26-jähriger Sprockhöveler Student wurde mit einem Beitrag zu den Filmfestspielen eingeladen. Danach drehte er in einem rumänischen Knast.

Die Filmfestspiele von Venedig mit Sprockhöveler Beteiligung? Klingt eher unwahrscheinlich, ist aber wahr. Der 26-jährige Christian Zipfel von der Alten Bergstraße hat bei dem Festival, dessen 75. Auflage vor einem Monat am Lido stattfand, im Wettbewerb „Venice VR“ mit 360-Grad-Filmen seine jüngste Filmproduktion „Rooms“ präsentieren können. Spezielle Kameras nehmen dabei ein komplettes Rundum-Panorama auf.

„Die Weltpremiere des eigenen Films dort feiern zu dürfen, ist schon eine ganz besondere Auszeichnung“, erzählt Zipfel, der bei „Rooms“ sowohl das Drehbuch geschrieben als auch die Regie übernommen hat. Der 24-minütige Beitrag Zipfels beschäftigt sich im weiteren Sinne mit der Bedeutung von Räumen für die Menschheit, und die Resonanz auf das Werk des Studenten sei wirklich ermutigend gewesen, sagt Zipfel. Wer als so junger Filmschaffender eingeladen werde, sich auf den bedeutendsten Festivals in Berlin, Cannes oder eben in Venedig einem Wettbewerb zu stellen, um dessen berufliche Zukunft ist es nicht schlecht bestellt. „Diese Referenz kann mir noch sehr nützlich sein.“

Geboren in Hattingen, aufgewachsen in Sprockhövel, fragte sich der kunstinteressierte Christian Zipfel nach dem Abitur, wohin die Reise beruflich für ihn gehen könnte. „Zunächst wollte ich Kommunikationsdesign studieren, fand das aber bald unbefriedigend.“ Von allen Kunstrichtungen interessierte ihn der Film am meisten, „man kann da viele Aspekte vereinigen.“ Ein bisschen Erfahrung hatte der Sprockhöveler ja auch bereits gemacht mit handelsüblichen Cams, „diese kleinen Digitalkameras schaffen eine ganz solide Qualität“, findet er. Kurz vor seiner Bewerbung an der Internationalen Filmschule in Köln hatte Zipfel überhaupt erst erfahren, dass man sowas studieren kann. Und: Unter etlichen Hundert Interessenten schaffte es Christian Zipfel auf Anhieb, einen der ganz wenigen Studienplätze zu bekommen. „Die geringe Zahl der Kommilitonen hat zur Folge, dass man es mit einem hohen Niveau im Lernbetrieb zu tun hat“, berichtet Zipfel, das steigere auch die Motivation. In Köln absolvierte er den Bachelor-Abschluss und wechselte dann für den Master-Studiengang an die weltweit geachtete Filmhochschule Potsdam-Babelsberg „Konrad Wolf“, die einzige Universität dieser Art in Deutschland, wo er mittlerweile im letzten Studienjahr steht. „Ich habe den Ehrgeiz, nach Möglichkeit jedes Jahr einen Film zu produzieren“, sagt Zipfel, der heute in Berlin lebt, Sprockhövel aber als zweiten Wohnsitz behält. Doch hat dieser Produktionseifer auch seinen Preis – zwischen 15 000 und 30 000 Euro kostet die Herstellung eines hochwertigen Films in Kinoqualität durchschnittlich. „Das bedeutet, man muss vor einem Filmprojekt zunächst aufwändig Fördermittel beantragen“, so Zipfel, ab und an seien jedoch bei ihm auch seine Eltern hilfreich zur Seite gesprungen. Ein Stipendium hat er überdies auch noch, „so kann ich meine Zeit und Energie ins Studium und in die Filme investieren und brauche nicht nebenbei zu jobben“, sagt er dankbar.

Christian Zipfel ist ein Freund des scharfen Kontrasts: Gleich nach dem Glamour von Venedig führte ihn ein neues Filmprojekt in ein Gefängnis nach Rumänien. Der Etat reicht für drei Wochen, um einen Dokumentarfilm zu drehen, der die Stille und das Leben von Insassen in Gefängniszellen beschreibt. „Einmal mehr erlaubt das Rundum-Panorama, als Zuschauer einen umfassenden Einblick in diese für uns sonst nie erreichbaren Orte zu gewinnen“, berichtet Zipfel.

Dokumentar- und Spielfilme

Die Arbeit mache Spaß, die Behörden des Balkanstaates hätten bereitwillig alle Genehmigungen erteilt, die schweren Jungs als Darsteller machen folgsam mit. Spielfilm oder Dokumentarfilm? Zipfel, der eine Vorliebe für den österreichischen Film hat und ihn wegen dessen Rauheit als vorbildlich bezeichnet, macht es von seinen Ideen und Konzepten abhängig, ob er die eine oder die andere Form wählt. „Ich werde in beiden Bereichen weiterarbeiten“, sagt der 26-Jährige. Wobei klar sei: Spielfilme seien besser am Markt zu platzieren, „und Geld verdienen muss ich ja auch.“