Sprockhövel. Birte Heidemann möchte, dass der Ennepe-Ruhr-Kreis ihre Einrichtung „Am Turm“ in Sprockhövel wegen Corona schließt. Der Krisenstab lehnt das ab.
Birte Heidemann ist empört. „Es kann nicht sein, dass wir Schulen und Kitas schließen, Einrichtungen für Hochrisikogruppen wie hochaltrige und multimorbide Personen aber weiter offenhalten“, schimpft die Geschäftsführerin der „Tagespflege am Turm“.
15 Seniorinnen und Senioren betreut ihr Team täglich in den Räumen an der Hauptstraße 62. In den vergangenen Tagen ist die Zahl stetig gesunken. „Die Menschen haben natürlich Angst vor dem Coronavirus“, weiß Birte Heidemann. „Und die ist auch begründet. Schließlich kommen bei uns alte Menschen mit oft schweren Erkrankungen zusammen. Wir arbeiten also mit Personen mit dem höchsten Risiko für schwere Verläufe oder gar Todesfolge. Diese Gruppe muss geschützt werden.“
„Das Virus ist nicht nur für meine Gäste eine gefährliche Keule“
Einfach nach Hause schicken kann und will die Geschäftsfrau ihre Gäste nicht. „Zum einen gibt es die Pflegeverträge, die wir mit insgesamt 40 Personen abgeschlossen haben. Andererseits greift ohne behördliche Schließung meine Ausfallversicherung nicht. Während mir die Belegungszahlen zusammenbrechen, muss mein Personal voll bezahlt werden. Das Virus ist also nicht nur für meine Gäste eine gefährliche Keule, sondern auch für meine Existenz.“
Birte Heidemann hat einen Hilferuf ans Gesundheitsamt des Ennepe-Ruhr-Kreises geschickt. Der Krisenstab habe ihr über die Heimaufsicht ausrichten lassen, dass er für eine behördliche Schließung keinen Anlass sehe. Die wirtschaftliche Seite ihrer Anfrage habe man mit dem Hinweis auf das Unternehmerrisiko beantwortet, sagt Heidemann.
„Medizinisch hat die Absage des Ennepe-Ruhr-Kreises noch eine weitere bittere Konsequenz“, so die Geschäftsführerin. „Könnte ich die ,Tagespflege am Turm’ vorübergehend einstellen, wären meine 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter frei für eine aufsuchende Pflege.“
Betreuung könnte in die Wohnungen verlagert werden
Sicher nicht alle 40 Senioren, wohl aber einen großen Teil davon könne man dann in deren Wohnungen betreuen – ohne das Risiko des täglichen Zusammenseins in großer Runde. „Unser Betrieb hat dazu die erforderliche Genehmigung.“
In ihrer Not hat sich Birte Heidemann am Freitag auch an die Stadtspitze der Stadt Sprockhövel gewandt. Bürgermeister Ulli Winkelmann und der Erste Beigeordnete Volker Hoven antworteten umgehend.
„Herr Winkelmann hat mir zugesichert, das Thema in der nächsten Konferenz der Hauptverwaltungsbeamten am 18. März zur Sprache zu bringen“, erzählt Heidemann. „Und Herr Hoven will das Problem direkt beim Krisenstab des Ennepe-Ruhr-Kreises ansprechen, dem er angehört.“
„Dafür gibt es keinen Grund, weil in der Einrichtung kein Krankheitsfall vorliegt“
Die Kreisverwaltung bleibt bei ihrer Ablehnung einer behördlichen Schließung. „Dafür gibt es keinen Grund, weil in der Einrichtung kein Krankheitsfall vorliegt“, erklärte Kreissprecher Ingo Niemann am Freitag auf Anfrage der WAZ. Er habe sich diese Haltung auch noch einmal vom Krisenstab des EN-Kreises bestätigen lassen.
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Der Kreis wertet offenbar einen Vorgang nicht als Krankheitsfall, den Birte Heidemann als weiteres Argument für ihre Sicht der Dinge geltend macht. „Der Schwiegersohn einer Pflegeperson, die bei uns untergebracht ist, war in Ischgl und wurde jetzt positiv getestet“, sagt sie. „Der Schwiegervater wird nun gar nicht erst getestet, weil er keine Symptome zeigt. Ich halte das für höchst fahrlässig.“