Sprockhövel. In der Wilhelm-Kraft-Gesamtschule in Sprockhövel erfuhren Schüler aus erster Hand von den Gräueln der Nazi-Zeit und den Lebensbedingungen damals.

Einen beeindruckenden Besuch des Zeitzeugen Günter Halfmeier konnten Schüler des fünften Jahrgangs der Wilhelm-Kraft-Gesamtschule miterleben. Der 90-Jährige, der am 3. Juli 1929 geboren wurde, erzählte über die Jahre vor und in der Kriegszeit.

Schüler staunen über Leben ohne Telefon und Fernsehen

Schulsozialarbeiterin Christine Niephaus und Lehrer Benjamin Hehenkamp hatten den Unterricht vorbereitet. Viele Fragen hatten die Schüler aufgeschrieben, um Antworten aus erster Hand zu bekommen. Und die waren so erstaunlich, dass es außerhalb der Vorstellungskraft der Kinder erschien. Zum Beispiel, dass es kaum Telefone gab und auch die Fernseher nicht gerade zum Alltag gehörten. „Da mussten sich meistens zwei Familien ein Telefon teilen“, schilderte Halfmeier.

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Während der 90-Jährige das „Abdriften des Staates in die Nazi-Diktatur“ als kleines Kind erlebte, bekam er das Grauen im November 1938 voll mit. „Da wurden alle jüdischen Geschäfte auch hier in Haßlinghausen von den Nazis zertrümmert.“

Bombenangriffe auf Sprockhövel

Ob im Krieg seiner Familie etwas passiert sei, wollten die Schüler wissen. „Nein, uns ist nichts passiert, aber eine Bombe zerstörte die beiden Bauernhäuser in Obersprockhövel.“

Was Halfmeier als besonders schrecklich empfand, waren die nächtlichen Bombenangriffe, die nicht aufhörten. „Jede Nacht flogen die Engländer, Franzosen und Amerikaner gegen Kriegsende Angriffe. Schließlich hatte Deutschland ja den Krieg angefangen. Wir mussten ständig in den Gewölbekeller unter unserem Haus und dort Schutz suchen. Hätten wir das nicht gemacht, wären wir tot.“

Schulzeit im Krieg

Auch über seine Schulzeit wollten die Kinder viel wissen. Mit dem Bus zur Schule zu fahren – undenkbar. Entweder man ging die weiten Strecken zu Fuß oder man hatte ein Rad. Die Schule fing oft eine Stunde später an – je nachdem, wie intensiv die Bombenangriffe in der Nacht waren.

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An Ausbildung war jahrelang gar nicht zu denken. Es gab keine Lehrer, weil die meisten an der Front kämpfen mussten, viele Schulen waren zerstört. Nur mit großer Mühe konnte sich Halfmeier ein Zeugnis ausstellen lassen, um eine Ausbildung zu beginnen.

Persönliches Treffen mit Wilhelm Kraft

Ein Jahr vor Kriegsende sollte der damals 15-Jährige noch zum Kriegsdienst eingezogen werden. „Mein Vater kämpfte wie ein Löwe, dass das nicht passierte.“ Beeindruckend für die Schüler: Als Kind lernte er Wilhelm Kraft kennen, den Namensgeber der Schule. Der überzeugte Sozialdemokrat und Bürgermeister von Haßlinghausen wurde von den Nazis umgebracht.