Sprockhövel. Immer mehr Menschen haben Angst vor einem dritten Weltkrieg. Der TV-Psychologe Rolf Schmiel aus Sprockhövel erklärt, wie man damit umgeht.
Der Krieg in der Ukraine schockiert die Menschen weltweit. Viele Deutsche leiden mit den Ukrainern und haben Angst, dass der Ukraine-Konflikt sich zu einem Weltkrieg ausweiten könnte. Der Sprockhöveler Psychologe Rolf Schmiel berichtet, wer jetzt besonders von Ängsten betroffen ist, was man dagegen machen kann und wie man mit Kindern über den Krieg spricht.
WAZ: Der Angriff auf die Ukraine versetzt viele Menschen in Sorge. Ist es normal, dass auch psychisch stabile Menschen Angst bekommen?
Rolf Schmiel:„Wer sich jetzt Sorgen macht, zeigt eine ganz normale Reaktion. Schließlich haben wir jetzt einen Krieg, der nur zwei Flugstunden entfernt ist, auf europäischem Boden. Man muss nur aufpassen, dass man nicht in einer Angstspirale gefangen wird.
Kann man denn durch die Auseinandersetzung mit dem Ukraine-Krieg krank werden?
Nein, gesunde Menschen werden dadurch nicht krank, nur bei instabilen Menschen kann es zu Auswirkungen kommen. Hat jemand zum Beispiel bereits eine Angststörung, kann die Informationsflut die Krankheit beschleunigen.
Wer ist jetzt besonders von Ängsten betroffen?
Unter den aktuellen Kriegsnachrichten leiden bei uns Menschen um die 80 am stärksten, also die, die selbst einen Krieg miterlebt haben – bei ihnen könnten alte Traumata wachgerüttelt werden. Auch Menschen, die die atomare Aufrüstung in den 70- und 80er Jahren miterlebt haben, sind betroffen.
Wie kann man diesen Menschen helfen?
Man sollte Gesprächsangebote offerieren und fragen, wie es ihnen geht – und auch noch mal nachfragen, wenn die Frage abgetan wird. Das Gespräch sollte aber nur jemand führen, der gefestigt ist und nicht der junge Enkel, er ist nicht der richtige Ansprechpartner, wenn es um Kriegstraumata geht.
Sollte man rational argumentieren, dass es im Moment keine konkrete Bedrohungslage für uns gibt?
Befindet sich ein Mensch in der Angstspirale, muss er sich zuerst daraus befreien, sich emotional neutralisieren. Ist er nämlich von Gefühlen beherrscht, helfen keine rationalen Argumente mehr – auch beim Thema Coronaimpfung konnten wir so etwas feststellen.
Ist es sinnvoll, die Angst zu verdrängen?
Nein, denn Verdrängung führt zu negativen Effekten. Stattdessen ist ein bewusster Umgang mit der Angst sinnvoll.
Wie kann man sich aus der Angstspirale befreien?
Ich empfehle, Tagebuch zu schreiben, aus dem Kopf aufs Papier erleichtert die Seele! Außerdem ist jetzt die richtige Zeit, um den Partner und die Familie zu umarmen, so spürt man, man ist füreinander da. Ein weiterer Ansatz ist Sporttherapie – aber keine ruhige Sportart wie Yoga – denn Angst führt zu Wut und die muss kanalisiert werden, sonst richtet sie sich irgendwann gegen einen selbst. Es kann hilfreich sein, einen Baum anzuschreien und auf ein Kissen einzuschlagen. Angst führt außerdem zu Muskelverspannungen, deshalb sollte man sich eine Massage gönnen. Dadurch lösen sich die Muskeln und Ängste werden automatisch weniger.
Und wenn diese Ansätze nicht weiterhelfen?
Wenn jemand so stark betroffen ist, dass er nicht mehr damit zurecht kommt und keine Lebensfreude mehr spürt, kann ein Neurologe oder Psychiater ein Medikament zur Unterstützung verschreiben.
Sollte man Kinder von Kriegsbildern in den Medien fernhalten?
Kleine Kinder sollten nicht damit konfrontiert werden, weil sie es noch nicht verarbeiten können. Gemeinsam Kindernachrichten zu gucken und möglichst viel fürs Kind da sein, ist sinnvoll.
Und wie sollte man mit Kindern Gespräche über den Krieg führen?
Stellt ein Kleinkind Fragen zum Krieg, sollte man nicht zu sehr ins Detail gehen: Ja, in der Ukraine ist Krieg. Aber du musst dir keine Sorgen machen, wir sind für dich da. Stellt ihr älteres Kind, vielleicht auch wiederholt, mit sorgenvollen Blick Fragen zum Krieg, ist es wichtig, ausführlicher darüber zu sprechen und darauf zu achten, dass die Bilderflut nicht zu viel wird. Das Kind muss in der Lage sein, alles emotional verarbeiten zu können. Bekommt es beispielsweise Schlafstörungen, kann das ein Alarmsignal sein. Bei anderen Kindern ist man überrascht, wie souverän sie mit der Situation umgehen.
Erst Corona und Weltklima-Sorgen und jetzt Krieg – werden psychische Erkrankungen bei unseren Kindern und Jugendlichen wegen der enormen Belastung zunehmen?
Fakt ist, dass wir noch nie so viele junge Menschen in Kinder-und Jugendpsychiatrien hatten wie jetzt, dort fand auch die einzige Triage in Deutschland statt – wer nicht suizidgefährdet war, wurde weggeschickt. Ich werbe deshalb für Verständnis für unsere Kinder und Jugendlichen, wenn sie mal lauter sind oder sich daneben benehmen, sie werden unter großem Druck groß.
Zur Person Rolf Schmiel
Der Psychologe Rolf Schmiel ist 48 Jahre alt und lebt in Niedersprockhövel, er ist verheiratet und hat einen Sohn.
Er ging in Hattingen auf das Gymnasium Waldstraße und studierte Psychologie an der Ruhruniversität Bochum
Schmiel berät Einzelpersonen und Unternehmen, führt aber keine Praxis und bietet daher auch keine Therapiesitzungen an. Bekannt wurde er durch seine bisher mehr als 300 TV-Auftritte in ARD, RTL, Sat1, WDR und ZDF.