Sprockhövel. .

„...ein fleißiger, gewissenhafter und gut befähigter Lehrer...“ – eine solche Beurteilung im Zeugnis eines Pädagogen liest sich gut, und jeder Referendar wünschte sich einen solche Einschätzung seiner Leistungen. Indes werden im Zusammenhang der Beurteilung von Nikolaus Schmitt durch den Schulrat, Pastor Heyng oder auch den damaligen Bürgermeisters Kemp auch große Vorbehalte gegen seine Wiedereinstellung nach dem Ende des Nationalsozialismus deutlich: Der Sprockhöveler Nikolaus Schmitt war nämlich begeistertes Mitglied der NSDAP und engagierte sich, ebenso wie seine Familie, für die nationalsozialistische Ideologie.

Klassenfotos, Familienfotos, Dokumente wie etwa Unterrichtsvorbereitungen, Belobigungen, Beurteilungen und fotografische Inszenierungen, die von einem hohen Grad an Identifikation mit der NS-Ideologie zeugen. Das Stadtarchiv Sprockhövel verfügt seit kurzem über eine außergewöhnliche Ergänzung historischer Dokumente.

Die Odyssee der umfangreichen persönlichen Unterlagen von Nikolaus Schmitt, der aus einer Sprockhöveler Bauernfamilie stammt, endete jetzt nach einem Umweg über Duisburg und Dülmen wieder in der Heimat des umstrittenen Pädagogen. „Opfer oder Täter – das ist die Frage“, denkt die Archivarin der Stadt Sprockhövel, Karin Hockamp, angesichts der Dokumente laut nach. Der dokumentierte Eintritt in die NSDAP und das sichtbare Engagement der Familie Schmitt legen den Schluss nahe, dass Schmitt überzeugter Nationalsozialist war.

Ein Stück Zeitgeschichte

Seine Aufzeichnungen für den Biologieunterricht thematisieren in erschreckender Weise den Horror nationalsozialistischer Vererbungstheorien. Da fällt es schwer zu glauben, dass Schmitt eher Opportunist denn Erfüllungsgehilfe der faschistischen Ideologie war. In jedem Fall sind die Dokumente ein Stück Zeitgeschichte der Stadt und ermöglichen verschiedene didaktisch-methodische Ansätze für den Geschichtsunterricht an Sprockhöveler Schulen. „Faschismus ist keine Gesinnung, sondern ein Verbrechen“, konstatiert der Überbringer der Dokumente, Ortwin Bickhove-Swiderski, kompromisslos. So etwas dürfe es nie wieder geben.

Dass die Dokumente und Bilder mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten, liegt in der Natur der Sache, denn Nikolaus Schmitt starb bereits im Jahr 1955, nachdem ihn die Stadt aufgrund des Lehrermangels – zwar widerwillig und mit Bedenken, dann aber doch – im Jahr 1947 wieder in den Dienst der Erziehung der Nachkriegsgeneration gestellt hatte.

Aus dieser Zeit datieren Beurteilungen, die ihm mit der Wiederaufnahme des Unterrichts auch die Chance zu Umkehr und Bewährung einräumen. Dass die persönlichen Dokumente des Nikolaus Schmitt überhaupt nach Sprockhövel gelangen konnten, ist einer Reihe von Zufällen geschuldet: Ortwin Bickhove-Swiderski lebt in Dülmen, ist Autor des Buches ‚Dülmen unterm Hakenkreuz’ und arbeitet in verschiedenen Gremien der Stadt mit.

An Altpapierhändler verkauft

Im Zuge seiner Recherchen entdeckte Bickhove-Swiderski den Umzug einer jüdischen Familie von Dülmen nach Sprockhövel und bat sein Netzwerk darum, ihn zu informieren, wenn es hierzu weitere Erkenntnisse gebe. Vermutlich sind die Dokumente im Rahmen der Haushaltsauflösung des ehemaligen Schmittschen Wohnhauses nicht vernichtet, sondern an einen Duisburger Altpapierhändler verkauft worden, der den Kontakt zu Ortwin Bickhove-Swiderski herstellte.