Oberhausen. Die Erinnerung wach zu halten, ist für Klaus Oberschewen eine Herzensangelegenheit. Was der Vorsitzende des Historischen Vereins Oberhausen-Ost an den Widerstandskämpfern bewundert? „Sie haben ihre Haltung bewahrt.“

Das Interview mit dem Vorsitzenden des Historischen Vereins Oberhausen-Ost, Klaus Oberschewen, führte WAZ-Redakteurin Barbara Hoynacki.

Die Oberhausener Hitler-Gegner haben in erster Linie Flugblätter oder Zeitschriften verteilt – kann man so etwas tatsächlich bereits als Widerstandskampf bezeichnen?

Klaus Oberschewen: Auf den ersten Blick könnte man sagen: Die haben nur ein paar Schriften verteilt oder sich mit anderen Leuten getroffen, die Hitler kritisch gegenüber standen. Was soll daran Besonderes gewesen sein? Aber diese Menschen haben dafür ihr Leben aufs Spiel gesetzt – und das war ihnen bewusst. Denken wir nur an Sozialdemokratin Else Jochem, die Flugblätter aus den Niederlanden transportierte – und daheim drei kleine Kinder hatte! Hätte es Anfang der 1930er Jahre mehr Menschen wie sie gegeben, wäre vielleicht alles anders gekommen.

Warum aber hat es die nicht gegeben?

Oberschewen: Die wirtschaftlichen und politischen Eliten in Deutschland – und auch in Oberhausen – wollten die NSDAP an die Macht bringen. In einem neuen Buch stellt der Historiker Peter Langer besonders die undemokratische Haltung des Wirtschaftskapitäns Paul Reusch heraus. Es ist bekannt, dass viele Menschen auch in Oberhausen durch das Mitmachen bei den Nationalsozialisten oder durch das Wegschauen bei deren Untaten eine Chance gesehen haben, Karriere zu machen. Menschen wie Else und Heinrich Jochem, Fritz Kamleiter, Joseph Rossaint oder die Familie Hetkamp hatten eines gemeinsam: Sie bewahrten ihre Haltung gegen das Unrecht. Selbst als sie dadurch das Risiko eingingen, verhaftet und hingerichtet zu werden.

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Diese Haltung machte es ihnen möglich, Adolf Hitler und die Nazis als die größten Feinde der Demokratie zu erkennen. Das galt vor allem für die Zeit bis 1942, als die Macht der Nazis auf dem Höhepunkt war.

Unsere vier Oberhausener waren also echte Helden?

Oberschewen: Das würden sie sicher abstreiten. Helden stehen häufig auf einem Sockel oder werden verherrlicht. Unsere Oberhausener waren Menschen wie Sie und ich. Kollegen, Kumpel, Nachbarn. Trotzdem sind sie bis heute Menschen mit Vorbildcharakter. Für gelebte Zivilcourage. Wenn ich recherchiere und dann auf diese Lebensläufe treffe, frage ich mich oft: Was hättest du damals getan? Was kannst du heute tun?

Und was können Sie heute tun?

Oberschewen: Als im Bahnhof eine Afrikanerin von Jugendlichen angepöbelt wurde, bin ich ohne zu überlegen dazwischen gegangen. Ich war überrascht, dass mir wenig später plötzlich etliche Menschen zu Hilfe kamen. Das hat mich beeindruckt. Es hat sich also zum Glück etwas getan. Andererseits: Rechtsradikale Strömungen gibt es noch immer in jeder Stadt. In Oberhausen ist die Zeit der Nazi-Diktatur vorbildlich aufgearbeitet worden, zum Beispiel durch das hervorragende Katalogbuch der Gedenkhalle. Deshalb ist das politische Bewusstsein wahrscheinlich relativ gut ausgebildet. Vor einigen Jahren wollten meine Frau und ich gemeinsam mit Sohn und Schwiegertochter, deren Vater aus Ghana stammt, in Mecklenburg-Vorpommern Ferien machen.

Meine Schwiegertochter sagte den Urlaub ab, mit der Begründung, das sei ihr zu unsicher. Solange es bei uns also noch immer vorkommt, dass Menschen sich wegen ihrer Hautfarbe nicht überall hintrauen, kann ich doch nicht einfach die Hände in den Schoß legen. Also versuche ich aufzuklären – und Mitstreiter zu finden. Sowohl für historische Forschungen, als auch für aktuelle politische Aktionen gegen alte und neue Nazis.