Oberhausen. .

Wie kleine Punkte leuchteten sie in dem bunten Treiben der Straßen, die weiß-gestärkten Hauben der Krankenschwestern, wie sie durch die pulsierende Millionenstadt Davao City auf den Philippinen eilten. Schon als kleines Mädchen hat Virginia Böhm den Schwestern voller Achtung nachgeschaut, als junge Frau wollte sie selbst in einer Klinik arbeiten. Ihr Weg führte sie vor 40 Jahren nach Osterfeld, wo sie als eine der ersten philippinischen Krankenschwestern am St.-Marien-Hospital arbeitete.

Es mangelte an Fachkräften in den deutschen Kliniken der 70er Jahre. Um gut ausgebildete junge Menschen nach Deutschland bringen zu können, vergab die Bundesregierung unter Willy Brandt über 3000 meist dreijährige Arbeitsverträge an philippinische Krankenschwestern. In kleinen Gruppen kamen sie, mutige Frauen, die Deutschland mit großen Hoffnungen und dem Wunsch nach etwas Wohlstand betraten. Doch ihr Beruf, der auf den Philippinen hoch angesehen ist, gestaltete sich in Deutschland sehr viel anders.

Verdienst von 100 Euro im Monat

Dass auch Virginia Böhm gehen würde, war lange geplant. Als das älteste von zwölf Kindern in der Familie durfte sie eine Universität besuchen, fünf Jahre dauerte die Ausbildung zur examinierten Krankenschwester und Hebamme – ein teures Unterfangen, „wenn man sich überlegt, dass Krankenschwestern damals nur rund 100 Euro im Monat verdient haben“, erinnert sich Böhm.

Nach den ersten Berufserfahrungen und einem nur dreiwöchigen Deutschkurs stieg die damals 21-Jährige deshalb mit 23 anderen Krankenschwestern ins Flugzeug Richtung Deutschland. An einem kalten Novembertag kamen sie in Oberhausen an, wo sie mit dem damaligen Direktor des St.-Marien-Hospitals auf einen Vorreiter in der damaligen Facharbeiter-Werbung stießen. „Er war damals einer der ersten, die überhaupt philippinische Krankenschwestern anstellten. Wir wurden mit offenen Armen empfangen“, sagt Böhm.

Die Nonnen waren der Familienersatz

Im damaligen Schwesternhaus an der Bottroper Straße lebten die Frauen mit Nonnen zusammen, ein Familienersatz. „Alles war neu, das Essen, die Sprache, auch die Arbeit.“ Denn obwohl Böhm und ihre Kolleginnen examinierte Krankenschwestern waren, erkannte dies nicht jeder im Krankenhaus an. Mal habe man sie Wäschedienst machen lassen, erzählt Böhm, mal sollte sie in der Küche aushelfen. „Es hat einige Zeit gedauert, bis man uns mit unserem Fachwissen anerkannt hat.“

Die Patienten übrigens vermuteten bei den asiatischen Frauen noch ganz anderes Wissen: „Ob ich Akupunktur könne oder den Rücken massieren, hat man mich gefragt“, schmunzelt die 61-Jährige heute. Viel gelacht habe man mit den Patienten, die ihr jeden Tag ein neues deutsches Wort beigebracht haben. „Das war eine schöne Zeit.“

Hohe Arbeitsbelastung

Die Arbeitsbedingungen waren dennoch hart. Immer mehr Patienten mussten in immer kürzerer Zeit versorgt werden. Während auf den Philippinen viel Zeit für jeden einzelnen Patienten aufgebracht wurde, sei sie in Deutschland auf „Arbeit am laufenden Band“ getroffen. Viele der Frauen kehrten zurück in ihre Heimat, auch Virginia Böhm wollte das Handtuch werfen. Dann lernte sie ihren Mann Norbert kennen, die beiden gründeten eine Familie. Heute leben nur noch zwölf der 24 Philippinerinnen in Deutschland.

1994 hat Böhm das Krankenhaus verlassen, arbeitete zehn Jahre in der Altenpflege, vor sechs Jahren machte sie einen Schnitt. „Die Arbeitsbelastung in diesem Beruf ist enorm. Die Bedingungen müssen dringend verbessert werden“, sagt sie.

Sind ihre Hoffnungen erfüllt worden? Böhm schaut ihren Mann Norbert an und lächelt. „Das ist mein Zuhause.“