Oberhausen. Ein fröhlicher Familienausflug ins Centro Oberhausen endete für die 46-jährige Angelika Jankowski tragisch. Als sie bei einem Familienfest das „Bike Loop“-Fahrgeschäft ausprobierte, brach der Sattel. Heute ist die 46-Jährige schwerbehindert. Seit drei Jahren kämpft sie um eine Entschädigung.

Die Kinder hatten Spaß beim Familienfest im Centro. Dem Elfjährigen hatte es der „Bike Loop“ angetan, bei dem man auf einem Rad Salti schlagen kann. Angelika Jankowski dachte, „das kannst du auch“. Dann brach der Sattel. Heute ist die 46-Jährige schwerbehindert, kämpft seit drei Jahren um eine Entschädigung. Doch die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf stellte das Ermittlungsverfahren gegen den Betreiber jetzt ein.

Angelika Jankowski erinnert sich noch genau. „Ich schaute meinem elfjährigen Sohn zu, wie er seine Runden drehte.“ Dann setzte sie sich auf das Rad, wurde an Händen und Füßen angeschnallt, mit einem Brustgurt am Rad fixiert. Die erste Runde sei wie geschmiert gelaufen. Bei der zweiten aber sei sie oben stehen geblieben. „Ich wollte in die Pedale treten, um Schwung zu bekommen, in dem Augenblick sackte der Sattel weg.“ Sie kippte nach vorne. Das Rad sauste Richtung Boden, die an die Pedale geschnallten Füße habe sie nicht mehr hochziehen können. „Beide Füße, beide Sprunggelenke wurden zertrümmert, das Schienbein rechts gebrochen.“

Nach zwölf Monaten laufen lernen

Der Krankenwagen brachte die Oberhausenerin ins St.-Clemens-Hospital. Was sie bis heute schmerzt: „Um meine drei Kinder zwischen acht und 15 Jahren kümmerte sich niemand – sie liefen alleine nach Hause.“ Noch aus der Notaufnahme heraus alarmierte die alleinerziehende Mutter ihre Schwester, die zum Glück die Betreuung übernehmen konnte.

Dekra erkennt Konstruktionsfehler

Zwar stellte der von der Staatsanwaltschaft beauftragte Dekra-Gutachter fest, dass die Mitarbeiter des „Bike Loop“ bei Wartungsarbeiten am Rad einen zu kleinen Schnellspanner (6 statt 8 mm) verwandt haben. Außerdem registrierte er an dem Gerät einen „erkennbaren Verschleiß“. Doch was den Dreh- und Angelpunkt der Geschichte betrifft, „geht er davon aus, dass der zum Riss führende Materialmangel an der Sattelschelle für die Beschuldigten nicht erkennbar gewesen ist“, erläutert Anwalt Rendelsmann. Entsprechend folgerte der Oberstaatsanwalt: „Die Fahrlässigkeitsschuld ist nicht mit Sicherheit nachzuweisen.“ Damit verweigert die Haftpflichtversicherung des Fahrgeschäftbesitzers die Zahlung – Angelika Jankowski geht leer aus.

Aber so leicht lässt sich ihr Anwalt nicht abschütteln. Immerhin lieferte ihm das Dekra-Gutachten einen neuen Ansatzpunkt. Heißt es doch darin, dass es sich bei der Gestaltung der Anschweißschelle „um eine Sollbruchstelle handelt, die zwangsläufig ausfallen kann“. „Wenn der Dekra-Experte dies als Konstruktionsmangel erkannt hat, den man noch dazu leicht durch eine bessere Sattelfixierung hätte beheben können, hätte das der TÜV bei der Überprüfung direkt vor dem Unfall auch erkennen müssen“, folgert Rendelsmann und bereitet die Klage vor.

Um die Füße zu retten, operierten zwei OP-Teams gleichzeitig. Zwölf Monate saß Angelika Jankowski im Rollstuhl. Danach musste sie erst wieder laufen lernen. „Ohne die Haushaltshilfe, die uns die Krankenkasse zur Verfügung gestellt hatte, wären wir aufgeschmissen gewesen.“ Auch drei Jahre danach muss die 46-Jährige zur Krankengymnastik, nimmt Schmerzmittel. Durch den Unfall, sagt sie, hat sich ihr Leben total verändert. Mal eben mit dem Rad zum Schwimmen fahren, kleine Ausflüge mit den Kindern machen – „das ist alles vorbei, für weitere Strecken benötige ich Krücken.“

Natürlich hat die Familie Strafanzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen den Betreiber des Fahrgeschäftes gestellt. Doch die Staatsanwaltschaft Duisburg und soeben auch die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf stellten das Ermittlungsverfahren ein.

Ermittlungsverfahren eingestellt

Angelika Jankowski versteht die Welt nicht mehr. Die gelernte technische Zeichnerin lebt inzwischen von Hartz IV. Eine Rechtsschutzversicherung hat sie nicht. Ihr Oberhausener Rechtsanwalt Achim Rendelsmann stellt gerade einen Antrag auf Prozesskostenhilfe. Aber er weiß: „Der Fall ist kompliziert.“ Denn worüber sich kaum ein Kirmesbesucher Gedanken macht: „Passiert etwas, muss der Geschädigte dem Betreiber nachweisen können, dass er den Unfall fahrlässig verschuldet hat.“ Das gelänge nur selten.

Im Falle des „Bike Loop“ hatte der TÜV bei der Zulassung des Gerätes zwar zwingend vorgeschrieben, dass sich das Personal an die Anweisungen des Bedienerhandbuches hält. „Dieses Handbuch aber hatte der jetzige Betreiber beim Erwerb gar nicht erhalten, das ist wohl bei einem der Weiterverkäufe verloren gegangen“, weiß Rendelsmann. Die Staatsanwaltschaft Duisburg hatte immerhin ein Gutachten in Auftrag gegeben. Daraus ergibt sich, dass die an dem Bike-Loop-Fahrrad festgeschweißte Sattelschelle riss. Ob eine Wartung dieser Schelle in jenem Handbuch vorgeschrieben ist? „Darüber können wir nur spekulieren.“