Oberhausen. Senioren vom Haus Abendfrieden wurden von der BBC zur Flüchtlingskrise befragt. Weil das Thema ihnen wichtig ist, haben sie gern mitgemacht.

Wie geht man in Deutschland, speziell in einer strukturwandelgebeutelten Region wie dem Ruhrgebiet, mit der Flüchtlingsproblematik um? Wie ist die Haltung der Alt-Eingesessenen, wie der erste Eindruck der Geflüchteten von ihrer neuen Umgebung? Das wollte der britische Fernsehsender BBC seine Zuschauer wissen lassen. Er schickte ein Team nach Oberhausen – auf die Straße, in Schulen, in Schwimmbäder und ins Seniorenzentrum „Haus Abendfrieden“ an der Dieckerstraße, wo der Interviewer ein Stimmungsbild der älteren Deutschen einholen wollte. Er traf auf aufgeschlossene Bewohner, die sich nicht lang zierten und gerne über das gesellschaftspolitische Thema ins Gespräch kamen.

Mikro und Kamera? Da sucht mancher schnell das Weite. Aber Jürgen Bräutigam, Leiter der sozialen Betreuung im Haus Abendfrieden, hatte nicht viel Mühe, unter den Bewohnern ein Quartett zu finden, das dem englischen Journalisten Rede und Antwort stand: „Wenn man da sitzt, ist man zwar schon ein bisschen nervös“, erinnert sich Helga Wronkowitz (78). „Aber das Thema ist ja hochaktuell und hat so viele Facetten. Da find ich es wichtig, dass man drüber spricht, wie wir zu einem guten Miteinander finden können.“

In der Jugend selbst geflüchtet

Auch Frieda Buse, mit 88 Jahren die Älteste in der Runde, liegt das Thema am Herzen, hat sie doch selbst erlebt, wie es ist, wenn man aus seiner Heimat flüchten muss: „Ich bin mit 17 Jahren aus Ostpreußen gekommen.“ Die Fluchterfahrung teilt auch Vera Huwer (75), die 1946 aus Schlesien vertrieben wurde: „Die Situationen damals und heute sind nicht ohne Weiteres vergleichbar. Die Menschen, die jetzt zu uns kommen, sprechen andere Sprachen und haben vielfach eine andere Religion. Das war bei uns anders. Aber auch wir hatten damals manche Hürden zu überwinden – deshalb kann ich nachempfinden, wie schwierig es oft für sie sein muss.“

Das Thema Ausgrenzung und Isolation treibt auch den einzigen Mann in der Runde, Horst Müller (85), um. Dem Pfarrer im Ruhestand ist wichtig, dass man offen miteinander um- und aufeinander zugeht: „Insofern war das ein richtig gutes Gespräch mit dem britischen Interviewer – in einer ganz großen Offenheit.“

Interesse am Tagesgeschehen

Jürgen Bräutigam freut sich, dass der BBC-Beitrag auch zeige, wie sehr ältere Menschen – entgegen der landläufigen Meinung – immer noch am Tagesgeschehen interessiert sind: „Sie setzen sich damit vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrungen auseinander – und haben deshalb auch ganz viel zu sagen, das sich immer wieder anzuhören lohnt.“ Ihr Blick ist dabei keinesfalls nur rückwärts gewandt: „Was mir Angst macht, sind Demos wie die von Pegida. Das kann man kaum ertragen, das anzusehen“, sagt Vera Huwer und erntet damit Zustimmung in der kleinen Runde: „Das sind doch auch nur Menschen, die zu uns kommen, um Not und Krieg zu entfliehen.“

Man könne die Flüchtlinge auch als Chance für die Gesellschaft betrachten, meint Huwer: „Wir sind eine alternde Gesellschaft – und wir brauchen alle irgendwann Hilfe“, sagt sie und deutet auf die Rollstühle und Rollatoren in der Gesprächsrunde. „Wenn wir den zu uns Gekommenen helfen, dass sie Deutsch lernen und eine vernünftige Ausbildung machen können, wird mancher von ihnen später auch in der Pflegebranche tätig sein können. Das wäre ja gut für alle.“ Es sei ein Geben und ein Nehmen: „Die Menschen, die zu uns kommen, müssen sich anstrengen und willig sein, sich zu integrieren – und wir sind gewillt, ihnen zu helfen, damit sie bei uns richtig Fuß fassen können.“

Senioren hatten Spaß

Wie die Senioren vom Haus Abendfrieden beim britischen Fernsehpublikum ankamen, wissen wir nicht. Sie selbst sind mit ihrem Auftritt, der mit englischer Übersetzung untertitelt ist, jedenfalls ganz zufrieden: „Das Interview ist sehr gut geworden: Jeder von uns hat unterschiedliche Aspekte eingebracht“, findet Huwer. „Und Spaß hat’s auch gemacht.“

Der BBC-Artikel ist online zu finden: www.bbc.com/news/world-europe-36148418