Oberhausen. Mit Wochenmärkten und höheren Freizeitwerten soll das Shoppen in den Ortskernen aber wieder attraktiver werden. Sterkrade macht es vor.
Mittwochs und samstags herrscht buntes Treiben auf dem Großen Markt neben der Propsteikirche St. Clemens. Beim Wochenmarkt pulsiert die Sterkrader Innenstadt und lässt sich auch von den Einschränkungen einer globalen Pandemie nicht mehr beirren. Längst zieht der Markt mit seinen lokalen und regionalen Händlern Menschen aus anderen Städten an. Und wer erstmal zum Marktbummel kommt, flaniert oft noch an den Geschäften vorbei oder setzt sich ins Café.
Diese Anziehungskraft entfalten die Wochenmärkte in den anderen Ortskernen und Stadtteilzentren wie Osterfeld Mitte und der Alt-Oberhausener City nicht. Die Gründe sind vielschichtig. Dabei ist die Qualität der Wochenmärkte immer auch ein Indikator dafür, wie es um das Thema „Einkaufen“ vor Ort bestellt ist. Das spiegelt auch unser Stadtteil-Check wider. Wir haben Oberhausener Bürgerinnen und Bürger darum gebeten, ihr Urteil über die Qualität von Nahversorgung und Händlern in ihrem Stadtteil abzugeben. Es fällt ernüchternd aus.
Sterkrade möchte „emotionale Mitte“ sein
Die meisten Stadtteile bewegen sich beim Thema „Einkaufen“ im Zweier- und Dreier-Bereich. 16 von 26 Stadtteilen erhielten eine Note mit einer Zwei vor dem Komma – unter Strich ist Oberhausen also Mittelmaß. Im Einser-Bereich landeten lediglich Alsfeld (1,93), Schmachtendorf (1,92) und Spitzenreiter Sterkrade (1,86). So belegt Sterkrade auch beim Vergleich der drei Oberhausener Stadtteilzentren Innenstadt (Alt-Oberhausen) (2,82), Osterfeld Mitte (2,95) mit Abstand den vordersten Platz.
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Doch was steckt hinter den Zahlen? Und was macht gerade Sterkrade bei der Versorgung mit Waren und Lebensmitteln so attraktiv? Robbie Schlagböhmer, Reisebüro-Inhaber und Vorsitzender der Sterkrader Interessengemeinschaft (STIG), glaubt darauf eine Antwort zu kennen. „Wir wollen den Menschen in der Sterkrader Innenstadt eine ‘emotionale Mitte’ bieten“, sagt Schlagböhmer. „Das ist nichts, was wir uns ausgedacht haben. Aber Studien haben gezeigt, dass Bürger den Strukturwandel im Einzelhandel anerkennen, also die Tatsache, dass viel mehr im Internet und in Einkaufszentren gekauft wird als früher in den Geschäften der Innenstädte.“ Doch keiner wünsche sich die Zeit von vor 20 Jahren zurück, meint Schlagböhmer. „Was sich aber alle wünschen, ist eine ‘emotionale Mitte’: Man möchte einen Ort haben, wo man Freunde trifft, wo man Freizeit verbringt, wo man kulturelle Aktivitäten genießt, wo man eben auch einkaufen, essen und auch mal zum Arzt geht.“ Sterkrade biete dazu gute Ausgangsmöglichkeiten.
Innenstadt: Markstraße aus dem Dornröschenschlaf wecken
Der Wochenmarkt sei hier ein wesentlicher Faktor, hier zeige sich die „emotionale Mitte“. „Die Leute kaufen nicht einfach nur ein, sie haben hier eine gute Zeit“, meint Schlagböhmer. Aber auch in anderen Bereichen wolle man diese emotionale Mitte weiter ausbauen. Etwa beim Gastronomie-Angebot und beim Branchenmix. Hier habe der Stadtteil zuletzt einige Erfolge verzeichnet. So sei der neue Unverpacktladen eine Bereicherung für Sterkrade gewesen, genauso wie das Geschäft Thissen. Hier werden edle Handtaschen verkauft.
City-Manager Michael Grundmann kennt das erfolgsverheißende Konzept der „emotionalen Mitte“, weiß aber wie schwierig das Vorhaben ist, gerade im Bereich der Marktstraße. „Die Marktstraße und die Innenstadt haben jahrzehntelang in einem Dornröschenschlaf gelegen. Die Stadt jetzt draus zu erwecken, geht nicht von heute auf morgen“, meint Grundmann.
Dass dieser Umstand nun auf die Corona-Krise und die fortschreitende Digitalisierung der Einkaufswelt trifft, mache die Aufgabe nicht gerade leichter. Handelsexperten zeigen auf, dass der Strukturwandel im Einzelhandel sich aufgrund von Corona um ein Vielfaches beschleunigt. Grundmann geht wie viele seiner Kollegen von einem Handelsrückgang von 30 Prozent aus. „Der Rückgang wird so stark sein, dass wir manche Ladengeschäfte an der Marktstraße gar nicht mehr mit Handel belegen können.“
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Um das Einkaufen in der City attraktiver zu machen, will Grundmann auf Werkzeuge setzen, „die angesichts der Situation noch Sinn machen“. Das bedeutet für den City-Manager aktuell: Schlüsselimmobilien entwickeln (Beispiele: Kaufhof und Jobcenter), attraktive Gaststätten ansiedeln („wir brauchen nicht eine, sondern vier bis fünf ‘Homebars’“) und Start-ups mit Nischenkonzepten („bloß keine Ein-Euro-Billig-Shops mehr“) anlocken.
Auch das Thema Wohnen und Aufenthaltsqualität spiele eine entscheidende Rolle. „Wir brauchen mehr Wohnungen in der Innenstadt“, betont Grundmann. „Um mehr Kaufkraft in die City zu bekommen, müssen wir Wohnraum von mittlerem und gehobenen Standard schaffen.“ Um die Aufenthaltsqualität zu steigern, sollen künftig mehr Bäume gepflanzt und etwa Bänke zum Verweilen aufgestellt werden. Da arbeite man derzeit mit dem Projekt Brückenschlag eng zusammen.
Von der Zugkraft eines Wochenmarktes wie in Sterkrade kann Grundmann aber nur träumen. „Wenn wir in der Lage wären, den Wochenmarkt am Altmarkt aufzuwerten, wäre das ein Gewinn für die Innenstadt. Doch bisher sind alle bisherigen Versuche – auch die meiner Vorgänger – gescheitert. Ich bin auch nicht ganz sicher, woran es liegt.“ Momentan stehe die Wiederbelebung des Altmarkt jedoch nicht auf Grundmanns Agenda.
Osterfeld: So gut wie keine Leerstände mehr
Ein anderes Bild zeigt sich im Ortskern von Osterfeld. Fachgeschäfte und Boutiquen gibt es in Osterfeld Mitte so gut wie keine mehr. „Wir sind absoluter Nah- und Sofortversorger“, weiß der scheidende Vorsitzende der Werbegemeinschaft Osterfeld (Wego), Hans-Georg Gosda. „In Osterfeld wird nicht mehr geshoppt, man geht das kaufen, was man gerade braucht.“ Das Geschäft der kanadischen Kette Woolworth stellt das letzte größere Kaufhaus im Viertel dar. Der Einzelhandel sei gut aufgestellt, die Händler kämen bislang gut durch die Krise, könnten mit Personal und Warenangebot gut haushalten.
„Wir haben so gut wie keine Leerstände mehr in Osterfeld“, hebt Gosda hervor. Der letzte freie Laden sei gerade vermietet worden. Wer künftig dort einzieht, will der Wego-Chef allerdings nicht verraten. Es fehlten noch Genehmigungen.
Auch die Wego denkt immer wieder darüber nach, mehr Freizeitwerte in Osterfeld Mitte zu schaffen. Dazu gehörten ebenfalls „der Wochenmarkt, ein schönes Eis-Café und ein ansprechendes gastronomisches Angebot“. Doch gerade dienstags konkurriere der Markt mit Lebensmittelgeschäften wie Netto und Lidl. An eine Erweiterung des Marktes sei auch aufgrund von Corona gerade nicht zu denken. Letztlich müsse sich Osterfeld aber den Ansprüchen der Kunden anpassen. „Wir sind nicht Sterkrade und nicht die City“, meint Gosda. Er hätte Osterfeld aber eine bessere Note gegeben: „Mindestens eine zwei Minus.“
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