Oberhausen. Der erste Kunde kam gleich am Eröffnungstag – Anja Richels wagt den Weg von der Angestellten zur Firmenchefin. Drei Kolleginnen stehen ihr zur Seite

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Vor einem halben Jahr hatte Anja Richels keinen Grund zum Lachen mehr. Ende 2015 hatte sie ihren Job als Pflegedienstleiterin bei einem häuslichen Pflegedienst verloren. Vergangenen Montag präsentierte sie sich nun an der Weseler Straße 146 als Chefin eines eigenen Pflegedienstes. Das Pflegeteam Richels nahm dort mit zunächst vier Pflegekräften seine Arbeit auf. Mit 49 Jahren hat Anja Richels den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt.

„Das Problem wird nicht sein, Patienten zu finden, sondern gute Mitarbeiter“, sagte sie bei der Eröffnung. Denn der Markt für Pflegekräfte sei buchstäblich leergefegt. Um von den Krankenkassen die Zulassung zu bekommen, musste sie gleich mit drei Angestellten an den Start gehen – auch ohne einen einzigen Patienten zu haben. Aber sie muss sicherstellen, ihre Patienten künftig bei Bedarf rund um die Uhr betreuen zu können.

Ihre Stellvertreterin Martina Wiesenberg fand sie auf einer speziellen Seite eines sozialen Netzwerks. Und ihre beiden anderen Mitstreiterinnen, Gundula Volmer und Nadine Slachciak, sind ehemalige Kolleginnen. „Ich weiß, dass ich mich auf sie verlassen kann“, sagt die Jung-Unternehmerin. Könnte sie das nicht, würde ihr Gründungsrisiko ja noch höher ausfallen, gibt sie zu bedenken.

Aber es ist nach gründlicher Vorbereitung überschaubar. „30 Patienten über alle Pflegestufen müssten wir versorgen können“, sagt Anja Richels. Bei 20 Patienten arbeite ihr Unternehmen kostendeckend. „Von da an sind wir in der Gewinnzone.“

Darlehen aufgenommen

80 Patienten hält sie für eine überschaubare Größe für einen häuslichen Pflegedienst. Dafür würde sie aber elf bis zwölf Pflegekräfte benötigen, darunter auch Teilzeitkräfte und solche auf 450-Euro-Basis. „Am schwierigsten ist es, Teilzeitkräfte zu finden“ sagt sie.

Über allem stehe die Zufriedenheit der Patienten und ihrer Angehörigen. „Deshalb darf es nicht passieren, dass meine Mitarbeiterinnen ihre Tour nur durchrasen und keine Zeit für ein persönliches Wort mit den Patienten haben.“ Natürlich müsse man wirtschaftlich arbeiten. Aber dem Pflegesatz liege eine Mischkalkulation zugrunde. „Für den einen Patienten braucht man etwas mehr Zeit, beim anderen geht es schneller.“ Einen entsprechend guten Ruf zu bekommen, das weiß sie, sei wichtig, um in der Branche bestehen zu können. „Denn die beste Werbung ist Mundpropaganda.“

Seinen ersten Patienten hat das Pflegeteam Richels am Eröffnungstag bekommen. Der Sohn einer älteren Frau mit Pflegestufe II kam vorbei und gab die häusliche Pflege seiner Mutter in Auftrag. Solange ihre Mitarbeiterinnen nicht mit Pflegeaufgaben ausgelastet sind, machen sie für das neue Unternehmen Werbung, verteilen Flyer.

Um sich auf eigene Beine stellen zu können, hat Anja Richels von der Agentur für Arbeit einen Existenzgründungszuschuss bekommen. Und sie nahm ein zinsgünstiges Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau auf: „Davon habe ich die Büro-Einrichtung und einen ersten Firmenwagen bezahlt. Außerdem bezahle ich davon die ersten drei Monatsgehälter meiner Mitarbeiterinnen“, berichtet Anja Richels.

Nach drei Monaten also muss sie die ersten 20 Patienten gewonnen haben. Sie ist guter Dinge, diese Zielmarke zu schaffen.