Sprockhövel. Regisseur Christian Zipfel aus Sprockhövel dreht einen Film über Holocaust-Überlebende mit einer innovativen Technik. Die Details zum Projekt.

Der erfolgreiche Sprockhöveler Regisseur Christian Zipfel hat in Berlin mit seinem neuen Projekt begonnen – Filmaufnahmen mit dem sperrigen Arbeitstitel: „Volumetrisches Zeitzeugnis von Holocaust-Überlebenden“. Volumetrisch bezieht sich dabei auf eine neue, innovative Film-Technik, die auch in den USA von der USC Shoah Foundation genutzt wird, um Holocaust-Überlebende aufzunehmen.

Regie-Genie Steven Spielberg gründete die Shoah Foundation nach den Dreharbeiten zu seinem Film „Schindlers Liste“, erzählt Christian Zipfel. „Mit dieser Technik arbeitet in Europa nur ein sehr kleiner Kreis von Filmschaffenden, zum einen, weil es viel digitale Fachkenntnis aus dem Bereich der Spiele-Programmierung benötigt, denn aus diesem Bereich stammt die Technologie, und zum anderen, weil es unheimlich kostspielig ist.“

Regisseur Christian Zipfel aus Sprockhövel dreht einen Film über Holocaust-Überlebende

Die Protagonisten werden mit über 30 Kameras von allen Seiten zugleich gefilmt, dabei werden von ihnen 60 Scans die Sekunde erstellt, erklärt er. „Daraus entsteht ein dreidimensionales Bewegtbild, das wir in eine fotorealistische, virtuelle Realität einsetzen können, in der sich die Zuschauenden physisch bewegen können“, sagt Zipfel.

Der Vorteil dabei: Es fühle sich an, als würde der Holocaust-Überlebende einem persönlich die eigene Geschichte erzählen, so der 29-Jährige begeistert – „näher und emotionaler geht es nicht“. Für dieses Projekt werden neben den Aufnahmen von etwa acht Zeitzeugen auch fotogrammetrische Aufnahmen von Teilen historischer Orte wie beispielsweise des Konzentrationslagers Auschwitz erstellt, auch in diesen Aufnahmen werden sich die Zuschauer bewegen können.

Veröffentlichung ist nicht vor 2023 geplant

Die Veröffentlichung des Materials sei jedoch nicht vor 2023 geplant, was der zeitintensiven Post-Produktion geschuldet sei, so Zipfel. „Wir erhalten viel positives Feedback von Zeitzeugen, die gerne am Projekt teilnehmen würden. Bis Februar kommenden Jahres können wir jedoch ausschließlich vor Ort in Babelsberg drehen, erst dann wird es ein mobiles Set-Up geben, mit dem wir reisen können.“

Werdegang von Christian Zipfel

Christian Zipfel ist 1992 geboren und wohnte in Niedersprockhövel bis er 19 Jahre alt war, seit fünf Jahren wohnt er in Berlin. Er studierte im Master Dokumentarfilmregie von 2016 bis 2020 an der renommierten Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf.

Seine Filme haben bisher unter anderem den Prix Immersion auf dem Montreal Festival du nouveau cinéma gewonnen und waren sowohl für den Prix Europa als auch den „Schwarzen Löwen“ der Filmfestspiele von Venedig nominiert.

„Volumetrisches Zeitzeugnis von Holocaust-Überlebenden“ realisiert Zipfel als Regisseur und künstlerischer Leiter zusammen mit der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf und dem Volucap Studio. Gedreht wird auf dem Gelände des Studio Babelsberg, gefördert vom Land Brandenburg.

Das größte Problem für die Anreise ins Studio sei das hohe Alter der Holocaust-Überlebenden, das mache aber gleichzeitig das Projekt für ihn so dringlich: „Wenn wir diese volumetrischen Aufnahmen jetzt nicht anfertigen, dann ist die Chance bald vertan, das lässt sich niemals mehr nachholen.“

Dreharbeiten mit Holocaust-Überlebender Margot Friedländer

Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer, die Zipfel in Berlin treffen konnte, hat er in der vergangenen Woche „abgedreht“. Diese volumetrischen Aufnahmen seien sein „absolutes Herzensprojekt“. „Für mich geht es dabei nicht um künstlerische Selbstverwirklichung, sondern darum, etwas gesellschaftlich Relevantes zu schaffen, das mein künstlerisches Schaffen überdauert.“

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Dazu fühle er sich als Regisseur auch verpflichtet: „Der Holocaust prägt unsere deutsche Geschichte und Identität, dabei können viele junge Menschen mit dem Begriff nicht mehr viel anfangen, das finde ich erschreckend.“ Auch das gegenwärtige gesellschaftliche Klima sei ein Grund für sein Engagement: „Rechte Stimmen werden heutzutage salonfähig, dagegen muss man etwas tun, und unser Vorhaben ist zugleich eine Initiative gegen das Vergessen.“

Mit dem Material volumetrischer Aufnahmen wird ein Archiv aufgebaut

Mit dem gesamten Material von 500 bis 600 Minuten volumetrischer Aufnahmen werde ein Archiv aufgebaut, auf das Material wird man zugreifen können, nach fachlicher und ethischer Prüfung eines Kontrollgremiums. „Wir möchten nicht, dass diese sensiblen und kostbaren Aufnahmen zweckentfremdet werden, deshalb wird eine Stiftung die Aufsicht darüber haben.“ Des Weiteren wird aus den Interviews von bis zu drei Zeitzeugen eine voraussichtlich fünfzehnminütige Virtual-Reality-Experience entstehen. „Die VR-Experience soll für Bildungszwecke genutzt werden, wir werden sie Schulen und Gedenkstätten anbieten, auch eine Nutzung im Museumskontext ist interessant.“