Sprockhövel. Vom tadschikischen Sportministerium zum Immobilienkaufmann in Deutschland: Flüchtling Akhmad Muzafarov aus Sprockhövel ist bestens integriert.

„Sicherheit ist das Wichtigste“, sagt Akhmad Muzafarov, der in Tadschikistan politisch verfolgt wurde und alles zurückließ: Verwandtschaft, Freunde und ein großes Haus. Alles auf Null gestellt, ein kompletter Neuanfang in Sprockhövel nach einem sehr erfolgreichen Arbeitsleben in der Heimat.

„Wie heißt du? Was machst du hier?“ Der vierjährige Davud ist aufgeregt, saust um Tisch und Stühle. Er stellt Fragen über Fragen – ein quirliges, wissbegieriges Kind voller Elan. Der Kleine ist der einzige aus der Familie Muzafarov, der völlig unbelastet in die Zukunft blickt. Denn er war noch im Bauch von Mama Rafoatkhon Aseva (34), als sie vor vier Jahren mit ihrem Mann Akhmad Muzafarov, der jetzt zehnjährigen Soro und Yusuf (14) überstürzt die Flucht antrat.

Familie aus Tadschikistan flüchtete nach Sprockhövel und hat sich bestens integriert

Top ausgebildet ist der 42-jährige Familienvater, der einen Bachelor in Orientalistik hat, einen Diplomabschluss in Geschichte und ein Masterstudium in Politikwissenschaften angefangen hatte. Im Sportministerium seines Landes war er stellvertretender Abteilungsleiter in der Abteilung für internationale Beziehungen, hielt Kontakte zu vielen Ländern, organisierte Meetings. Später arbeitete er im Im- und Export in der Textilbranche in Russland, danach in den Vereinigten Arabischen Emiraten und zuletzt im Exportbereich der Automobilbranche.

Malika Turaeva kennt natürliche Heilmittel

Die Mutter von Akhmad Muzafarov hat ganz besonders viel Kenntnis von der Natur, Kräutern und Heilmitteln. „Bei uns nennt man das Volksärztin“, sagt der 42-Jährige.

„Sie hat die Kenntnis von Naturheilmitteln, die unsere Vorfahren hatten, die aber vielen in der Gesellschaft abhanden gekommen ist.“ Bei vielen Krankheiten muss die Familie nicht direkt zum Arzt gehen. In vielen Fällen kann die 60-jährige Malika Turaeva helfen.

Kein Wunder also, dass er neben Persisch, der Sprache der Tadschiken, auch Russisch, Englisch, etwas Arabisch und Türkisch spricht. Und dann erzählt er in absolut flüssigem, akzentfreiem Deutsch, dass er gerade die Prüfung zum Immobilienkaufmann bestanden hat.

Familienvater legt Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer ab

Nach dreijähriger Ausbildung hatte er einen Tag nach der Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer am 27. August einen unbefristeten Arbeitsvertrag in der Tasche. Sein Arbeitgeber ist die Firma Frank Müller Immobilien in Wuppertal.

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Als Immobilienfachmann hatte er auch früher schon einige Jahre gearbeitet und kennt sich auf dem Markt aus. Ein Segen, dass er so viele Sprachen spricht, denn bei seiner Firma ist er immer gefordert, wenn es bei Kunden mit der deutschen Sprache nicht mehr weiter geht. Zu tun hat er reichlich.

In Sprockhövel ist die Familie mit Kopf und Herz angekommen

Als er vor dem Brexit seinem Chef eine Analyse des Immobilienmarktes erstellte, lag er absolut richtig. Die großen Firmen verließen London und siedelten sich in Frankfurt und Berlin an, um auch in Deutschland zu investieren. „Wir haben viele Anfragen von Ausländern, die gerne in dieser Gegend Eigentum erwerben möchten“, sagt Muzafarov, der auch beim Flüchtlingshilfe-Projekt „Behind the Picture“ mitgemacht hat.

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In Sprockhövel sind er und seine Familie längst auch mit Kopf und Herz angekommen. Sich in Wuppertal, wo er arbeitet, niederzulassen, war für ihn keine Option. „Wir fühlen uns absolut wohl hier“, sagt er. Nicht nur er und die Kinder sprechen Deutsch. Auch seine Frau, die Jura studierte, aber keinen Abschluss machen konnte, lernt fleißig die deutsche Sprache und ist in der Flüchtlingshilfe stark engagiert. Sie macht dort zurzeit das Bundesfreiwilligenjahr. Einerseits, um Deutschland etwas zurückzugeben, andererseits, um ihre Sprachkompetenz weiter zu verbessern.

Großmutter kümmert sich um die Enkel, Mutter bildet sich fort

„Ich habe immer gearbeitet und möchte auch eine Ausbildung anfangen, um hier berufstätig zu sein“, sagt sie. Und nicht zuletzt lernt auch seine Mutter, die mit ihnen zusammenwohnt, die deutsche Sprache. „Wir sagen in Tadschikistan, dass die Mütter Göttinnen sind“, strahlt er. Die Mama, Göttin Malika Turaeva (60), sorgt für köstlichstes Essen und kümmert sich mit um die Kinder. Eine Familie, die begeistert ist, in Deutschland angekommen zu sein. Auch, wenn es schwer ist, die Heimat zu verlassen.

„Nicht das Sozialsystem ist der Grund, warum so viele in dieses Land wollen“, sagt der 42-Jährige. „Wir arbeiten ja auch ausgesprochen gerne. Aber das Bildungssystem in Deutschland ist exzellent und die starke Demokratie. Dass man hier ohne Angst leben kann, ist unfassbar viel wert. Sicherheit ist das Wichtigste im Leben.“

INFORMATION: TADSCHIKISTAN

Oppositionelle werden in Tadschikistan unterdrückt. Tadschikistan ist ein Binnenstaat in Zentralasien mit 9,2 Millionen Einwohnern. „Er besteht zu über neunzig Prozent aus Gebirge“, erzählt Akhmad Muzafarov.

Im Osten grenzt der Staat an China, im Süden an Afghanistan, im Westen an Usbekistan und im Norden an Kirgisistan. „Häufig werden in den unterschiedlichen Dörfern, die durch Gebirge getrennt sind, auch unterschiedliche Dialekte gesprochen“, sagt der 42-Jährige.

Tadschikistan wird politisch autoritär geführt – Regimegegner werden unterdrückt

Die Hauptstadt Duschanbe mit circa 800.000 Einwohnern ist die größte Stadt der ehemaligen Sowjetrepublik. Tadschikistan wird politisch autoritär geführt und taucht immer wieder in Berichten von Amnesty International auf. Der UN-Sonderberichterstatter über die Förderung und den Schutz des Rechts auf Meinungsfreiheit stellt in seinem Bericht vom Juni 2017 fest, die „drakonische Unterdrückung oppositioneller Stimmen und der massive Druck auf die Zivilgesellschaft“ hätten sich seit seinem Besuch des Landes im März 2016 noch verstärkt.

Das Land hat viele Naturschönheiten. Es gibt steile, schneebedeckte Berge bis zu 5000 Meter hoch, die bei Kletterern sehr beliebt sind. Das Gebirge bietet das Naturschutzgebiet Iskanderkulsky, ein Vogelschutzgebiet, das nach dem Iskanderkul benannt wurde. Das ist ein türkisfarbener See, der durch einen Gletscher geformt wurde.

Tadschikische Sprache ist eine Variante des Persischen

Die tadschikische Sprache ist eine Variante des Persischen. „Persisch wird genauso gesprochen wie Russisch. Geschrieben wird allerdings in Kyrillisch“, berichtet Akhmad Muzafarov. Wichtige Umgangssprache ist Russisch, das auch Pflichtfach an Schulen ist.

Tadschikistan hat trockenes, subtropisches Klima. Das heißt, trockene, kalte Winter und heiße Sommer. In den Tälern, in denen ein subtropisches, feuchtes Klima herrscht, kann es in den Sommermonaten bis zu 45 Grad heiß werden. Zwischen tiefen und hoch gelegenen Regionen bestehen große Temperaturunterschiede. Das Pamir-Gebirge, das zum Teil in Tadschikistan liegt, ist nach dem Himalaya die zweithöchste Gebirgskette der Erde. Es gibt Seen mit unterschiedlichen Farben und eine heiße Thermalquelle.