Sprockhövel. Die Unternehmen auch in Sprockhövel ächzen unter den Belastungen wie Energiekosten und Teuerung. Was Wicke-Chef Klaus Schlösser dazu sagt.

Ein Sprockhöveler Unternehmer spricht Klartext: „Ich würde heute kein Werk mehr in China aufbauen!“. So Klaus Schlösser, Seniorchef der Firma Wicke, größtes Unternehmen in Sprockhövel und seit 26 Jahren wirtschaftlich aktiv in China mit Blick auf die aktuelle Diskussion um Wirtschaftskooperationen mit autoritären Staaten. Welche Probleme den heimischen Betrieb und die 400 Mitarbeitenden sonst noch unter Druck setzen, erläutert Schlösser im Gespräch mit dieser Zeitung.

Zurückhaltung bei einer wichtigen Investition

WAZ: Wie geht es voran mit Ihrer Werkserweiterung am Standort Herzkamp?

Schlösser: Zwei neue Parkplätze für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind fertig oder kurz vor der Fertigstellung. Der dafür frei gewordene Platz auf dem Werksgelände soll ja für eine zusätzliche Produktionsstätte genutzt werden. Aber zurzeit gibt es ohnehin nur Probleme bei der Bauwirtschaft, und auch was die konjunkturelle Situation betrifft, halten wir uns zurück.

Was bedeutet das?

In allen Bereichen muss die Wirtschaft zurzeit auf Sicht fahren. Niemand weiß, wie sich die Wirtschaft angesichts der vielen Herausforderungen im kommenden Jahr entwickeln wird. Daher verschieben wir unsere Entscheidung über diese Investition ins nächste Jahr.

Wie sehr drückt die Entwicklung der Energiepreise ein Unternehmen wie Wicke?

Ganz erheblich. unsere Produktion läuft über Gas. Ich sage deutlich: Wenn sich die Preise weiter nach oben entwickeln, droht zumindest in Teilen unserer Produktion Stillstand. Wir führen intensive Gespräche mit unserem Energieversorger AVU, aber der kann uns auch nicht die Sorgen nehmen. Hochgerechnet haben wir beim Strom eine Verdoppelung der Kosten um vier Millionen Euro.

Wie setzt Ihnen die Teuerung zu?

Wenn man bedenkt, wie sehr der Staat bei überteuren Produkten noch von einer entsprechend höheren Mehrwertsteuer profitiert, dann ist das schon ein Elend. Bei Wicke ist das so: Wir kaufen – mitunter bei Monopolisten – sehr teuer unsere Rohstoffe ein, und verkaufen die fertigen Produkte eben auch deutlich teurer an unsere Kunden weiter. Unsere Produkte werden gebaucht! Jeder Gabelstapler auf dieser Welt braucht Rollen, und die kommen eben auch von uns.

Monopolisten können aber ein echtes Problem sein.

Das sind sie: Manche von ihnen haben im laufenden Jahr schon viermal die Preise erhöht.

Corona ist wohl auch bei Ihnen noch ein Thema?

Man könnte Alpträume bekommen, unser Krankenstand ist sehr hoch. Vor zwei Wochen hatten wir die Situation, dass von unseren 400 Mitarbeitern hier an einem Tag 103 fehlten. Leiharbeiter wären dann auch keine Lösung, im Zweifel sprechen die kein Deutsch, und technische Zeichnungen können die auch nicht lesen.

Wicke-Produkte

Wicke ist einer der weltweit führenden Hersteller industrieller Räder, Reifen, Achsen, Lenkrollen und Bockrollen. Rund 1000 Mitarbeiter setzen sich täglich und weltweit für die Transportanforderungen der Kundschaft ein.

Wicke wirbt mit „Bodenständigkeit, Verlässlichkeit und Innovationskraft“

Zu den Produkten zählen Lasträder, Antriebsräder, Laufrollen, Stützräder, Hubwagenrollen, Stützlenkrollen, Stahlbandreifen, Gerüstlenkrollen, Einkaufswagenrollen, Rollcontainerrollen. Wicke-Räder und Rollen werden insbesondere für die industrielle Fahrzeugtechnik, Roboterfahrzeuge, Intralogistikgeräte eingesetzt,

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Im Frühjahr beklagten Sie den Zusammenbruch der Lieferketten, auf deren Funktionieren ein international operierendes Unternehmen wie Sie dringend angewiesen ist. Wie ist die Situation jetzt?

Sie hat sich beruhigt. Die Abläufe in der Logistik funktionieren wieder, die Schiffe sind pünktlich und auch die Container sind wieder bezahlbar.

Im Gefolge des Ukraine-Krieges erleben wir eine Diskussion um wirtschaftliche Abhängigkeiten unserer Volkswirtschaft von autoritär geführten Staaten wie Russland, aber eben auch China. Auch Sie haben ein Werk dort, wie denken Sie darüber?

Ich denke heute ganz anders als vor 26 Jahren, als wir unser Werk in China eröffnet haben. Seither haben wir erleben müssen, dass die wirtschaftliche Bedeutung Chinas in Deutschland und Europa sehr gewachsen ist. Die Chinesen expandieren weltweit und nehmen in der Folge auch politischen Einfluss vor Ort. Ich sehe das mit großer Sorge. Zu lange haben wir nach dem Prinzip gelebt: Billig, billig, billig!

Was würden Sie heute anders machen?

Wir würden versuchen, in Europa zu bleiben und alles zu tun, um uns nicht solchen Ländern auszuliefern. Diese Erkenntnis habe ich nicht aus eigener Erfahrung, es ist der große Rahmen, der mich beunruhigt.

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