Oberhausen.. In allen Wahlkreisen verlor die SPD an Stimmen, in Lirich-Nord sogar im zweistelligen Bereich. Das schlechteste Ergebnis fuhr Sterkrade-Nord ein. BOB begeistert auf Anhieb 6000 Oberhausener. Alle weiteren Ergebnisse in der Analyse lesen Sie hier.
Wollte man die Sozialdemokraten in Oberhausen noch trauriger und enttäuschter stimmen, als sie nach diesem Wahlsonntag ohnehin sind, könnte man sie mit dem Wahljahr 1975 konfrontieren, als Bundes- und Kommunalwahlen an einem Tag vollzogen wurden – und die Wahlbeteiligung entsprechend hoch lag. Damals vereinigte die hiesige SPD über 83.200 Oberhausener Wähler bei der Ratswahl auf sich – am vergangenen Sonntag waren es nur 27.642.
Gegenüber der Ratswahl vor fünf Jahren verlor die SPD Oberhausen über 5.800 Stimmen. Das ist fast soviel wie jeweils die Grünen, die Linken oder das BOB auf sich ziehen konnten. Gegenüber der Ratswahl 2004 gingen der SPD sogar 13.836 Wähler verloren.
Größte Verluste in Lirich-Nord
Holte die SPD noch vor fünf Jahren mit dem damals schon schlechtesten Ratsergebnis in Oberhausen seit Jahrzehnten (44 Prozent im Stadtgebiet) in vier Wahlbezirken (Buschhausen, Klosterhardt-Nord, Holten, Lirich-Nord) über 50 Prozent der Stimmen, ist es jetzt kein einziger mehr. Nur in 14 von 29 Wahlbezirken liegt die SPD nun über 40 Prozent.
Die größten Verluste von bis zu 10,3 Prozentpunkten handelte sich die SPD in Lirich-Nord (10,3), im Wahlbezirk des SPD-Fraktionschefs Wolfgang Große Brömer Osterfeld-Heide (8,1), in Buschhausen (8,0) und in Alstaden-Ost (7,9) ein.
Das schlechteste Ergebnis fuhr die SPD in Sterkrade-Nord ein (32,9 Prozent), das beste in Klosterhardt-Nord (46,1 Prozent). Einen Trost gibt es: Bei der Europawahl gewann die SPD in Oberhausen im Vergleich zur Europawahl 2009 immerhin 4,1 Punkte hinzu.
Nur ein einziger Ratssitz mehrfür die Oberhausener CDU
Trotz der spektakulären Verluste der Oberhausener SPD konnte die CDU von der Anti-SPD-Stimmung nur relativ schwach profitieren. Sie gewann nur einen Sitz hinzu, konnte allerdings sechs statt wie 2009 nur zwei Direktmandate in den 29 Oberhausener Wahlbezirken holen: Dümpten, Styrum, Sterkrader Heide, Sterkrade-Nord, Stadtmitte-Süd und Alstaden-Nord. Insgesamt 23.300 Bürger wählten die Christdemokraten.
Im Wahlkampf ganz besonders bearbeitet mit Hausbesuchen und Straßengesprächen hatte die CDU die knappen Wahlbezirke der vergangenen Jahre. Die Intensivkur war nur in Königshardt nicht erfolgreich: Hier siegt der im Norden durch die Königshardter Interessengemeinschaft (KIG) sehr bekannte SPD-Mann und Karnevalist Ulrich Real, der Bezirksbürgermeister Sterkrades werden soll, nur knapp mit 100 Stimmen vor CDU-Umweltpolitiker Frank Bandel.
Überraschendes Ergebnis in Stadtmitte-Süd
Sogar mit nur 25 Stimmen gewann in Sterkrade-Heide Hans-Bernd Lösken (CDU) vor Anja Kösling (SPD). Regelrecht überrascht hat die CDU der Sieg ihres rührigen Kandidaten Eugen Lenz in Stadtmitte-Süd, in dem die CDU sonst weit hinten lag. Lenz gewann ausgerechnet gegen Integrationsratsgeschäftsführer Ercan Telli (SPD).
Die CDU legte am stärksten in den Bezirken Alstaden-Ost (plus 8,7 Prozentpunkte), Alst.-West (6,5), Buschhausen (5,7), Holten (5,6) sowie Klosterhardt-Nord (5,5) zu.
Die Oberhausener Grünen lassen das Image-Tief hinter sich
Die Grünen haben ihr Imagetief vom Herbst 2013 bei der Bundestagswahl überwunden: Damals erhielten sie mitten in der Diskussion um Steuererhöhungen und bevormundende „Veggie-Day“-Kantinenideen einen kräftigen Dämpfer und sammelten in Oberhausen nur noch 6,5 Prozent ein. Das Rekordergebnis von 10,4 Prozent bei der Kommunalwahl 2009 erschien in so weiter Ferne wie nur denkbar.
Hinzu kamen Fehler der Oberhausener Grünen selbst: Die Mülheimer Straße zur kleinen, einspurigen Straße umbauen oder den Verkehr mit Pförtnerampeln aussperren zu lassen, erntete ein breites negatives Echo.
Freude über ein leichtes Minus
Dass Grünen-Parteichef Andreas Blanke leichtsinnig unter Pseudonym statt mit offenem Visier in Internetforen andere Parteien und Personen heftig attackierte, verwunderte viele; dass er im Parteibüro einen Billigpraktikanten weit unterhalb des Mindestlohns beschäftigten wollte, fanden nicht wenige doppelzüngig.
Die Partnerschaft mit der einst von den Grünen so scharf angegangenen SPD verlief seit 2009 so geräuschlos, dass das Profil der Grünen verwässerte. Kein Wunder, dass sich die Grünen zu Recht über ein Minus von nur 1,8 Prozent (minus 1800 Stimmen) im Vergleich zu 2009 freuten.
BOB begeisterte auf Anhieb über 6000 Oberhausener
Ob Piraten oder AfD bei den Bundestagswahlen oder Bürgerbündnisse in den Nachbarstädten Oberhausens: Offensichtlich hat ein guter Teil der Bürger das Vertrauen der in den Parlamenten ursprünglich nur vertretenen traditionellen Parteien verloren, weil sie diese als zu fern der eigentlichen Sorgen der Menschen vor Ort empfinden.
Sie wollen offensichtlich einen Ausgleich, eine andere frische Partei, die die Menschen ernster nimmt und den anderen Parteien auf die Finger haut. In diesem Sinne schaffte es das neue Bündnis Oberhausener Bürger (BOB) auf Anhieb 6000 Oberhausener zu überzeugen, erhält damit fünf Sitze im Rat der Stadt Oberhausen – und hier arbeiten nun erstmals sechs Parteien.
Teilweise sogar zweistellig
Es ist offensichtlich, dass die BOB vor allem enttäuschte frühere SPD- und CDU-Wähler für sich gewann – und auch viele Nicht-Wähler überzeugte. Während die BOB die Wutbürger-Generation „Stuttgart 21“ anspricht, die sich an politischen Prozessen zu wenig beteiligt fühlt, versammelt die Linke eine andere Protestklientel hinter sich – und konnte sich deshalb stabil halten.
BOB gewann sogar zweistellig in einzelnen Bezirken: Stadtmitte-Nord, Rothebusch (15,8 Prozent), Osterfeld-Heide und -Mitte.
Linke mit festem Wählerstamm
Im Gegensatz zu den Linken in anderen Städten des Ruhrgebiets ist die Oberhausener Linke Liste auf Fundamentalopposition eingestellt: Sie macht bei Sparprogrammen nicht mit, fordert stets mehr Geld vom Bund und mehr Steuern von Reichen, was allerdings lokal nicht beeinflussbar ist.
Die „Njet“-Haltung der Linksfraktion und der Weggang des profiliertesten Linken-Politikers in der Stadt, Dirk Paasch, hat der Partei nicht geschadet – sie holt mit über 5600 Stimmen zwar 850 Stimmen weniger als noch 2009, durch die sinkende Wahlbeteiligung bleibt es aber mit 8 Prozent und fünf Ratssitzen bei einem recht guten stabilen Ergebnis.
Die Linke versammelt also einen festen Stamm an Wählern: Sowohl einstige leidenschaftliche Sozialdemokraten und Gewerkschafter, die die SPD-Agenda-2010 heftig ablehnten, viele Menschen, die sich abgehängt fühlen, und Idealisten, die die Ungerechtigkeit dieser Gesellschaft stark bedrückt.
Die FDP verliert 3300 Stimmen
Das Ruhrgebiet gehört nicht gerade zu den Hochburgen der FDP. Nach ihrem Höhenflug vor fünf Jahren mit stattlichen 7,0 Prozent in Oberhausen sackten die Liberalen um Fraktionschef Hans-Otto Runkler stark ab: Sie sammelten 3300 Stimmen weniger ein – nur 2000 Oberhausener wählten die FDP.
Mit 2,8 Prozent erreichte sie wie 1994 ihr schlechtestes Ergebnis in Oberhausen. Trotz ihrer sozialliberalen Ausrichtung konnte die FDP sich vom allgemeinen Bundestrend gegen die neoliberalen Auswüchse der Bundes-FDP nicht absetzen. Das liegt aber auch an der recht unauffälligen Arbeitsweise der Liberalen vor Ort. Sie haben statt vier nur zwei Ratssitze – und verlieren so den finanziell besser ausgestatten Fraktionsstatus.
Rechtspopulisten gewannen bei Europawahl deutlich
Es ist ein großer demokratischer Erfolg aller etablierten Parteien und neuen Bürgerbündnisse in der Stadt, dass bei dieser Ratswahl rechtspopulistische Parteien überhaupt nicht angetreten sind – die meisten wegen der geringen Aussichten auf Erfolg. Vor fünf Jahren hatte die rechtsextreme NPD bei der Ratswahl in Oberhausen mit nur 68 Stimmen noch nicht einmal einen Achtungserfolg erzielen können. In Oberhausen scheinen einfache Politbilder aus der rechten Ecke offensichtlich nicht zu verfangen.
Betrachtet man allerdings die Europawahlergebnisse, sieht das schon anders aus: 870 Stimmen für die NPD, 750 Stimmen für Pro NRW und die REPs erhielten 245 Stimmen. Die hin und wieder rechtspopulistisch argumentierende AfD wurde sogar von 4090 Oberhausenern gewählt.