Oberhausen. Das Oberhausener “Institut für musterbasierte Prognosetechnik“ hat eine Software entwickelt, die schon in der Schweiz und Bayern von der Polizei eingesetzt wird. Aus den gesammelten Daten zurückliegender Einbrüche kann auf wahrscheinliche zukünftige Tatortgebiete geschlossen werden.
Kriminologische Themen interessieren und beschäftigen den Oberhausener Sozialwissenschaftler Thomas Schweer schon seit rund 20 Jahren: Es müsste doch möglich sein, aus einer Kombination von Täter-Verhaltensmustern und den Eckdaten jüngster Wohnungseinbrüche auf Gebiete schließen zu können, in denen in nächster Zeit mit einiger Wahrscheinlichkeit Folgedelikte zu erwarten sind. Dadurch könnte die Polizeiarbeit durch eine Art Frühwarnsystem unterstützt werden. Diese Grundidee kam ihm in einer eher ereignislosen Nachtschicht im Duisburger Polizeipräsidium, wo er im Jahr 2000 für eine Studie zum wechselseitigen Umgang von Polizei und ethnischen Minderheiten miteinander recherchierte. Aus der Idee ist inzwischen ein marktreifes Produkt geworden. Die Polizei in Zürich setzt seit mehr als einem Jahr erfolgreich die Prognose-Software „made in Oberhausen“ ein.
Und die Schweizer (auch in den Kantonen Aargau und Basel wird derzeit getestet) sind nicht die einzigen, die die Prognose-Software namens „Precobs“ („Pre-Crime-Observation-System“) nutzen: Auch die Polizei in Bayern hat nun damit angefangen, die Software in einer Pilotphase im Tagesbetrieb in München einzusetzen – und Anfragen aus anderen Bundesländern sind auch schon an der Königshardter Straße, wo das „Institut für musterbasierte Prognosetechnik“ seine Verwaltung hat, eingegangen. „In zehn Jahren“, ist Thomas Schweer überzeugt, „wird das Verfahren Standard in allen Polizeibehörden sein.“
Einbrecher sind Wiederholungstäter
Die Erfolge, die die Stadtpolizei Zürich im vergangenen Jahr in Sachen Bekämpfung von Wohnungseinbruchsdelikten erzielte, lassen jedenfalls aufhorchen: 86 Prozent der Precobs-Prognosen seien zutreffend gewesen, die Zahl der Einbruchsfälle ging stadtweit um mehr als 30 Prozent zurück, die Verhaftungsquote im Patrouillendienst habe erheblich gesteigert werden können, besagt eine vorläufige Bilanz der Behörde: „Ich bin nicht so vermessen, zu sagen: ,Das war allein Precobs.’ Aber es wird seinen Anteil daran gehabt haben“, so Schweer.
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Das Prinzip der Prognosesoftware beruhe auf einem Zusammenspiel von Mathe, Psychologie und kriminologischen Theorien, erklärt Schweer. In der Praxis sieht das so aus, dass Daten, die die Polizei bei jeder Einbruchaufnahme ohnehin registriert – also Tatort, Tatzeit, Beute und Vorgehensweise des Täters – von den Beamten ins System eingespeist werden. Da Einbrecher in der Regel Wiederholungstäter sind und nicht völlig planlos vorgehen, lässt sich aus den gesammelten Daten zurückliegender Einbrüche auf wahrscheinliche zukünftige Tatortgebiete schließen.
Kein Blick in die Glaskugel
„Das hat nichts mit Glaskugel-Guckerei oder Hexerei zu tun. Die Software dient lediglich dazu, Komplexität zu reduzieren“, erläutert Schweer. Will sagen: Aus den Verhaltensmustern von Wiederholungstätern und der Tatsache, dass Einbrüche oft in kurzer Zeit hintereinander im selben Gebiet verübt werden, könnten Polizeibeamte auch selbst mögliche baldige Tatortgebiete herausfinden – allerdings würde der Abgleich riesiger Datenmengen „von Hand“ enorm viel Zeit kosten. Die darauf spezialisierte Software erledige das in Sekunden. Dadurch haben die Beamten sehr viel schneller Ergebnisse zur Hand, die sie gewinnbringend bei ihrer Arbeit einsetzen können. „Precobs ist kein Allheilmittel, sondern ein Hilfsmittel zur Bekämpfung bestimmter Kriminalitätsformen. Nicht mehr, nicht weniger“, so Schweer.
Auch in Nordrhein-Westfalen soll die Software demnächst getestet werden. Datenschutzrechtlich sei das Verfahren unbedenklich, begegnet Schweer entsprechenden Befürchtungen, wie sie in Zeiten von NSA-Debatten und der Datensammelwut großer Internetkonzerne unweigerlich auftreten: Zur Prognoseerstellung würden ausschließlich anonymisierte Daten verwendet, die ohnehin von der Polizei erhoben würden. Es würden keinerlei sonstige Informationen aus dritten Datenbanken verwendet.