei Fahrschulen auch in Sprockhövel kommt es in den letzten Jahren immer häufiger vor, dass sich Seniorinnen und Senioren melden mit der Bitte, ihre Fahrtüchtigkeit zu überprüfen. „Das sind wahrscheinlich demografisch bedingt immer mehr Leute geworden“, hat Sascha Nippus, der eine Fahrschule an der Hattinger Straße betreibt, beobachtet. Die Kunden seien Frauen wie Männer gleichermaßen, meistens über 70 Jahre alt. „Wir vereinbaren zwei bis drei Fahrstunden und können dann sehen, wo die Kandidaten stehen“, sagt Nippus. Nicht selten empfehle seine Fahrschule, wegen stark nachlassender Reaktionsfähigkeit den Führerschein besser abzugeben.
Pochen auf die Eigenverantwortung der Menschen
Dr. Klaus Befelein, ein Zahnarzt aus Sprockhövel, pocht in diesem Zusammenhang auf die Eigenverantwortung der Menschen. „Ich halte nichts davon, dass Ärzte ihr Schweigen brechen, um – wie in vielen Ländern – Daten von erkrankten Patienten an Meldebehörden weiterzuleiten.“ Der 74-jährige Mediziner, der viel Auto fährt, lässt regelmäßig seine Sehfähigkeit überprüfen und auch seine Reaktionsfähigkeit. „Meine Enkel haben mir bislang noch nicht gesagt, dass ich komisch Auto fahre.“ Sollte er nachlassen, würde er auch kein Auto mehr fahren.
Familien vor schwerer Aufgabe
Es ist eine schwierige Aufgabe für das familiäre Umfeld, den Opa oder die Oma, oder auch die betagten Eltern dazu zu bewegen, auf das Autofahren besser zu verzichten. Das kann eine Beziehung erheblich belasten, sagt der auch durch Fernsehauftritte bekannte Sprockhöveler Diplom-Psychologe Rolf Schmiel. „Wenn das Verhältnis grundsätzlich liebevoll ist, kann von den Kindern natürlich alles angesprochen werden“, sagt er. Wenn aber nicht, drohe das wichtige Anliegen zu scheitern. „Wir müssen bedenken, dass hier von dem Senioren oder der Seniorin das Eingeständnis der eigenen Inkompetenz gefordert wird.“
Rolf Schmiel unterscheidet die Reaktionen von Frauen und Männern. „Weibliche Autofahrer sind im Alter meistens einsichtig, weil auch ihre Vorsicht und Ängstlichkeit zunehmen.“ Bei den Männern sei das anders: Wenn der Sohn oder die Tochter vom „Hochstatus“, also von oben herab, auf den Vater einreden, den Führerschein besser abzugeben, löse das oft Gegenwehr („Reaktanz“) aus. Der Angesprochene blocke ab.
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Enkel haben den besseren Zugang
Schmiel empfiehlt, hier besser die Enkelgeneration einzuschalten. „Wenn der Enkel den Opa spielerisch zum Autorennen am Computer überredet, kann dieser im Zuge der Selbsterfahrung erkennen, dass es mit der nötigen Reaktionsgeschwindigkeit nicht mehr weit her ist“, so Schmiel. Und von dem geliebten Enkel lässt sich Opa meistens sehr viel besser ins Gewissen reden als vom Sohn oder der Tochter.
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