Oberhausen. . Kanalarbeiten am Alsbach gehen Tag und Nacht voran. Für einen Besuch gilt es den Tauchschein zu zücken. Denn zum Bohrer geht’s durch eine Druckkammer
Dann fällt die gelbe Stahltür zu. Langsam senkt sie sich in die Rille im Boden, bis die Druckkabine luftdicht verschlossen ist. Schlagartig wird es heiß in dem engen Raum, das Haar klebt am Baustellenhelm. Und die Ohren beginnen zu schmerzen.
Martin Steindor zeigt auf seine Nase, weil er Schaumstoffstöpsel gegen den Lärm in den Ohren hat, schreit er: "Den Druckausgleich kennen Sie doch vom Tauchen." An der Stelle ist das Schmunzeln kaum zu verkneifen: Wer hätte auch gedacht, dass man Sporttaucherin sein muss, um die Kanalbauarbeiten am Alsbach zu besuchen?
Tag und Nacht arbeiten die Männer der Bocholter Spezialtiefbaufirma Wilhelm Epping GmbH derzeit in Sterkrade, um den ersten Teil des neuen rund 500 Meter langen Abwasserkanals zwischen Kolberger- und Mathildestraße zu verlegen.
Über 280 Meter geschafft
Knapp über 280 Meter sind bereits geschafft, die übrigen rund 100 Meter bis zu der großen Baugrube an der Mathildestraße werden Ende des Monats gegraben sein. Bis 2013 soll auch der Kanalteil bis zur Köperstraße fertig sein; um den straffen Zeitplan trotz des strengen Frosts im vergangenen Winter einhalten zu können, wird unter Hochdruck geackert. Und das gleich im doppelten Sinn.
Denn der neue Kanal wird Stück für Stück unterirdisch vorangetrieben. Heißt: Während sich vorne der zwei Meter lange Arm eines Felsbohrers Zentimeter für Zentimeter durchs Erdreich gräbt, werden von hinten mit Pressluft 22 Tonnen schwere und vier Meter lange Stahlbetonrohrstücke passgenau in den Tunnel geschoben. Damit beim Graben kein Wasser in den vorderen Stollen fließt, steht dieser Teil kontinuierlich unter Druck.
Martin Steindor bedient dort den Felsbohrer. Um zu seinem Arbeitsplatz zu kommen, müssen er und Arbeitskollege Jörg Klump nicht nur knapp 260 Meter in gebückter Haltung vom Baugrubeneingang an der Kolberger Straße durch die bereits gelegten Rohrteile marschieren. Sie müssen auch eine Druckkammer passieren.
Wie vier Meter unter Wasser
In dieser nun steigt die Nadel am Manometer langsam, während der Kammerdruck auf den gleichen Level angehoben wird wie er hinter der Schleuse am Bohrer besteht: Um 0,4 bar - beim Wassersport würde das ungefähr einem Abtauchen um vier Meter entsprechen. Wie im Tauchsport müssen Martin Steindor und Jörg Klump deshalb auch regelmäßig ärztlich untersucht werden.
Der 26-jährige Klump zieht an einem Hebel und die Schleuse zum Vortriebsrohr mit dem Bohrkopf öffnet sich. Ein Förderband streckt sich wie die Zunge dieses Stahlrachens nach vorne, darunter bringt Klump eine mitgebrachte Lore in Position. Martin Steindor drückt sich an armdicken Kabelsträngen vorbei zum Schaltpult des Bohrkopfs. Es ist stickig, laut, warm - und zunehmend beklemmend. „Platzangst“, sagt Steindor, „kann man in dem Job nicht haben“.
Unbeirrte Tennisspieler
Während er sich durchs Erdreich gräbt, schieben Presszylinder Bohrer, Stahlrohr, Druckkammer und die bisherigen Stahlbetonrohre vorsichtig von hinten nach. Davon merkt man im Tunnel und an der Oberfläche nichts: Zweieinhalb Meter über Martin Steindor spielen zwei Männer unbeirrt Tennis. Er untertunnelt den Platz von Blau-Weiß-Sterkrade.
30 Zentimeter geht es voran, dann ist die Lore voll. In der verschlossenen Druckluftkammer wird langsam der Überdruck gesenkt, das Manometer sieht man diesmal aber nicht: Nebel steigt auf, als kalte Frischluft zum Druckausgleich in die Kammer strömt. Einmal aufatmen, eh sich die Schleuse zum Tunnelausgang öffnet: 260 Meter durch den neuen Kanal, Blick nach unten, Schultern gebeugt, im Gleichschritt voran.
Neuer Kanal wird 2013 in Betrieb genommen
Die Mathildestraße wird im September wieder für den Verkehr frei gegeben. Dann können Fußgänger auch wieder die Brücke an der Kolberger Straße nutzen.
Ab September beginnen die Kanalarbeiten vom Parkeingang an der Kolberger bis zur Köperstraße. 2013 soll der neue Kanal nach knapp achtjähriger Planung in Betrieb gehen. Gesamtkosten: 2 Mio Euro.